[PDF] Ralf Ludwig, Doris Reichert, Wolfram Mauser - Free Download PDF (2024)

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

ISBN 3-89958-072-9 © 2004, kassel university press GmbH, Kassel www.upress.uni-kassel.de

Umschlaggestaltung: Melchior von Wallenberg, Nürnberg Druck und Verarbeitung: Unidruckerei der Universität Kassel Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................... 3 Ekkehard Christoffels: Quantifizierung der Feststoffverlagerungen und der Feststoffeinträge in Fließgewässer aus der Erosion landwirtschaftlicher Nutzflächen mit Hilfe von Modellen am Beispiel des Flussgebiets Rotbach..................................... 5 Ralf Kunkel, Heye Bogena, H. Gömann, P. Kreins, Frank Wendland: Kopplung agrarökonomischer und hydrologischer Modelle zur Analyse von Nährstoffströmen in den Flussgebieten von Rhein und Ems ....................... 19 Andreas Horn, Nadine Dobslaff, Nicola Fohrer: Integration von Gewässergüteaspekten in Einzugsgebietsmodelle ......................... 31 Frank Voß, Katja Eulitz, Thomas Sommer, Bernd Pfützner, Beate Klöcking: Geogene und anthropogene Gewässerbelastungen im nördlichen Einzugsgebiet der Unstrut: Modellkonzepte zur Salzlaststeuerung ............................. 41 Stefan Krause, Axel Bronstert: Wasserhaushaltssimulationen unter Einbeziehung von Grundwasser – Oberflächenwasser - Kopplung zur Optimierung von szenarienbasierten Handlungsoptionen für ein nachhaltiges Flusseinzugsgebietsmanagement an der Unteren Havel .......................................................................... 61 Doris Reichert, Ralf Ludwig, Wolfram Mauser: Flächenverteilte Modellierung der Wasserflüsse in einem mesoskaligen Einzugsgebiet – Ergebnisse mit dem Skalierungsansatz “Geokomplexe”........................................................................................................ 75 Heye Bogena, Michael Herbst, Ralf Kunkel, H. Vereecken und Frank Wendland: Skalenabhängige Modellierung des Wasserhaushalts im Flusseinzugsgebiet der Rur........................................................................................................... 87 Helge Bormann, Bernd Diekkrüger: Analyse der räumlichen Übertragbarkeit von Modellparametern konzeptioneller hydrologischer Modelle in Benin (West-Afrika) ................................. 99

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Thorsten Dey, Andreas Horn, Georg Hörmann, Nicola Fohrer: Räumlich differenzierte Einzugsgebietsmodellierung für den tidefreien Bereich der Treene ...............................................................................................111 Lutz Breuer, Holger Fröhlich, Johann A. Huisman, Hans-Georg Frede: Nutzung geogener Tracer zur räumlichen Modellvalidierung .................................123 Benny Selle, Bernd Huwe: Effektive Landschaftsmodellierung mit Classification and Regression Trees (CART) ...........................................................................................................135 Kerstin Schulze, Petra Döll: Neue Ansätze zur Modellierung von Schneeakkumulation und – schmelze im globalen Wassermodell WaterGAP.....................................................145 Jens Wolf, Vlad Rojanschi, Roland Barthel und Jürgen Braun: Modellierung der Grundwasserströmung auf der Mesoskala in geologisch und geomorphologisch komplexen Einzugsgebieten......................................155 Jörg Neumann: Makroskalige Modellierung der Grundwasserneubildung – Verfahrensentwicklung für den Hydrologischen Atlas von Deutschland ...........................163 Frank Kaspar: Unsicherheiten und Parametersensitivität der simulierten Niedrigwasserdurchflüsse eines globalen hydrologischen Modells ...........................................173 Florian Appel, Heike Bach, Alexander Löw, Ralf Ludwig, Ute Merkel, Werner Schulz: Fernerkundung und Hochwasser-Vorhersage – Ergebnisse und Entwicklungen aus dem InFerno+ Projekt .....................................................................185 Björn Waske, Alexander Löw, Ralf Ludwig: Ein geostatistisches Verfahren zur Interpolation des SWE in mesoskaligen Einzugsgebieten auf Basis von meteorologischen Messungen und NOAA-AVHRR Daten ......................................................................................201

VORWORT

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Vorwort Die Beurteilung und Vorhersage hydrologischer Extreme und die Abschätzung verfügbarer Trinkwasserreserven im Spannungsfeld zwischen Wasserbedarf und Wasserverfügbarkeit erfordert die exakte Beschreibung der einzelnen Komponenten des Wasserkreislaufs auf verschiedensten räumlichen und zeitlichen Skalen. Die Hydrologie nimmt infolge ihrer vielschichtigen Verknüpfungen und Wechselwirkungen mit anderen Disziplinen eine zentrale Forschungsposition in der Mensch-Umwelt-Kopplung ein. Dabei werden auch und vor allem für große Einzugsgebiete belastbare Lösungsansätze erwartet, die eine prozessnahe Beschreibung hydrologischer Vorgänge und ihrer Wechselwirkungen voraussetzen um damit geeignete, lokal angepasste und nachhaltige Bewirtschaftungsmaßnahmen für das Flussgebietsmanagement zu ermöglichen. Ziel ist es demnach, neue Methoden und Werkzeuge zu entwickeln und einzusetzen, die diesen Anforderungen gerecht werden können, zu Problemlösungen beitragen und damit die tragende Rolle der Hydrologie bei der fachübergreifenden Beantwortung wasserbezogener Fragestellungen hervorheben. Im Rahmen mehrerer großer Verbundprojekte wird derzeit an der Entwicklung derartiger Werkzeuge und Methoden gearbeitet. Dabei wird deutlich, dass durch die Kopplung fachspezifischer Expertenmodelle wesentliche Potentiale zur detaillierten und belastbaren Beschreiung von Wasser- und Stoffflüssen in großen Einzugsgebieten erschlossen werden können. Die wesentliche Schwierigkeit liegt hierbei in der Skalenproblematik. Die auf der Mikroskala mögliche explizite Prozessbeschreibung kann bislang aus Gründen der Rechenzeit und schlechter Datengrundlage nicht auf große Gebiete übertragen werden. Da die beteiligten Prozesse zumeist nicht linear verlaufen und der betrachtete Untersuchungsraum durch große Heterogenität gekennzeichnet ist, führen grobe räumliche und zeitliche Diskretisierungen häufig zu nicht äquivalenten Ergebnissen, die zudem mit großen und schwer quantifizierbaren Unsicherheiten behaftet sind. Mit neuen Systemen und Methoden der Fernerkundung ist man in der Lage die Heterogenität der Landoberfläche auf unterschiedlichen Skalen zu erfassen. Die damit einhergehende Verbesserung der Datengrundlage sowie die verbesserten Möglichkeiten der Modellparametrisierung und validierung liefern wesentliche Impulse für diese Forschungsfrage, erfordern jedoch die Entwicklung geeigneter Assimilierungsstrategien. Am 27. und 28. November 2003 fand in München der siebte Workshop zur großskaligen Modellierung in der Hydrologie statt. Thema das Workshops waren „Neue methodische Ansätze zur Modellierung der Wasser- und Stoffumsätze in großen Einzugsgebieten“. Organisiert wurde der Workshop vom Lehrstuhl für

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Geographie und Geographische Fernerkundung am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Veranstaltung konzentrierte sich auf die Vorstellung und Diskussion neuer methodischer Ansätze zur integrativen Beschreibung großskaliger Einzugsgebiete. Neben neuen Strategien für die integrierte Modellierung wurden insbesondere die Schwierigkeiten multilateraler Modellkopplung, die Unsicherheiten bei der Parametrisierung komplexer Modelle, die Möglichkeiten der Fernerkundung sowie neue Ansätze zur Skalierung hydrologischer Daten und Prozessbeschreibungen diskutiert. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Workshops lagen auf folgenden vier Themenbereichen: • • • •

Methoden der integrativen Modellkopplung Methoden der Skalierung (Eingangsdaten, Prozessbeschreibung) Fernerkundung in der Hydrologie (Parametrisierung, Assimilation) Methoden der Modellvalidierung und Unsicherheitsanalyse

Die vorliegende Publikation setzt sich aus Beiträgen der Teilnehmer an diesem Workshop zusammen. Die 17 hier vorgestellten Beiträge wurden in einem internen Gutachterverfahren geprüft. Insgesamt nahmen 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 32 Universitäten und Institutionen an den Vorträgen und der Poster-Session teil. In der guten Tradition des Workshops wurden hier angeregte und konstruktive Gespräche und Diskussionen zu den vorgestellten Themen geführt. Dabei konnten zu den verschiedensten Fragestellungen der großskaligen Modellierung in der Hydrologie eindrucksvolle Fortschritte präsentiert werden, gleichzeitig wurden bestehende Defizite offen angesprochen und diskutiert. Sollte der Workshop zum verbesserten Problembewusstsein, zum Wissenszuwachs und zur verstärkten Zusammenarbeit unter den WissenschaftlerInnen beigetragen haben, dann hat er sein Ziel erfüllt. An dieser Stelle sei allen Teilnehmern für ihre Vortrags-, Poster- und Diskussionsbeiträge gedankt. Besonderer Dank gilt den Autoren dieser Publikation, die mit Ihren Manuskripten das breite Spektrum des Workshops aussagekräftig und fachkundig wiedergeben. Die gute und konstruktive gegenseitige Begutachtung der Manuskripte durch die Autoren sei hier ebenso positiv erwähnt, wie die Disziplin bei der Einhaltung der Formate und der Zeitvorgaben. Besonderer Dank an alle, die tatkräftig zur Organisation des Workshops beigetragen haben, vor allem auch an Frau Vera Erfurth für die umsichtige Formatierung des vorliegenden Bandes. München, im April 2004 Ralf Ludwig

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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Quantifizierung der Feststoffverlagerungen und der Feststoffeinträge in Fließgewässer aus der Erosion landwirtschaftlicher Nutzflächen mit Hilfe von Modellen am Beispiel des Flussgebiets Rotbach Ekkehard Christoffels*)

Kurzfassung: Am Beispiel des Rotbachs, im Einzugsgebiet der Erft gelegen, sollen im Rahmen eines Projekts Methoden zur Quantifizierung der aus der Erosion herrührenden Feststoffverlagerungen verglichen werden und die Einträge der Feststoffe in die Gewässer untersucht werden. Schwerpunkt der Arbeiten bilden die Gegenüberstellung empirischer und prozessbasierter Modelle, die kritische Würdigung der Anwendbarkeit dieser Instrumente auf das Fallbeispiel und die fachlich fundierte Einschätzung der Ergebnisse inklusive einer Plausibilitätsprüfung anhand verfügbarer Realdaten. Weiterhin soll durch den Einsatz des ATV-DVWK-Gewässergütemodells der Verbleib der eingetragenen Feststoffe im Gewässer abgeschätzt werden. Im Bericht wird die Konzeption des Vorhabens vorgestellt.

Abstract: In the project methods to quantify the soil erosion of agriculturally used landscapes and the impacts of discharged erosive soil particles in rivers should be examined. Focus of the work is the comparison between empiric methods and process based models and the plausibility check supported by monitoring. Furthermore the ATV-DVWK-Water Quality Simulation Model will be used to describe the fate of suspended matters, phosphorous and heavy metals stemming from erosive processes.

1 Vorwort In der Wasserwirtschaft gewinnt die Quantifizierung der diffusen Stoffeinträge im Rahmen der gütewirtschaftlichen Betrachtungen zunehmend an Bedeutung. Vor allem der Beitrag am Feststoffpartikelhaushalt in Fließgewässern kann ent*)

Erftverband, Paffendorfer Weg 42, 50126 Bergheim, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

scheidend durch die Erosion auf landwirtschaftlich genutzten Flächen beeinflusst werden. Zur Abschätzung des Beitrags aus Erosion am Stoffhaushalt der Fließgewässer kommen empirische Modelle und prozessorientierte Modelle zum Einsatz. Größere Verbreitung, vor allem bei behördlichen Rahmenplanungen, genießt die Allgemeine Bodenabtragsgleichung (ABAG). In jüngster Zeit kommen dank der Verfügbarkeit hoch diskreter Geodaten und der entsprechenden Werkzeuge zur Verarbeitung dieser Daten verstärkt Prozessmodelle (z.B. EROSION 3D) zur Anwendung. Generelle Defizite bestehen bei der Plausibilisierung der gewonnenen Ergebnisse aus den jeweiligen Modellanwendungen.

2 Feststoffe in Fließgewässern Der Feststoffhaushalt der Fließgewässer wird in bedeutendem Maße durch die Einträge aus den Siedlungsflächen und durch die Einträge aus der Bodenerosion von ackerbaulich genutzten Flächen beeinflusst (Abb. 1). In der Regel weniger wesentlich ist der Feststoffeintrag in die Gewässer über die atmosphärische Deposition. Die Feststoffzufuhr aus dem Umgebungsareal der Gewässer kann direkt als Feststoff oder in der gelösten Form erfolgen.

Abb. 1: Feststoffe in Fließgewässern (nach Literathy, Nasser Ali, Zarba, Ali, 1988).

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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Die Einträge in der gelösten Form können über Fällungsvorgänge, durch Anlagerungen an Feststoffe und mit der Aufnahme durch Lebewesen nach anschließender Biodeposition zum Feststoffhaushalt beitragen. Abhängig von den hydraulischen Bedingungen werden die Feststoffe im Gewässer den Schwebstoffen oder den Sedimenten zugerechnet. Wenn die Transportkraft der Strömung die kritische Sedimentschubspannung überschreitet, remobilisieren die am Gewässerboden abgelagerten Sedimente. In der Wasserwirtschaft wird den Feststoffen aus folgenden Gründen große Bedeutung beigemessen:

• Anlagerung wasserwirtschaftlich bedeutsamer Schadstoffe an Schwebstoffen und Sedimenten, Funktion der Feststoffe als Schadstoffträger; • Reduzierung des Sauerstoffgehalts durch Abbau organischer Feststoffe; • Dämpfung der Transmission der Solarstrahlung im Wasserkörper durch Extinktion an Schwebstoffen in der Freiwasserzone; • Feststoffakkumulation in staubeeinflussten Fließgewässerabschnitten; • abrasive Wirkung der Feststoffpartikel bei eingesetzten Werkstoffen im Rahmen von wasserbaulichen Maßnahmen; • Beitrag der Feststoffe zum Aufbau der Refugialhabitate für wassergebundene Lebewesen; • Einschränken des Lebensraums der aquatischen Fauna durch Verschlämmen des Sand-/Lückensystems durch Feststoffeinträge mit einem hohen Anteil der Feinmaterialien; • Verlandungen wertvoller Rückzugshabitate und Laichreviere durch Absinken der Schwebstoffe in Stillwasserzonen und Standgewässern.

Neben Untersuchungen zu dem Beitrag der Feststoffe an den stofflichen Umsetzungsprozessen im Gewässer rücken in der Wasserwirtschaft zunehmend die Herkunftsbereiche der eingetragenen Feststoffe und die relevanten Eintragspfade in den Blickpunkt. Der Eintragspfad Erosion gewinnt dabei in besonderem Maße an Bedeutung. Denn neben den diffusen Emissionen aus urbanen Gebieten gelangen mit dem Eintrag erosiver Feststoffpartikel wasserwirtschaftlich bedeutsa-

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

me Schadstoffe (z.B. Schwermetalle) in relevanten Größenordnungen in die Fließgewässer (Abb. 2).

Abb. 2: Schwermetallemissionen in Flussgebieten Deutschlands im Jahr 2000 (nach Behrendt, Fuchs, Hillenbrand, Marscheider-Weidemann, Opitz, Scherer, 2002).

Am Flussgebiet des Rotbachs, einem Teileinzugsgebiet der Erft, sollen mit Hilfe von Modelluntersuchungen kombiniert mit einem Monitoringsystem weitergehende Hinweise zu den erosiven Feststoffeinträgen hinsichtlich der Menge und der stofflichen Zusammensetzung gegeben werden.

3 Einzugsgebiet Rotbach Der Rotbach, in der Nordeifel gelegen, besitzt ein Einzugsgebiet von rd. 230 km² und entspringt in dem Buntsandsteingebiet der Mechernicher Triasbucht (Abb. 3). Die Lauflänge beträgt etwa 40 km. Der Rotbach mündet oberhalb der Stadt Kerpen in die Erft. Der mittlere Wasserabfluss beträgt ca. 250 l/s.

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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Abb. 3: Der Rotbach im Einzugsgebiet der Erft.

Der Leitboden der Rotbachregion ist die Braunerde. Die typisch rotbraune Färbung geht zurück auf die diesem Boden eigenen Eisenoxide und Eisenhydroxide. Im Einzugsgebiet des Rotbachs überwiegt die landwirtschaftliche Nutzung. Der obere Gewässerabschnitt ist tief in die Mechernicher Voreifel eingeschnitten, hat ein schmales Sohlental und zählt zu den Mittelgebirgsbächen. Das Längsgefälle ist bereichsweise mit bis zu 10°/°° recht hoch. Der Bleibach ist der bedeutendste Nebenlauf. Beide Bäche weisen bei Starkniederschlägen deutlich erhöhte Feststoffgehalte auf. Neben der Aufwirbelung des Gewässersediments durch den erhöhten Wasserabfluss spielt die Verlagerung von Feststoffmassen von landwirtschaftlich genutzten Flächen durch erosive Wirkungen die entscheidende Rolle (Abb. 4).

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 4: Ackerfläche im oberen Einzugsgebiet des Rotbachs nach einem Starkregenereignis im August 2002.

4 Methodische Aspekte Im Zuge der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie werden derzeit in Nordrhein-Westfalen Abschätzungen zur potenziellen Gefährdung der Gewässer für die Punktquellen und die diffusen Quellen durchgeführt (Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, 2004). Landesweit liegen nun die Karten zur Erosionsgefährdung vor. Als Methode ist hierbei die Allgemeine Bodenabtragsgleichung zu Grunde gelegt (Hoegen, 1999). Demnach ist das obere Einzugsgebiet des Rotbachs, nicht zuletzt wegen der Ackerflächen in den Hanglagen und wegen des fortschreitenden Grünlandumbruchs, stark erosionsgefährdet (Abb. 5). Die übrigen Teilflächen treten demgegenüber in den Hintergrund.

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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Abb. 5: Erosionsgefährdete Gebiete am Rotbach nach ABAG (Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, 2004).

Die Erosionsevents hängen sehr stark von der Niederschlagsintensität ab. Sie sind deshalb auf das Sommerhalbjahr (konvektive Starkregenereignisse) fokussiert. Die Art der Bodenbedeckung und das jeweilige Entwicklungsstadium der Bodenbedeckung sind die steuernden Elemente zur Dämpfung der Bodenverlagerungen durch Erosion. Deshalb ist die Bodenbedeckung zum Zeitpunkt der intensiven Regenereignisse von großer Bedeutung. Die in Abbildung 6 vorgestellten Feldkulturen Sommerweizen, Rüben und Mais werden allesamt im Einzugsgebiet des Rotbachs, jedoch mit unterschiedlicher Ausprägung, angebaut. Unschwer zu erkennen ist, dass von diesen drei Anbaufrüchten der Maisanbau die geringste Erosionsdämpfung entfaltet.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 6: Erosionszeitfenster in Abhängigkeit von den jeweils angebauten Feldfrüchten (nach Auerswald, 1988).

Der maßgebliche jährliche Bodenabtrag durch Erosion vollzieht sich in einem engen Erosionszeitfenster, häufig an wenigen Tagen im Jahr. Da das Erosionsgeschehen stark ereignisabhängig ist, wird im Rahmen des Projekts zur Quantifizierung der erosiven Feststoffverlagerungen ein Prozessmodell zum Einsatz kommen.

4.1 Erosionsmodell Ein Instrument zur ereignisbezogenen Simulation des Erosionsgeschehens ist das Modell EROSION 3D (Schmidt & Schmidt, Michael, von Werner, 1996). Dieses Modell besitzt einen physikalisch basierten Ansatz. Es besteht im Wesentlichen aus den Hauptkomponenten GIS-Modul und Simulationsmodul. Das GIS-Modul schafft die Voraussetzung zur Berechnung der Abflussbewegung im Gelände. Die Simulationskomponente von EROSION 3D berücksichtigt u.a. Niederschlagsinfiltration, Abflussbildung, Ablösung der Bodenteilchen, Partikeltransport inklusive Deposition, Partikelanreicherung entlang des Transportwegs sowie Sedimentrückhalt in Stauhaltungen. Im Rahmen des Projekts sind folgende Überlegungen ausschlaggebend für die Auswahl dieses Modells. Die jeweiligen Teilgebiete in den Oberläufen des Rotbachs sind im Modell abbildbar. EROSION 3D wird durch ein geografisches Informationssystem unterstützt. Die Ergebnisdaten des Modells können problemlos als Eingabedatensatz für das ATV-DVWK-Gewässergütemodell (ATV-DVWKArbeitsgruppe GB-4.2, 2002) verwendet werden. Der Aufwand zur Beschaffung

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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der Daten für die Eingabeparameter ist tolerierbar. Im Wesentlichen kann auf die verfügbaren Bodendaten des Geologischen Dienstes NRW zurück gegriffen werden. Zusätzlich fließen die Messdaten des Erftverbands aus den Beobachtungen des Niederschlaggeschehens ein. Es ist geplant, den Bodenbedeckungsgrad und den Bodenbearbeitungszustand regelmäßig an Hand georeferenzierter, fotografischer Aufnahmen (Rechtswert, Hochwert, Aufnahmewinkel) parzellenscharf auszuwerten.

4.2 Monitoring Das Erosionsgeschehen entzieht sich wegen der hoch instationär-dynamischen Vorgänge weitestgehend den Möglichkeiten einer repräsentativen, manuellen Probenahme. Deshalb wird das Vorhaben durch ein automatisiertes Monitoring unterstützt. Im Projektgebiet sind an mehreren Stellen Lichtleiter installiert. Ein Lichtstrahl mit definierter Wellenlänge wird in den Wasserkörper ausgesendet. Die an den Schwebstoffen reflektierte Lichtenergie wird mit einer Empfangseinheit ausgewertet. Das Messergebnis erlaubt einen Hinweis auf die vorherrschende Feststoffkonzentration. Die Geräte sind mit einem Datenlogger zur kontinuierlichen Aufnahme der Messwerte verbunden. Vor dem Einsatz werden die Lichtleiter zur Ermittlung der Feststoffbeziehung mit vor Ort geborgenem, potenziell verlagerbarem Sediment geeicht.

Abb. 7: Ultraschall-Dopplerverfahren (nach Lucas, 2001) (vp = Partikelgeschwindigkeit, vm = mittlere Geschwindigkeit). Im Flussgebiet werden während der Projektphase neben den vom Verband betriebenen Wasserstands-Abflusspegeln mobile Einheiten zur kontinuierlichen Erfassung des Wasserstands und der Fließgeschwindigkeit vorgesehen. Hierfür

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

kommen Geräte nach dem Ultraschall-Dopplerverfahren zum Einsatz (Abb. 7). Zur Ermittlung der Fließgeschwindigkeit wird ein gebündelter Ultraschallstrahl mit einer bestimmten Wellenlänge in einem definierten Winkel in den Wasserkörper ausgesendet. Der Ultraschallstrahl wird an den im Wasser mitgeführten Schwebstoffen reflektiert. Dabei wird die Frequenz des Ultraschallstrahls in Abhängigkeit von der Partikelgeschwindigkeit verschoben. Zur Feststellung des Wasserstands sind die Geräte zusätzlich mit einer Drucksonde ausgestattet. In Kombination mit den ermittelten Feststoffkonzentrationen werden somit ereignisspezifische Frachtaussagen möglich.

4.3 Kombinierte Herangehensweise Ein Ziel des Projekts ist es, die in die Gewässer eingetragenen Sedimentmengen und Stofffrachten prozessbezogen abzuschätzen und Aussagen über den Verbleib der Stoffe in den aufnehmenden Fließgewässern zu treffen. EROSION 3D bietet mit den Ergebnisausgaben zur transportierten Sedimentmenge und den korngrößenspezifischen Angaben des Feststoffaustrags in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung die dafür erforderliche Schnittstelle. Dies erlaubt die Abschätzung des Stoffeintrags in die Fließgewässer, z. B. für Phosphor und für die Schwermetalle (Abb. 8).

Abb. 8: Erosion - Partikeloberflächenmodell (C = Konzentration, ST = Stoff).

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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Die durchschnittliche Korngrößenverteilung des potenziell verlagerbaren Ackerbodens liegt vor. Die mittleren Phosphor- und Schwermetallgehalte, z. B. aus dem Fachinformationssystem Stoffliche Bodenbelastung NRW (Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, 2003), können unter Berücksichtigung der spezifischen Partikeloberfläche für Ton, Schluff und Sand auf die jeweilige Fraktion disaggregiert werden. Die Phosphor- und Metallgehalte werden dann, da die chemischen Umsetzungsvorgänge ausgeblendet bleiben, auf die mit dem Modell errechneten, nach Fraktionen ausgewiesenen Sedimenteinträge proji*ziert. Die aus den Simulationsergebnissen gebildeten Feststofffrachten werden an Hand der Monitoringdaten auf Plausibilität überprüft. Die Ergebnisse der Modellbetrachtungen auf Prozessebene werden vor dem Hintergrund der empirisch basierten Aussagen gemäß der Allgemeinen Bodenabtragsgleichung bewertet. Die Schwermetalle sind in die Untersuchungen einbezogen, da die im Projektgebiet anstehenden Böden geogen bedingt Schwermetalle (z.B. Pb, Zn, Cd, Ni, Co) enthalten. Wegen der wasserwirtschaftlichen Bedeutung der eingetragenen Nährstoffe und Schwermetalle wird das Schicksal der durch Erosion eingetragenen Stoffe im Fließgewässer mit Hilfe des ATV-DVWK-Gewässergütemodells (Christoffels, 2003) abgebildet, wobei die Modellbausteine Schwermetalle, Phosphor und Schwebstoffe einen besonderen Stellenwert im Rahmen des Projekts einnehmen (Abb. 9).

Abb. 9: Bausteine des ATV-DVWK-Gewässergütemodells.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Der Ausgabedatensatz des Erosionsmodells EROSION 3D dient als Dateninput für das Gewässergütemodell. Die Verknüpfung der Instrumente gestaltet sich überaus günstig, da beiden Modellen ein physikalisch-deterministischer Modellansatz zu Grunde liegt. Außerdem operieren die Modelle auf der gleichen RaumZeitskalenebene.

5 Ausblick Die starke Inanspruchnahme der Fließgewässer Erft und Rotbach durch das Erosionsgeschehen ist bekannt. Untersuchungen während Starkregenereignissen zeigen eine Feststofffracht von über 80 t TS/h im Mittellauf der Erft. Die vorgestellte Methode der kombinierten Herangehensweise zur Beschreibung der mit der Erosion verbundenen Prozesse soll aufzeigen, inwieweit die gewählten Instrumente zur Quantifizierung des Eintragspfads Erosion geeignet sind und wie das Verfahren bei der Entwicklung von Basisdaten im Rahmen der Bewirtschaftungsplanung Eingang finden kann.

Literatur ATV-DVWK-Arbeitsgruppe GB-4.2 (2002): Handbuch ATV-DVWK-Gewässergütemodell, ATV-DVWK Hauptgeschäftsstelle Hennef [Hrsg.]: Erftverband aquatec GmbH Bergheim (Eigenverlag). Auerswald, K. (1988): Sensitivität erosionsbestimmender Faktoren, Zeitschrift Wasser und Boden 1, S. 34-38. Behrendt, H., Fuchs, S., Hillenbrand, T., Marscheider-Weidemann, F., Opitz, D., Scherer, U. (2002): Quantifizierung der Schwermetalleinträge aus Deutschland zur Umsetzung der Beschlüsse der Internationalen Nordseeschutzkonferenz, UBA Forschungsbericht 000328 [Hrsg.]: Umweltbundesamt Berlin. Christoffels, E. (2003): Einsatz des ATV-DVWK-Gewässergütemodells zur Bewirtschaftung der Fließgewässer am Beispiel der Erft, 6. Workshop zur großskaligen Modellierung in der Hydrologie, Schwerpunkt „Flussgebietsmanagement“, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Magdeburg, ISBN 3-89958-031-1.

QUANTIFIZIERUNG DER FESTSTOFFVERLAGERUNGEN UND -EINTRÄGE

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Hoegen, B. (1999) Gefährdungsabschätzung zur Bodenerosion in NordrheinWest-falen, Vortrag anlässlich der 51. Hochschultagung der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn am 23.02.1999 (http://pu.ilb.unibonn.de/fakult%C3%A4t/HOEGEN.pdf). Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen (2003): Informationssystem Stoffliche Bodenbelastung NRW (FIS StoBo), Hintergrundwerte für anorganische und organische Stoffe in Oberböden Nordrhein-Westfalens (1979-1996), Fachbereich 33 - Bodenschutz -, Essen. Literathy, P., Nasser Ali, L., Zarba, M.A., Ali, A. (1988): Siedlungswasserwirtschaftliche Fachexkursion zur 13. IAWPRC-Konferenz 1986, Rio de Janeiro, Mitteilung der Oswald-Schulze-Stiftung, Heft 9, Band II, Eigenverlag der Oswald-Schulze-Stiftung, Gladbeck. Lucas, S. (2001) Durchflussmesstechnik im Abwasserbereich, Fa. Nivus, 2. Auflage (http://www.nivus.de/support/download/lw_e/apt_r/vortrag/flow.pdf). Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2004): Bewirtschaftungsplanung – Bestandsaufnahme – Dokumentation der wasserwirtschaftlichen Grundlagen Erft, Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, [Hrsg.]: Staatliches Umweltamt Köln, Außenstelle Bonn, Stand 02/2004 (http://www.erft.nrw.de). Schmidt, J., Schmidt, W., Michael A., von Werner, M. (1996): EROSION 3D – Ein Computermodell zur Simulation der Bodenerosion durch Wasser, Bd. 3: Modellgrundlagen – Bedienungsanleitung, Sächsische Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft [Hrsg.], Freiberg.

KOPPLUNG AGRARÖKONOMISCHER UND HYDROLOGISCHER MODELLE

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Kopplung agrarökonomischer und hydrologischer Modelle zur Analyse von Nährstoffströmen in den Flussgebieten von Rhein und Ems R. Kunkel1, H. Bogena1, H. Gömann2, P. Kreins2 und F. Wendland1

Zusammenfassung: Das REGFLUD-Projekt, das seit 2001 innerhalb des BMBF-Förderschwerpunktes Flussgebietsmanagement gefördert wird, hat die Entwicklung und Anwendung wissenschaftlicher Methoden zur Quantifizierung und Reduzierung der diffusen Nährstoffbelastung von Flussgebieten zum Ziel. Untersucht wurde ein Teileinzugsgebiet des Rheins (Sieg, Erft, Wupper, Ruhr) mit einer Fläche von 12100 km2 und das Flusseinzugsgebiet der Ems mit einer Fläche von 12900 km2. Zur Erreichung dieser Ziele wird ein integrierter Modellverbund, bestehend aus dem agrarökonomischen Modell RAUMIS, dem hydrologischen Modell GROWA und dem Verweilzeiten-/Denitrifikationsmodell WEKU, aufgebaut und angewendet. Für die Untersuchungsgebiete ergeben sich in Anhängigkeit vom Typ und der Intensität der landwirtschaftlichen Flächennutzung Stickstoffüberschüsse zwischen weniger als 10 kg N/(ha·a) und mehr als 200 kg N/(ha·a). Die berechneten N-Austräge in die Oberflächengewässer sind wesentlich geringer als die N-Einträge in den Boden, was die große Bedeutung der Nitratabbauprozesse im Boden und Grundwasser unterstreicht. Die proji*zierten Auswirkungen einer Steuer auf Mineraldünger sowie einer Beschränkung der Viehbesatzdichte auf die N-Einträge in den Boden und die Austräge in die Vorfluter belegen die Notwendigkeit regional angepasster Minderungsmaßnahmen.

Abstract: The REGFLUD-project, commissioned by Germany’s Federal Research Ministry (BMBF), addresses the problem of reducing diffuse pollution from agricultural production. The objective of the project is the development and

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Forschungszentrum Jülich GmbH, Programmgruppe Systemforschung und Technologische Entwicklung, Jülich, E-Mail: [emailprotected] Institut für ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Bonn, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

application of multi-criteria scientific methods, which are able to predict diffuse pollution in river basins subject to economic feasibility and social acceptability. The selected river basins (Ems and Rhine basins) cover a variety of landscape units with different hydrological, hydrogeological and socio-economic characteristics. This paper focuses on the analysis of the effects of certain policy measures to reduce diffuse pollution by nitrogen. For this purpose a model system consisting of an agricultural sector model, a water balance model and a residence time/denitrification model was developed and applied. First results indicate a wide range of annual nitrogen surpluses for the rural areas between less than 10 kg N/ha up 200 kg N/ha or more depending on the type and intensity of farming. Compared to the level of nitrogen surpluses the level of nitrogen inputs into the surface waters is relatively moderate because of degradation processes during transport in soil and groundwater. Policy impact analysis for a nitrogen tax and a limitation of the livestock density stress the importance of regionally tailored measures.

1 Einführung In den letzten Jahren konnten in Deutschland deutliche Verbesserungen der Wasserqualität erreicht werden. Dennoch stellt die diffuse Belastung der Grund- und Oberflächengewässer, die zum größten Teil der landwirtschaftlichen Produktion zugeschrieben wird, in vielen Regionen immer noch ein Problem dar. Es kann erwartet werden, dass sich eine Minderungsmaßnahme für diffuse Stickstoffeinträge in den Boden in verschiedenen Einzugsgebieten unterschiedlich stark auf die Austräge in die Oberflächengewässer auswirkt. Um die Effektivität einer bestimmten politischen Maßnahmen zur Reduktion der N-Überschüsse zu analysieren, müssen daher auf der einen Seite die sozioökonomischen Bedingungen berücksichtigt werden, wie z.B. die jeweilige historisch gewachsene und durch die politischen Rahmenbedingungen etablierte landwirtschaftliche Produktionsstruktur. Auf der anderen Seite spielt die Betrachtung der naturräumliche Ausstattung einer Region und die daraus resultierenden relevanten Austragspfade für Pflanzennährstoffe in die Oberflächengewässer und die daran gekoppelten Abbauprozesse eine wichtige Rolle.

KOPPLUNG AGRARÖKONOMISCHER UND HYDROLOGISCHER MODELLE

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2 Methodischer Ansatz Startpunkt der Analyse ist die Quantifizierung der aktuellen Nährstoffeinträge in den Boden. Das hierzu eingesetzte RAUMIS-Modell (Henrichsmeyer et al. 1996) ist ein regional differenziertes Agrarsektormodell für die Bundesrepublik Deutschland, bei dem die landwirtschaftliche Produktion dem gesamten Input, der zur Erzeugung dieser Produktion notwendig ist, auf Landkreisebene gegenübergestellt und bilanziert wird. Betrachtungsgegenstand bei der Nährstoffbilanzierung im RAUMIS ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche, auf der Nährstoffzufuhr und -entzug gegeneinander aufgerechnet werden und im Ergebnis ein Nährstoffüberschuss ermittelt wird. Hierbei werden durch die Ausweisung eines Nährstoff-Mehrbedarfsfaktors regionale Standorteigenschaften berücksichtigt. Die Nährstoffzufuhr erfolgt über mineralische und organische Düngemittel. Zusätzlich werden bei der N-Bilanzierung der Eintrag atmosphärischen Stickstoffs sowie die symbiotische und asymbiotische N-Fixierung berücksichtigt. Nährstoffentzug entsteht zum einen durch das Erntegut sowie, bei Stickstoff, durch unvermeidbare Nährstoffverluste bei der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdünger in Form von Ammoniak. Die Nährstoffbilanzsalden stellen die Stickstoffmengen dar, die den landwirtschaftlichen Produktionskreislauf verlassen und ein mögliches Gefährdungs-/Belastungspotenzial für die Umwelt darstellen. Der Transport von Nährstoffen in die Gewässer ist an die Komponenten des Abflusses gekoppelt. Im Sinne einer langjährigen Betrachtung für die hydrologische Periode 1961-1990 wurde der Gesamtabfluss in den Direktabfluss und den Grundwasserabfluss aufgetrennt. Entscheidend für diese Auftrennung ist, dass die Direktabflussanteile in der Regel Fließzeiten von weniger als einer Woche aufweisen, bevor sie ein Oberflächengewässer erreichen, während beim Grundwasserabfluss Verweilzeiten von bis zu mehreren Jahrzehnten auftreten können. Die Abflusskomponenten werden mit dem Wasserhaushaltsmodell GROWA flächendifferenziert in Abhängigkeit der Bodenbedeckung und klimatischer, bodenphysikalischer, geologischer sowie topografischer Datengrundlagen berechnet (Kunkel & Wendland 2002). Während des Transports durch den Boden und das Grundwasser bis zum Oberflächengewässer können die meist als Nitrat eingetragenen Stickstoffüberschüsse abgebaut werden. In der ungesättigten Zone vollzieht sich dieser Abbau im wesentlichen in der durchwurzelten Bodenzone. Das Ausmaß des Nitratabbaus wird hierbei durch die Verweilzeit des Sickerwassers in dieser Zone sowie durch das Stickstoffabbauvermögen des Bodens bestimmt (für Details siehe Köhne & Wendland (1992) oder Kuntze et al. (1988)). Grundvoraussetzung für den Nitrat-

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abbau im Grundwasser sind geringe Sauerstoffkonzentrationen und die Anwesenheit von organischem Kohlenstoff- und/oder Eisensulfidverbindungen. Die Konzentrationen gemessener Grundwasserinhaltsstoffe können daher direkte Hinweise auf das Nitratabbauvermögen eines Grundwasserleiters liefern (Wendland & Kunkel 1999, Kunkel et al. 1999). Auf der Basis einer statistischen Analyse der Werte von 1050 Grundwasserentnahmestellen wurde festgestellt, dass die in beiden Einzugsgebieten auftretenden Einheiten „glaziofluviatile Sande“ und „Moränenablagerungen“ als nitratabbauend anzusehen sind. Aus Festgesteinen aufgebaute Grundwasserleiter, die insbesondere in den untersuchten Teileinzugsgebieten des Rheins vorherrschen, weisen hingegen vernachlässigbare Nitratabbaueigenschaften auf. Der reaktive Nitrattransport im Grundwasser wurde mit dem stochastischen WEKU-Modell unter Berücksichtigung der Grundwasserverweilzeiten, der N-Einträge in den Aquifer und der Nitratabbaubedingungen im Aquifer flächendifferenziert modelliert (Kunkel & Wendland 1997, 1999).

3 Ergebnisse 3.1 Stickstoffüberschüsse und Austragspfade Die Stickstoffüberschüsse repräsentieren die Stickstoffmengen, die potentiell in das Grundwasser und in die Oberflächengewässer gelangen können. Diese werden durch das RAUMIS-Modell auf Landkreisebene für die jeweilige Landwirtschaftsfläche berechnet. Grundlage hierfür sind agrarstatistische Daten für das Bezugsjahr 1999. Unter Berücksichtigung der aktuell bereits implementierten Agrargesetzgebung der EU (Agenda 2000) wurden hieraus die auf das Jahr 2010 proji*zierten N-Überschüsse berechnet (Møller et al. 2003). Das Ergebnis ist in Karte 1 dargestellt. Diese Projektion dient im folgenden als Referenzzustand, da sie einen direkten Vergleich der Auswirkungen von Minderungsmaßnahmen unter ansonsten gleichen politischen Rahmenbedingungen ermöglicht. Die Verwendung der aktuellen Situation würde ansonsten zur einer Faltung von Auswirkungen der Minderungsmaßnahme und bereits implementierten Maßnahmen führen und einen Vergleich erschweren. Karte 1 macht deutlich, dass die N-Überschüsse für die beiden Untersuchungsgebieten sehr unterschiedlich sind. Während im Emseinzugsgebiet mittlere N-Überschüsse der landwirtschaftlich genutzten Fläche von etwa 130 kg N/(ha LF·a) auftreten, ergibt sich für die betrachteten Teilgebiete des Rheins aufgrund der extensiveren Landwirtschaft ein wesentlich geringer Wert von 74 kg N/(ha LF·a). Insbesondere in Gebieten mit flächenunabhängiger Tierveredelung (intensive

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Tierproduktion), zum Beispiel im nordwestlichen Teil des Emsgebietes, treten allein durch die Tierausscheidungen Überschüsse von 100 kg N/(ha LF·a) und mehr auf. Relativ hohe Überschüsse treten auch in der Niederrheinischen Bucht auf, die aufgrund der fruchtbaren lehmigen Böden und der guten klimatischen Bedingungen intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. Geringe N-Überschüsse ergeben sich für die Mittelgebirgsregionen mit extensiver Landwirtschaft, wie sie überwiegend im östlichen Teil des betrachteten Rheingebietes vorliegt.

Karte 1: Stickstoffüberschuß landwirtschaftlich genutzter Fläche.

Karte 2: Basisabflussanteil am Gesamtabfluss.

Für eine flächendifferenzierte Berechnung der N-Austräge müssen diese, als Mittel über die landwirtschaftliche Fläche eines Landkreises berechneten Stickstoffüberschüsse, disaggregiert werden. Zusätzlich müssen die atmosphärischen Einträge für die nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen betrachtet und die Denitrifikation im Boden berücksichtigt werden. Die verbleibenden Überschüsse können dann entweder über den Direktabfluss in ein Oberflächengewässer gelangen oder aber in das Grundwasser eingetragen werden, über das sie nach eventueller weiterer Denitrifikation mit dem Grundwasserabfluss ein Gewässer erreichen. Diese Auftrennung in die Austragspfade wurde anhand des berechneten Basisabflussanteils am Gesamtabfluss vorgenommen (siehe Karte 2). In den Marschregionen im Nordwesten des Emsgebietes und den Mittelgebirgsregionen im Rheineinzugsgebiet beträgt die Grundwasserneubildung nicht mehr als 25 %

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

des Gesamtabflusses. In der Niederrheinischen Bucht oder dem Zentralteil des Emsgebietes bildet der Grundwasserabfluss die dominante Abflusskomponente. Der überwiegende Teil der N-Austräge aus dem Boden gelangt hier zunächst in den Aquifer und wird über das Grundwasser in die Vorfluter transportiert.

3.2 Stickstoffeinträge in die Oberflächengewässer In den Karten 3 und 4 ist das Ergebnis der Kopplung der mit RAUMIS berechneten N-Überschüsse mit den Ergebnissen der Wasserhaushaltsmodellierung für den Referenzzustand dargestellt. Karte 3 zeigt die berechneten N-Austräge in die Oberflächengewässer aus dem Direktabfluss. Diese spielen insbesondere in den Marschregionen des Emsgebietes und in den Mittelgebirgsregionen eine große Rolle. Auch für den Zentralteil des Emsgebiets ergeben sich relativ hohe Austräge aus dem Direktabfluss, hier jedoch primär aufgrund der generell hohen NÜberschüsse und nicht aus Gründen der Abflussverhältnisse. Der Abbau von Nitrat im Grundwasser wird um so effektiver, je größer die Verweilzeit des Nitrats im Aquifer ist. Vergleichsweise große Verweilzeiten, zum Teil mehr als 250 Jahre, ergeben sich mit dem WEKU-Modell für viele Niederungsregionen. Diese sind im Wesentlichen auf die dort vorherrschenden geringen hydraulischen Gradienten zurückzuführen. Geringe Verweilzeiten von unter einem Jahr ergeben sich generell für Gebiete in Vorfluternähe, mit hoher Vorfluterdichte und/oder Regionen mit steilen hydraulischen Gradienten. Die modellierten grundwasserbürtigen Stickstoffausträge in die Oberflächengewässer sind in Karte 4 jeweils für die Ausgangszelle dargestellt, in die der Eintrag in den Boden erfolgte. Es wird deutlich, dass in Festgesteinsregionen generell mit N-Austrägen von 10 kg N/(ha·a) und mehr zu rechnen ist. Ursache hierfür ist in erster Linie das Fehlen nennenswerter Nitratabbaukapazitäten im Untergrund sowie die hohe Austauschhäufigkeit des Bodenwassers, die einen signifikanten Abbau der Stickstoffüberschüsse verhindert. Während dies für weite Teile des untersuchten Rheineinzugsgebietes der Fall ist, stellt man für das Einzugsgebiet der Ems ein anderes Verhalten fest. Aufgrund der im allgemeinen gut nitratabbauenden Lockergesteinsaquifere und der langen Grundwasserverweilzeiten wird der größte Teil des in den Aquifer eingetragenen Nitrats abgebaut, so dass hier grundwasserbürtige Stickstoffausträge in die Gewässer von weniger als 5 kg N/(ha·a) typisch sind. Stickstoffausträge von mehr als 10 kg N/(ha·a) treten nur in Vorfluternähe auf. Selbst bei guten Voraussetzungen für einen vollständigen Nitratabbau im Grundwasserleiter reicht die dort kurze Grundwasserverweilzeit nicht aus, um die Nitrateinträge in das Grundwasser vollständig abzubauen.

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Karte 3: N-Austräge in die Oberflächengewässer aus dem Direktabfluss.

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Karte 4: N-Austräge in die Oberflächengewässer aus dem Grundwasser.

Um die Validität der Modellrechnungen zu überprüfen, wurden die für die aktuelle Situation (1999) berechneten N-Austräge mit beobachteten N-Konzentrationen in den Oberflächengewässern verglichen (Behrendt et al. 2000). Der Vergleich zeigt eine sehr befriedigende Übereinstimmung (Wendland et al. 2002).

3.3 Analyse von Stickstoffminderungsmaßnahmen Um die Einsatzmöglichkeiten des Modellsystems zu demonstrieren, wurden zwei Maßnahmen zur Minderung der N-Einträge in den Boden entwickelt (Møller et al. 2003) und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die N-Austräge in die Oberflächengewässer analysiert. Die erste Maßnahme (Szenario 1) zielt auf eine Reduktion der N-Einträge durch die Erhöhung des Preises von Mineraldünger um 200% durch eine Steuer. Die Steuereinnahmen sollen über eine flächenneutrale Zuwendung wieder an die Landwirte zurückfließen, so dass lediglich der Mineraldüngereinsatz besteuert wird, flächendeckende Umsatzeinbußen jedoch weitgehend ausbleiben. Eine derartige Maßnahmen wurde mehrfach seit der Mitte der 80er Jahre diskutiert. Die zweite Maßnahme (Szenario 2) zielt auf eine Reduktion der N-Einträge in die Böden durch eine Limitierung der Viehbesatzdichte auf das aktuelle bundesdeutsche Mittel von 1 Großvieheinheit (GE)/ha.

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Karte 5: Potentielle Reduktion der N-Überschüsse durch eine Mineraldüngersteuer (Szenario 1).

Karte 6: Potentielle Reduktion der N-Überschüsse durch Limitierung der Viehbesatzdichte (Szenario 2).

Die Auswirkungen einer Implementierung dieser Maßnahmen auf die Stickstoffüberschüsse sind in den Karten 5 und 6 als Differenz zum Referenzzustand (Karte 1) dargestellt. Obwohl man in beiden Fällen eine Reduzierung der Stickstoffüberschüsse erreichen würde, sind die räumlichen Auswirkungen der beiden Szenarien sehr unterschiedlich. Durch Szenario 1 werden die Stickstoffüberschüsse in fast allen Regionen reduziert, die einen hohen Ackerbauanteil aufweisen. Dies sind insbesondere die Niederrheinische Bucht und Teile des Emsgebietes. Auch in den durch intensive Tierproduktion charakterisierten Gebieten des Emseinzugsgebietes wird aufgrund der Tierfutterproduktion eine Reduktion der Überschüsse erzielt. Generell führt dieses Szenario jedoch in beiden Einzugsgebieten zu einer annähernd flächenkonstanten Reduktion der N-Überschüsse gegenüber dem Referenzzustand um etwa 30 %. In Gebieten mit intensiver Tierproduktion bleiben die Stickstoffeinträge in den Boden durch Wirtschaftdünger (Gülle) von dieser Maßnahme weitgehend unbeeinflusst, so dass diese Maßnahme nur bedingt geeignet ist, dort zu einer nachhaltigen Reduktion der NÜberschüsse beizutragen. Eine Limitierung der Viehbesatzdichte (Szenario 2) ist wesentlich geeigneter, dem Problem hoher N-Einträge durch Wirtschaftsdünger zu begegnen. Wie Karte 6 zeigt, würde diese Maßnahme im Emseinzugsgebiet zu einer Reduktion der NÜberschüsse um etwa 50 kg N/(ha·LF·a) führen. Die Maßnahme hätte hingegen nur geringe Effekte in Regionen mit extensiver Tierproduktion, wie sie im größ-

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ten Teil des Rheingebietes vorliegt. Hier beträgt die Reduktion der N-Überschüsse lediglich 5 kg N/(ha·LF·a).

Karte 7: Reduktion der NAusträge durch eine Mineraldüngersteuer (Szenario 1).

Karte 8: Reduktion der NAusträge durch Limitierung der Viehbesatzdichte (Szenario 2).

In den Karten 7 und 8 sind die Auswirkungen der beiden Maßnahmen auf die Stickstoffausträge in die Oberflächengewässer dargestellt. Wie man sieht, wird in beiden Fällen eine signifikante Reduktion der Austräge in die Oberflächengewässer erzielt. Diese beträgt flächenkonstant etwa 25 % der Austräge des Referenzzustandes und ist hauptsächlich an die Direktabflusskomponenten geknüpft. Die in Karte 8 dargestellten Auswirkungen einer Begrenzung der Viehbesatzdichte auf 1 GE/ha (Szenario 2) auf die N-Austräge in die Vorfluter scheinen auf den ersten Blick denen aus Szenario 1 sehr ähnlich zu sein. Die Reduktion ist hier jedoch generell größer als bei Szenario 1. Im Emseinzugsgebiet beträgt die Minderung der N-Austräge in die Gewässer im Mittel 16 kg N/(ha·a); die größtmögliche Minderung liegt in einigen Regionen bei etwa 100 kg N/(ha·a). Weiterhin betrifft die Reduktion hauptsächlich Regionen mit intensiver Tierproduktion, so dass durch diese Maßnahme praktisch nur das Emseinzugsgebiet betroffen wäre. Im Gegensatz zu Szenario 1 führt diese Maßnahme für das Rheingebiet zu keiner nennenswerten Reduktion der N-Austräge in die Gewässer.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

4 Zusammenfassung und Ausblick Die Modellrechungen haben gezeigt, dass die Ursachen für die Belastung des Grundwassers und der Oberflächengewässer durch diffuse Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft für die einzelnen Regionen des Untersuchungsgebietes unterschiedlich zu bewerten sind. Aus diesem Grunde darf bei der Identifizierung von „hot-spot“ Regionen für diffuse Einträge und der Ableitung effizienter Strategien zur Vermeidung diffuser Stickstoffeinträge nicht nur der jeweilige Stickstoffüberschuss der landwirtschaftlichen Fläche, wie er durch das RAUMIS-Modell berechnet wird, als Indikator herangezogen werden. Auch die sehr unterschiedlichen naturräumlichen Verhältnisse, die den Transport und Abbau des Nitrats im Boden und Grundwasser beeinflussen (Wasserhaushalt, Bodenverhältnisse, Nitratabbaukapazität etc.) müssen in diesem Zusammenhang betrachtet werden. Diese Betrachtung erfolgte durch die hydrologischen und hydrogeologischen Modell GROWA und WEKU. Als Ergebnis der Modellrechungen ergeben sich für die relevanten Transportpfade flächendifferenzierte Aussagen zu den Auswirkungen diffuser Nährstoffeinträge in den Boden auf die N-Austräge in die Oberflächengewässer. Die Modellergebnisse zeigen, dass in den Aquiferen des Emseinzugsgebietes zum Teil mehr als 90% des diffus in das Grundwasser eingetragenen Stickstoffs während des Transports zu den Oberflächengewässern abgebaut werden kann. Die grundwasserbürtigen Stickstoffausträge in die Oberflächengewässer sind in diesen Regionen relativ gering, selbst wenn die betreffende Region als „hot-spot“ Region für N-Überschüsse aus der Landwirtschaft gelten würde. Die Analyse der Auswirkungen von zwei Szenarien hat deutlich gezeigt, dass Maßnahmen zur Reduzierung der N-Überschüsse regional unterschiedlich zu bewerten sind. Die Auswirkungen einer Stickstoffsteuer und einer Limitierung der Viehbesatzdichte dokumentiert, dass nur auf die jeweilige Region zugeschnittene Maßnahmen zu einer nachhaltigen Lösung des Nitratproblems beitragen können. Dies kann auf der anderen Seite dazu führen, dass in einzelnen Regionen sehr drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Erfahrungen, die bei der interdisziplinären Modellverkopplung von RAUMIS mit GROWA und WEKU gemacht wurden, zeigen, dass sehr komplexe Wechselwirkungen unter Nutzung bestehender Synergien modelliert werden können. Die hier demonstrierte Verknüpfung der Modelle verdeutlicht das Potenzial interdisziplinärer Modellverbunde für die modellgestützte Politikberatung am Beispiel der für den Umweltwirkungsbereich „diffuse landwirtschaftliche Stickstoffeinträge in Gewässer“ erzielten Ergebnisse. Die Verbesserung für die Politikwirkungsanalyse besteht in der direkten Verknüpfung zwischen Maß-

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nahmen und deren Wirkungen auf Driving-Force Indikatoren wie dem Stickstoffbilanzsaldo und darüber hinaus auf State Indikatoren wie den Stickstofffrachten in Gewässer. Diese Art der Modellverknüpfung kann in ähnlicher Weise auf andere Umweltwirkungsbereiche der Landwirtschaft wie Erosion, Arten- und Biotopvielfalt sowie Schadgasemissionen übertragen werden.

5 Literatur Behrendt, H., Huber, P., Kornmilch, M., Opitz, D., Schmoll, O., Scholz, G. & Uebe, R. (2000): Nutrient balances of German river basins. UBATexte,23/2000, 261S. Henrichsmeyer, W.; Cypris, Ch.; Löhe, W.; Meudt, M.; Sander, R.; Sothen, F. von, Isermeyer, F.; Schefski, A.; Schleef, K.H.; Neander, E.; Fasterding, F.; Helmke, B.; Neumann, M.; Nieberg, H.; Manegold, D.; Meier, Th. (1996): Entwicklung des gesamtdeutschen Agrarsektormodells RAUMIS96. Forschungsbericht für das BML (94 HS 021). Vervielfältigtes Manuskript, Bonn/Braunschweig. Köhne Ch. & Wendland, F. (1992): Modellgestützte Berechnung des mikrobiellen Nitratabbaus im Boden, Interner Bericht, KFA-STE-IB 1/92, Forschungszentrum Jülich. Kunkel, R. & Wendland, F. (1997): WEKU - A GIS supported stochastic model of groundwater residence times in upper aquifers for the supraregional groundwater management. Envir. Geol., 30(1/2), 1-9. Kunkel, R.; Wendland, F. (1999): Das Weg-/Zeitverhalten des grundwasserbürtigen Abflussanteils im Flusseinzugsgebiet der Elbe. Schriften des FZ Jülich, Reihe Umwelt, Bd. 19, Jülich. Kunkel, R.; Wendland, F.; & Albert, H. (1999): Zum Nitratabbau in den grundwasserführenden Gesteinseinheiten des Elbeeinzugsgebietes. Wasser & Boden, 51/9, S. 16-19. Kunkel, R. & F. Wendland (2002): The GROWA98 model for water balance analysis in large river basins – the river Elbe case study. J. Hydrol. 259, 152-162. Kuntze, H.; Roeschmann, G.; Schwerdtfeger, G. (1988): Bodenkunde, Stuttgart. Wendland, F. & R. Kunkel (1999): Das Nitratabbauvermögen im Grundwasser des Elbeeinzugsgebietes. Schriften des FZ Jülich, Reihe Umwelt, 13, Jülich.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Wendland, F., Bach, M., Behrendt, H. & Kunkel R. (2002): Integrated modelling of groundwater-borne nitrate intakes into the river Elbe basin (German part). Proceedings of the 9th International Specialized Conference on River Basin Management, Edinburgh, Scotland. Møller, C. Kreins, R. & Gömann, H. (2003): Impact and cost-efficiency of alternative policy measures to reduce diffuse pollution caused by agriculture, in: Bruen, M. (editor): Diffuse Pollution and Basin Management. Proceedings of the 7th International Specialised IWA Conference, Dublin, Ireland. ISBN 1902277767, 4vols. 1140 pps.

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Integration von Gewässergüteaspekten in Einzugsgebietsmodelle Andreas L. Horn*), Nadine Dobslaff und Nicola Fohrer

Zusammenfassung: Der Beitrag zeigt auf, dass Einzugsgebietsmodelle, die als wichtige Werkzeuge bei der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie verstanden werden, Defizite hinsichtlich der erwarteten Bereitstellung physikochemischer, biologischer und hydromorphologischer Güteindikatoren aufweisen. Aus den Defiziten leitet sich ein verstärkter Bedarf zur Integration von Gewässergütemodellen sowie eine intensive praktische Überprüfung dieser neuen Module ab. Darauf aufbauend sollte eine Modellerweiterung um hydrodynamische und –morphologische Kompo-nenten erfolgen, die eine Voraussetzung für die Kopplung von biozönotischen Güteindikatoren mittels Habitateignungskurven in Expertensystemen sind.

Abstract: This contribution points out that catchment models, which are considered as important tools for the implementation of the European Water Framework Directive, show deficits with regard to the expected physico-chemical, biological and hydromorphological quality indicators. There is a need for an improved integration of river water quality models and sound testing of the approaches. Following the models should be extended by hydrodynamical and – morphological components, which are a prerequisite for coupling of biocoenotic quality indicators by means of habitat suitability curves in expert systems.

1 Einleitung • physikochemische Qualitätskomponenten: Salzgehalt, pH-Wert, Säureneutralisationsvermögen, Temperatur, Nährstoffkonzentrationen, Konzentrationen synthetischer und nichtsynthetischer Schadstoffe; • biologische Qualitätskomponenten: taxonomische Zusammensetzung und Abundanz von Phytoplankton, Phytobenthos, Makrophyten, benthischer wirbelloser Fauna sowie Fischfauna; *)

Christian-Albrechts-Universität Kiel, Ökologiezentrum, Fachabteilung Hydrologie & Wasserwirtschaft, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

• hydromorphologische Qualitätskomponenten: Wasserabfluss und Dynamik der Strömung, Durchgängigkeit des Flusses, Laufentwicklung, Variationen von Breite und Tiefe, Strömungsgeschwindigkeiten, Substratbedingungen, Zustand der Uferbereiche.

Einzugsgebietsmodell Gewässerphysikochemie

Gewässerbiologie

Gewässermorphologie

WRRL

Analyse - Bewertung - Management

Abb.1: Schema des Leistungsanspruchs an Einzugsgebietsmodelle zum Einsatz als Werkzeug für die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL).

2 Entwicklungsstand Einzugsgebietsmodelle behandeln Fragen der Gewässergüte etwa seit Mitte der 1970er Jahre (Crawford & Linsley, 1966 – zitiert bei Donigian & Imhoff, 2002; Huggins & Monke, 1966 – zitiert bei Dillaha et al., 2001). Die Modellierung konzentrierte sich dabei zunächst auf die Darstellung des Transports gelöster und partikulärer Stoffe (N, P, Sediment, Pflanzenschutzmittel) von der Landoberfläche in die Gewässer. Die dynamischen Prozesse innerhalb der Gewässer fanden dagegen in der Regel wenig Beachtung, d. h. in den Modellen wurden die eingetragenen Stoffe durch einfache Ansätze ohne Berücksichtigung weiterer Umsatzprozesse über den Vorfluter abgeleitet. Diese Diskrepanz zwischen den Prozessbetrachtungen innerhalb und außerhalb der Gewässer lässt sich mit dem differenzierten Bewusstsein für die ökologischen und ökonomischen Konsequenzen der Prozessdynamik im Rahmen der Modellentwicklung erklären. Während die aus den Aus- und Abträgen von der

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Fläche resultierenden wirtschaftlichen Verluste sehr früh an Bedeutung gewannen, erreichte der Umweltschutzgedanke vergleichsweise spät einen zunehmenden Stellenwert.

3 Perspektiven der Modellentwicklung Um Einzugsgebietsmodelle als Werkzeuge für die WRRL weiter zu entwickeln, müssen neben einer gründlicheren Prüfung der bereits realisierten Ansätze vor allem die hydromorphologischen und biologischen Qualitätskomponenten verstärkt berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang sollte die Verbesserung der Gewässerstrukturbeschreibung als vorrangig angesehen werden, da diese auch eine Voraussetzung für die korrekte Abbildung der biozönotischen Güteaspekte in den Modellen darstellen wird. Die Notwendigkeit zur Anpassung der Modellauflösung bei der Darstellung des Gewässernetzes wurde für diesen Schritt bereits aufgezeigt. Darüber hinaus werden verstärkt hydromechanische Ansätze zur differenzierten Beschreibung der Fließverhältnisse erforderlich, die auch bereits in einigen Strömungsmodellen (z. B. HEC-RAS – US Army Corps of Engineers, 2002) sowie integriert in Gewässergütemodellen (z. B. DYNHYD5 in WASP 6 – Ambrose et al., 1993; Di Toro et al., 1983, zitiert in Wool et al., 2001) umgesetzt sind. Es ist davon auszugehen, dass diese verbesserten Modellstrukturen weiter gehend mit geomorphologischen Informationen aus Geländebegehungen, Fernerkundungen und entsprechenden thematischen Kartenwerken untersetzt werden müssen, um eine hinreichende Genauigkeit der Modellaussagen angesichts der Komplexität des Systems zu erreichen. Vielversprechend könnte in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung von Fließgewässertypen und -landschaften (Briem, 2002; Sommerhäuser & Schuhmacher, 2003) sein, die als integrative, kartographisch erfassbare Landschaftseinheiten mit hohem Abstraktionsgrad Informationen zu den morphologischen Rahmenbedingungen für die Fließgewässer tragen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Grad der räumlichen Auflösung ausreichend ist und dass die an Leitbildern orientierte Betrachtungsweise bei der Typisierung nicht zu einer Darstellung führt, die von den realen, in der Regel deutlich gestörten Gewässerbedingungen stark abweicht. Aufbauend auf der erweiterten morphologischen Charakterisierung der Fließgewässer kann eine biozönotische Betrachtung im Modell vorgenommen werden. Für diesen Schritt werden Transferbeziehungen zwischen den biotischen und abiotischen Modellindikatoren vorgeschlagen, die sich unter anderem in der Form eines Expertensystems realisieren lassen (Abb. 2).

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Chemische Indikatoren (z. B. Sauerstoffgehalt, pH, + Härte, NH4 , NO2 , NO3 , 2PO4 , CSB)

Expertensystem

Transferregeln auf Basis von Daten zur Gewässer(struktur)güte

Bioindikatoren z. B. Insektenlarven, Krebse, Fische, Pflanzen)

Strukturindikatoren (z. B. Bepflanzung, Linienführung, Längs-/Querprofil, Sohle, Ufer)

Abb.2: Expertensystem zur Kopplung chemischer, biologischer und morphologischer Indikatoren der Fließgewässergüte. Die Verknüpfung biotischer und abiotischer Kenngrößen basiert auf der Erkenntnis, dass die morphologischen und physikochemischen Indikatoren den Lebensraum der Biozönose, das Habitat, wesentlich prägen und somit die Zusammensetzung der Biozönose beeinflussen (Orth, 1987). Dieses Konzept, den Habitatzustand als vermittelnde Größe zwischen abiotischen und biotischen Gewässercharakteristika einzusetzen, wurde bereits in habitatbasierten Methoden der Wirkungsanalyse von Maßnahmen in Fließgewässern angewendet, vgl. „Physical Habitat Simulation System“ PHABSIM (USGS, 2001). Das Schlüsselelement dieser Verfahren sind so genannte Habitateignungskurven (auch: Habitateignungsindizes, HSI), die die relative Eignung einer Art in Abhängigkeit von den durch einen abiotischen Parameter beschriebenen Gewässerbedingungen zum Ausdruck bringt. Habitateignungskurven liegen bereits für eine Vielzahl von Arten vor (z. B. USGS, 2003). In der Regel wird es sich jedoch schwierig gestalten, die weltweit verfügbaren Informationen auf den lokalen Anwendungsfall zu transformieren, da sich das Arteninventar des Untersuchungsstandortes mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit dem Spektrum der verfügbaren Habitateignungskurven harmonisieren lässt sowie die Lebensbedingungen des Untersuchungsraumes von den Rahmenbedingungen der Eignungskurven abweichen können. Aus diesen Defiziten leitet sich ein Bedarf an Habitateignungskurven auf Basis der im Untersuchungsgebiet vorliegenden naturräumlichen Gegebenheiten ab. Diese Kurven können wiederum nur aus lokal, regional oder national erhobenen Daten entstehen. Für diesen Zweck wird den bereits in vielen Ländern bestehenden Verfahren

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zur Fließgewässerbewertung, von denen eine Auswahl in Tab. 1 zusammengestellt ist, eine große Bedeutung beigemessen, da sie eine breite Grundlage von abiotischen und biotischen Eigenschaften erheben (können), die für eine statistische Auswertung zur Ableitung von Habitateignungskurven geeignet scheinen. Tab.1: Übersicht zu Methoden der Fließgewässerbewertung innerhalb der EU und in weiteren ausgewählten Staaten (verändert nach Ladson, 2000; Parsons et al. 2002; Sommerhäuser & Schuhmacher 2003). Land

Methode

Deutschland

Saprobiensystem nach DIN 38410

Großbritannien Biological Monitoring Working Party (BMWP) Score River Invertebrate Prediction and Classification System (RIVPACS) System for Evaluating Rivers for Conservation (SERCON) Spanien

Average Score Per Taxon (ASPT)

Frankreich

Indice biologique global normalisé (IBGN)

Belgien

Belgian Biotic Index

Italien

Indice Biotico Esteso (IBE)

Österreich

Österreichisches Saprobiensystem

Australien

Australian River Assessment System (AUSRIVAS)

Südafrika

Estuarine Health Index (EHI)

USA

US EPA Rapid Bioassessment Protocols (RBP / HABSCORE)

4 Schlussfolgerungen Die Bereitstellung von Einzugsgebietsmodellen als Werkzeuge für Planungsmaßnahmen im Kontext der Wasserrahmenrichlinie stellt eine große Herausforderung an die hydrologischen Wissenschaften dar. Die Mehrheit der vorhandenen mesoskaligen Modelle zeigt eine eingeschränkte Einsatzmöglichkeit für diesen speziellen Verwendungszweck, da das erforderliche Spektrum abzuleitender physikochemischer, hydromorphologischer und biologischer Qualitätskomponenten aktuell nur bedingt zur Verfügung gestellt wird. Eine Erweiterung der

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Modelle im Hinblick auf die WRRL-Anforderungen ist daher erforderlich. Im ersten Schritt sollte diese eine stärkere Berücksichtigung vorhandener Gewässergütemodelle umfassen. Darauf aufbauend sollte sich eine erweiterte Darstellung der Gewässerstruktur sowie biozönotische Modellkomponenten anschließen. Für die Entwicklung dieser Modellbestandteile kann die Möglichkeit bestehen, auf bisher nicht in Modellen genutzte Informationen, z. B. aus Kartierungen der Gewässerquerschnitte sowie von Fließgewässerbewertungsschemata, zurückzugreifen.

Literatur Ambrose, R.B., Wool, T.A. & Martin, J.L. (1993): The danymic estuary model, Hydrodynamics program, DYNHYD5, Model documentation and user manual. U.S. EPA Environmental Research Laboratory, Athens, Georgia, USA. Arnold, J.G., Srinivasan, R., Muttiah, R.S. & Williams, J.R. (1998): Large area hydrologic modelling and assessment, Part I: Model development. Journal of the American Water Resources Association 34(1): 73-89. Beasley, D.B., Huggins, L.F. & Monke, E.J. (1980): ANSWERS: A model for watershed planning. Transactions of the ASAE 23(4): 938-944. Bicknell, B.R., Imhoff, J.C., Kittle Jr., J.L., Jobes, T.H. & Donigian Jr., A.S. (2001): Hydrological Simulation Program - FORTRAN, HSPF, Version 12, User's manual. AQUA TERRA Consultants, Mountain View, California, USA. Blind, M. (2003): CATCHMOD: EU-cluster about catchment modelling. Internet: http://www.harmoni-ca.info/~harmonic/CatchMod/Downloads.php (betrachtet 05.12.2003). Bouraoui, F. & Dillaha, T.A. (2000): ANSWERS-2000: Non-point-source nutrient planning model. Journal of Environmental Engineering-ASCE 126(11): 1045-1055. Briem, E. (2002): Formen und Strukturen der Fließgewässer. ATV-DVWK-Arbeits-bericht, ATV-DVWK, Hennef. Brown, L.C. & Barnwell, T.O. (1987): The enhanced stream water quality models QUAL2E and QUAL2E-UNCAS: Documentation and user manual. Report EPA/600/3-87/007, US EPA, Athens, Georgia, USA.

GEWÄSSERGÜTEASPEKTE IN EINZUGSGEBIETSMODELLEN

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

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GEWÄSSERGÜTEASPEKTE IN EINZUGSGEBIETSMODELLEN

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MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

41

Geogene und anthropogene Gewässerbelastungen im nördlichen Einzugsgebiet der Unstrut: Modellkonzepte zur Salzlaststeuerung Frank Voß1, Katja Eulitz2, Thomas Sommer2, Bernd Pfützner3, Beate Klöcking4

Zusammenfassung: Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines gekoppelten Flussgebietsmodells, das die Prozesse der oberirdischen und unterirdischen Abflussbildung sowie deren Wechselbeziehungen in ihrer skalenspezifischen Gebietsausprägung hinreichend genau abbildet und als Prognoseinstrument für die geogenen und anthropogenen Stoffeinträge im Unstrut-Einzugsgebiet, insbesondere des Teileinzugsgebietes der Wipper eingesetzt werden kann. Durch die Kopplung verschiedener Modelltypen soll erreicht werden, dass sich die spezifischen Stärken der einzelnen Modelle ergänzen. In der hier vorgestellten Arbeit werden die Konzepte einer Modellkopplung bzgl. eines Niederschlagsabflussmodells (ArcEGMO) mit einem Grundwassermodell (MODFLOW) erläutert. Dieser Ansatz wird dahingehend erweitert, dass sowohl die Transferzone (Zone zwischen Bodenzone und Grundwasseroberfläche) als auch die Stoffflüsse (Chlorid) abgebildet werden können. Das Niederschlagsabflussmodell (NA-Modell) ermittelt zeitlich hoch aufgelöste Flusswasserstände und Grundwasserneubildungsmengen als Randbedingungen für das Grundwassermodell. Statt der in NA-Modellen stark vereinfachten Erfassung der lateralen Fließwege im Grundwasserbereich mit Speicheransätzen erfolgt die Abbildung der Strömungsprozesse mit einem Grundwassermodell. Zudem wird das NA-Modell ArcEGMO um ein Stofftransportmodul zur Berechnung der Salzkonzentrationen in der fließenden Welle erweitert. Auf der Grundlage dieses Modells wird insbesondere auch eine Verbesserung der bestehenden Steuerungsmöglichkeiten für die anthropogenen Einträge im Bereich des Salzbergbaus erwartet.

1

2

3 4

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Telegrafenberg, 14412 Potsdam, E-Mail: [emailprotected], Dresdner Grundwasserforschungszentrum e.V., Meraner Str. 10, 01217 Dresden, E-Mail: [emailprotected], Büro für angewandte Hydrologie, Wollankstraße 117, 13187 Berlin, E-Mail: [emailprotected] Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Am Hochanger 11, 85354 Freising, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abstract: The main objective of the cooperative project is the development of an integrated coupled hydrological catchment-based model, to represent surface and sub-surface flow and its interactions on different spatial scales. According to the different scale levels it should be applied as a predictive management tool to identify geogenic and anthropogenic dissolved loads in the Unstrut river basin, especially for the sub-basin of the Wipper catchment. Thus, the coupling of different model types should combine their different and special preferences. In the course of this article the coupling of the rainfall-runoff model ArcEGMO with the groundwater model MODFLOW will be explained. This approach is expanded to the effect that the transfer zone (zone between the bottom of the root zone and the groundwater surface) as well as the substance flows (chloride) can be depicted. The rainfall-runnoff model provides river stages and amounts of groundwater recharge in a high temporal resolution as boundary condition for the groundwater model. Instead of modelling the lateral groundwater flow within a hydrological linear reservoir concept in rainfall-runoff models, results in two dimensional groundwater flow will be served within a detailed groundwater model. Furthermore for transport of dissolved chlorides in the river channel the hydrological modelling system ArcEGMO will be enhanced with a new modul for solute transport. On basis of these model concepts a new approach for validating anthropogenic influx and upgrading of existent control systems for these input loads will be provided.

1 Einführung Anfang der 60er Jahre wurde für das Flusssystem Wipper/ Unstrut/ Saale ein Salzfrachtsteuerungssystem eingeführt, um die Auswirkungen der starken Salzbelastung aufgrund des Kalibergbaus durch den gesteuerten Abstoss aus Laugenstapelbecken und der Zusteuerung von Talsperrenwasser vor allem im Bezug auf die Gewährleistung der Nutzung der Saale zur Trinkwasser- und Brauchwassergewinnung großräumig zu beherrschen. Durch die Stilllegung der Kaliwerke Anfang der 90ger Jahre ist zwar eine produktionsbedingte Salzfrachtbelastung der Vorfluter nicht mehr gegeben, aber es gelangen weiterhin gesteuert (Einleitung gefasster Haldensickerwässer) und ungesteuert (Untergrundversickerung der Kalihalden und geogener Eintrag) große Salzmengen in die Flusssysteme in Nordthüringen. Eine Ballungssituation besteht vor allem im Wippereinzugsgebiet durch vier Kalirückstandshalden. Die Wipper ist ein relativ kleiner Vorfluter mit einer starken Schwankungsbreite der Chloridkonzentration. Der nichtsteuerbare Chloridkonzentrationsanteil liegt im Mittel bei ca. 50%. Problem des bisherigen,

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

43

auf hydrologischer Grundlage basierenden Bilanz- und Steuermodells ist, dass vor allem das Eintragsverhalten dieser nichtsteuerbaren Salzanteile nicht erfasst wird. Desweiteren besteht Untersuchungsbedarf zum dynamischen Verhalten des Vorfluters bezüglich der Fließzeiten und der zusätzlichen Frachteinträge bei Starkniederschlägen (Schürer & Kulbe, 1997). Die Berücksichtigung der Dynamik des Salzeintrages und -transportes ist nur durch die Modellierung des Wasser- und Stoffhaushalts möglich. Ziel des Projektes ist die Qualifizierung der Salzlaststeuerung auf der Basis physikalisch fundierter Modellierung. Durch die Kopplung eines Niederschlags-Abfluss-Modells mit einem Grundwassermodell zur Erfassung der Wechselwirkungen zwischen Grund- und Oberflächenwasser und der Modellierung des Salztransportes im Grundwasser und Fließgewässer sollen die maßgebenden Prozesse abgebildet werden, um Steuerszenarien und Bewirtschaftungsregeln zur Gewässerbeschaffenheit erstellen zu können. D.h. im Rahmen des Projektes sollen sowohl methodische als auch einzugsgebietsspezifische Fragestellungen bearbeitet werden. Aufgrund der Flussgebietsbetrachtung und dem Ziel der Übertragbarkeit des gekoppelten Flussgebietsmodells auf andere Untersuchungsgebiete, sind möglichst einfache und praktikable aber hinreichend genaue Modellansätze zu formulieren. Im Folgenden wird das Prinzip der Kopplung des rasterbezogenen Grundwassermodells mit dem flächendifferenzierten Niederschlags-Abfluss-Modell erläutert. Bezüglich der Grundwassermodellierung werden Modellansätze und erste Ergebnisse zum Aufbau des Grundwassermodells, zur Abbildung der ungesättigten Transferzone und zur Ermittlung des grundwasserbürtigen Zuflusses salinarer Wässer in die Fließgewässer vorgestellt (Dresdner Grundwasserforschungszentrum e.V.). Das Potsdam Institut für Klimaforschung (PIK) in Kooperation mit dem BAH widmet sich der hydrologischen Flussgebietsmodellierung. Die hier vorgestellten Arbeiten des PIK konzentrieren sich auf die Darstellung des Stofftransportes (Chlorid) im Gewässer. Dabei wurde das Niederschlags-Abfluss-Modell ArcEGMO um ein Stofftransportmodul zur Berechnung der Salzkonzentrationen in der fließenden Welle erweitert. Als Basis des Verfahrens zur Berechnung des Stofftransportes im Fließgewässer dient eine analytische Lösung des Diffusions-Advektions (-Reaktions)-Problems.

2 Untersuchungsgebiet und Methodik Als Untersuchungsgebiet wird das Flusseinzugsgebiet der Unstrut bis Pegel Oldisleben bearbeitet. Die Einzugsgebietsgröße beträgt 4.174 km². Das Einzugs-

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

gebiet ist hydrogeologisch und klimatologisch stark differenziert. Die Gewässerbeschaffenheit ist insbesondere durch Beeinflussungen anthropogener Art kennzeichnet. Diese umfassen den nahezu 100 Jahre betriebenen Kalibergbau im Südharzgebiet sowie die intensive landwirtschaftliche Nutzung ausgedehnter Flächen im Bereich des Unstruttales. Hinsichtlich der Beschaffenheitsmodellierung ist die Versalzung relevant. Da die wesentlichen salinaren Stoffeinträge über die Wipper in die Unstrut gelangen und eine vernünftige Grundwassermodellierung bei einem Modellgebiet >500 km² an ihre Grenzen stößt, wird das zu erstellende gekoppelte Flussgebietsmodell mit dem Ziel der Formulierung physikalisch begründeter Szenarien zur Salzlaststeuerung im Teileinzugsgebiet der Wipper bis zum Pegel Hachelbich getestet. Hinsichtlich der Flussgebietsbewirtschaftung erfolgt die Betrachtung des Unstruteinzugsgebietes, dessen Modellabbildung sich aus vereinfachten Ansätzen für das Gesamtuntersuchungsgebiet sowie den detaillierten Wasserhaushaltssimulationen im Teileinzugsgebiet der Wipper (Fokusgebiet) zusammensetzt. D.h. die Ziele des Projektes sollen mittels einer räumlich differenzierten Vorgehensweise erreicht werden (Abb. 1): •

Raum I: Einzugsgebiet der Unstrut/ Pegel Oldisleben (4.174 km²),

Raum II: unterirdisches Einzugsgebiet der Wipper/ Pegel Hachelbich (568 km²).

a)

b)

Abb. 1: Untersuchungsgebiet: a) Raum I; b) Raum II (Fokusgebiet).

Im Fokusgebiet Raum II ist die Fließgewässer- und Grundwasserbeschaffenheit durch anthropogene (Kalihalden) und geogene (Zechsteinbeeinflussung) Versalzung gekennzeichnet. Die Kalihalden wurden ohne Abdichtung auf den Buntsandstein-Aquifer aufgeschüttet. Dadurch gelangen stark belastete Haldensickerwässer in den Untergrund und in die Vorfluter. Durch Haldenabdeckungsmaßnahmen wird versucht, die Sickerwassermengen zu verringern. Neben diesen

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

45

nicht bzw. nur bedingt steuerbaren Salzeinträgen erfolgt die Einleitung der gefassten Haldensickerwässer über Laugenstapelbecken (v.a. LSB Wipperdorf) in die Wipper. Eine Übersicht der einzelnen Modellierungsarbeiten mit Zuordnung zu Raum I und Raum II wird in Abbildung 2 gegeben:

RAUM II HBCH gekoppelt

RAUM I - EZG Unstrut/ Pegel Oldisleben Æ Wasserhaushaltsmodellierung Æ Aufstellen der Bewirtschaftungsregeln

Wipper

OLD Helbe

WTHL NGS Unstrut

RAUM I

RAUM II - EZG Wipper/ Pegel Hachelbich Æ Grundwassermodellierung mit Stofftransport (Chlorid) Æ Halden als Punktquelle Æ Kopplung NA-Modell mit GW-Modell Æ Stofftransportmodellierung im Gerinne Æ Szenarien

Fließgewässer

ungekoppelt

Gerinnemodellierung Pegel Oh ra

Ge ra

Speicher Kalihalden Laugenstapelbecken

Abb. 2: Modellräume. Im Raum I werden langjährige Wasserhaushaltssimulationen mit dem Niederschlags-Abfluss-Modell (NA-Modell) ArcEGMO durchgeführt. Die Ermittlung der Salzbelastung im Gewässer wird aufgrund der geringen Relevanz mit vereinfachten Methoden abgeschätzt. Zusammen mit den Szenarien zur Salzlaststeuerung des Fokusgebietes sollen in Abhängigkeit von verschiedenen klimatologischen-hydrologischen Zuständen und unter der Einbeziehung der Speicherbecken Bewirtschaftungsregeln für den Bezugspegel Oldisleben aufgestellt werden. Für den Raum II sollen im Rahmen des Projektes durch die Entwicklung eines gekoppelten Flussgebietsmodells Szenarien zur Prognose der Salzlast in der Wipper entstehen. Zunächst muss ein Referenzszenario zur Modellabbildung des Fokusgebietes mit der Quantifizierung und Qualifizierung der maßgeblichen Salzeintragspfade erstellt werden. Dazu erfolgt der Aufbau eines Grundwasser-

46

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

modells (GW-Modell) zur besseren Erfassung der Grundwasserströmungs- und Transportprozesse gegenüber der vereinfachten Abbildung mit Basisspeichern in NA-Modellen. Durch die Grundwasserbeschaffenheitsmodellierung werden die Herkunft und die Dynamik des Salzeintrags in die Fließgewässer erfasst und der Speisungsterm für die Berechnung des Stofftransportes im Fließgewässer ermittelt. Chlorid wird dabei als Leitsubstanz zur Bewertung der Versalzung angesehen und als Tracer im Modell abgebildet. Zur Berechnung des Stofftransportes in der Wipper wird das NA-Modell mit einem Gerinnemodul erweitert. Kalihalden und Laugenstapelbecken werden jeweils als Punktquellen in den Modellen implementiert. Der Betrachtungspegel für die Wipperbeschaffenheit ist der Pegel Hachelbich, wobei erst der Zeitraum nach Beendigung des Kalibergbaus (ab 1995) berücksichtigt wird.

3 Modellkopplung Die Problematik der Modellkopplung besteht in der Komplexität der abzubildenden Prozesse verbunden mit einer Vielzahl an erforderlichen Eingangsdaten sowie der Erfassung der Wechselbeziehungen zwischen den Teilmodellen. Vor allem im Hinblick auf die Anwendung zur Bewirtschaftung von Flusseinzugsgebieten ist es daher notwendig, einen Kompromiss zwischen Genauigkeit und Umsetzbarkeit anhand einfacher Modellansätze zu finden. Die Kopplung des NA-Modells ArcEGMO (Pfützner, 2002) mit dem auf dem Softwaresystem MODFLOW (Harbaugh & McDonald, 1996) basierenden Grundwassermodell erfolgt zum einen über die Grundwasserneubildung/ -zehrung und den Grundwasserflurabstand, zum anderen über den Grundwasserzufluss und den Wasserstand im Oberflächengewässer. Zur Abbildung der Transport- und Transformationsprozesse in den ungesättigten Schichten unterhalb der Bodenzone wird ein sogenanntes „Transferzonenmodell“ zwischengeschaltet. Zur Integration der Modellierung des Stoffflusses (Chlorid) wird mit dem GWModell der Zufluss salinarer Wässer in die Fließgewässer ermittelt und dem mit einem Modul zum Stofftransport im Gerinne erweiterten NA-Modell übergeben. Die rechentechnische Umsetzung erfolgt über die Verbindung der Teilmodelle innerhalb eines offenen Systems. Mittels einer Shell werden die einzelnen Modellkomponenten angesteuert und notwendige Datenkonvertierungen zwischen den Modulen durchgeführt (Abb. 3). Gebietsspezifische Informationen werden in separaten Dateien hinterlegt und von der Shell aufgerufen. Im Unterschied zu anderen Ansätzen zur Modellkopplung, die zumeist auf einem geschlossenem

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

47

end

SHELL

start

Systemmodell basieren, ist dieses offene System in seinen Komponenten austausch- und erweiterungsfähig. Die Anwendbarkeit des gekoppelten Flussgebietsmodells auf andere Flussgebiete ist gegeben.

Grundwasserneubildung

KNT

KTN

hypoderm.Anstron in die Gewässer

Sickerwasser (+/-) aus der Wurzelzone

NA-ModellKTG

Wasserstand im Gewässer

KNG

Chlorid GW-Anstrom in die Gewässer

TransferzonenModell

K GT

GW-Modell

KGN KTG

Grundwasserstand

Grundwasserneubildung

KTG

Datenkonvertierung, durch die Shell gesteuert Ein-/Ausgabedateien (ascii) Datenflüsse Steuerimpulse

Abb. 3: Prinzip der Modellkopplung mittels einer Shell (Klöcking et al., 2002).

4 Grundwassermodellierung 4.1 Aufbau des Grundwassermodells Das Einzugsgebiet der Wipper liegt im Übergangsbereich zwischen den Randplatten des Thüringer Beckens und dem Nordthüringischen Buntsandsteinhügelland; d.h. es ist charakterisiert durch Muschelkalkhochflächen und Buntsandsteinfolgen, die nacheinander ausstreichen. Unter dem Buntsandstein lagern die Folgen des Zechsteins, die zwar für die Grundwasserführung im Untersuchungsgebiet nicht relevant sind, aber umso mehr bzgl. der geogenen Versalzung (v.a. im Bereich von Störungszonen).

48

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Die Modellgrenze entspricht dem unterirdischen Einzugsgebiet (EZG) der Wipper, das ungefähr dem oberirdischen EZG gleichgesetzt werden kann, im Südosten jedoch aufgrund starker Grundwasserzuströme über das oberirdische EZG hinausreicht. Für die horizontale Diskretisierung wurde ein Raster von 200 m gewählt. N

Modellschichten: 1 2 3 4 5 6 7 8

S

Quartär Muschelkalk Oberer Buntsandstein Mittlerer Buntsandstein Mittlerer Buntsandstein - smV’s Unterer Buntsandstein - ob. 80 m Unterer Buntsandstein Bröckelschiefer

Abb. 4: Hydrogeologisches Strukturmodell. Vertikal wurden in Abhängigkeit von der hydrogeologischen Bedeutung acht Modellschichten unterschieden (Abb. 4). Da die Grundwasserführung im Festgesteinsbereich zumeist auf Klüften erfolgt und im Untersuchungsgebiet stark von der Lage zu den zahlreichen Störungs- und Zerrüttungszonen abhängt, erfolgt die Parametrisierung mit der Methode der Zonierung auf der Grundlage von Pumpversuchsergebnissen sowie der Kenntnis von Kluftwegsamkeiten, Verkarstungserscheinungen, erhöhten Tonanteilen etc. Zur Erfassung des Grundwasserabflusses werden der Hauptvorfluter Wipper sowie mit dem Grundwasser in Kontakt stehende Nebenvorfluter bzw. Vorfluterabschnitte als Flussrandbedingung für die Modellkopplung berücksichtigt (Abb. 5).

N

5km

Abb. 5: Gebirgsdurchlässigkeit [m/s] im Hauptgrundwasserleiter.

1e-04 7e-05 4e-05 1e-05 7e-06 4e-06 1e-06 7e-07 4e-07

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

49

4.2 Konzept Transferzone Problematisch bei der Kopplung eines NA-Modells mit einem GW-Modell ist die unterschiedliche Definition der Grundwasserneubildung. In NA-Modellen wird als Grundwasserneubildung die Sickerwasserrate aus der durchwurzelten Bodenzone betrachtet. In Grundwasserströmungsmodellen entspricht die Grundwasserneubildung der realen Speisung in das Grundwasser; die Grundwasserneubildung wird als Randbedingung direkt auf die Grundwasseroberfläche aufgegeben. In Gebieten mit hohen Flurabständen ist deshalb ein Modell zur Beschreibung der Prozesse im ungesättigten Bereich unterhalb der Wurzelzone hinzufügen (Abb. 6), das • zeitlich die Versickerungsverzögerung bis zur Infiltration ins Grundwasser und • mengenmäßig die Bildung von hypodermischem Abfluss (v.a. im Festgestein.) adäquat abbildet. Dieses Transferzonenmodell muss also die Sickerwasserrate aus dem NA-Modell in einen hypodermischen Anteil und die Grundwasserneubildung aufteilen und eine verzögerte Infiltration ins Grundwasser abbilden können. Problematisch ist dabei vor allem die räumliche und zeitliche Erfassung des hypodermischen Abflusses und die Parametrisierung der ungesättigten Zone in der großskaligen Modellierung.

P

P

ET

Niederschlags-Abfluss-Modell

Niederschlags-Abfluss-Modell

? GWN

Grundwassermodell

ET

Transferzonenmodell

Ro

Ro GWN

Grundwassermodell

Abb. 6: Problematik Transferzone bei der Modellkopplung.

Die Bewegung des Wassers in der ungesättigten Zone ist nur mit bodenphysikalischen Modellen nachvollziehbar. Aufgrund des Flussgebietsmaßstabes sowie der Festgesteinsproblematik soll bzgl. der Abbildung der Versickerungsverzögerung ein konzeptioneller Ansatz verwendet werden. GLUGLA (Glugla 1970) hat für großräumige Betrachtungen in Flusseinzugsgebieten ein Mehrschichtenmodell zur Berechnung der Wasserbewegung im Boden entwickelt, das trotz vereinfachter Annahmen wesentliche Erkenntnisse der Bodenphysik berücksichtigt und

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

somit den innerjährlichen Gang der Grundwasserneubildung auch bei großen Flurabständen erfasst. Bei der Abwärtsbewegung bis zur Grundwasseroberfläche wird der Gravitationswasserabfluss in seiner Amplitude abgeflacht und in seinem Scheitelwert zeitlich verzögert. Dieser „Perkolationsansatz“ nach GLUGLA beruht auf der Hintereinanderschaltung von mehreren Einzelspeichern (die Mächtigkeit der einzelnen Rechenschichten beträgt 0.5 m.), die nichtlinear entleert werden: dW = λ ∗W 2 dt

W

volumetrischer Bodenwassergehalt oberhalb Feldka-

λ

pazitat Perkolationsparameter [1/mm*d]

Die Parametrisierung erfolgt über einen sogenannten Perkolationsparameter, der die Textur und Struktur der ungesättigten Bodenschicht beschreiben soll und umgekehrt proportional dem Retentionsvermögen ist. In der Tabelle 1 sind von GLUGLA ermittelte Werte für verschiedene Bodenarten dargestellt. Der Perkolationsparameter ist auf eine Rechenschicht bezogen. Die Sickerstrecke bestimmt die Anzahl der Rechenschichten. Tab. 1: Werte für den Perkolationsparameter (GLUGLA, 1970). Bodenart

Perkolationsparameter

Grobsand

20

Mittelsand

10

Sand

2.4

schwach lehmiger Sand

0.1

Der Ansatz nach GLUGLA wurde zur Modellierung der Perkolation in Lockergesteinsbereichen Mitteldeutschlands erfolgreich angewendet. Im Festgesteinsbereich besteht das Problem, dass sich die Wasserbewegung vor allem auf Klüften vollzieht. Zur Abbildung der Versickerungsverzögerung sind neben den Grundwasserflurabständen insbesondere die Verwitterungsschichten oberhalb des anstehenden Gesteins als relevant zu betrachten. In der Abbildung 7-a sind Ganglinien von drei Grundwassermessstellen (GWM) in einem Teileinzugsgebiet dargestellt; die GWM befinden sich im Hauptgrundwasserleiter. Die Verwitterungsschichten im Bereich der GWM I und II sind gleich ausgebildet (Ausgangssubstrat Mittlerer Buntsandstein). Die GWM I weist ca. 1 Monat Verzögerung in ihrem Grundwassergang auf. Zwischen diesen beiden Messstellen beträgt die durchschnittliche zeitliche Verzögerung der Maxima und Minima der Grundwas-

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

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serstände nur ca. 1 Monat, obwohl sich die Flurabstände um 8 bis 12 m unterscheiden. Die GWM III weist trotz ähnlichem Flurabstand wie GWM II einen anderen Grundwassergang auf. Die Deckschicht besteht hier aus den sehr geringdurchlässigen Tonen und Mergeln im Ausstrich des Oberen Buntsandsteins. Maßgebend für die Größe der Versickerungsverzögerung wird also neben der reinen Betrachtung des Grundwasserflurabstands die Ausbildung der Verwitterungsschicht (siehe GWM II - III) und die Mächtigkeit des ungesättigten Bereichs innerhalb der Verwitterungsschicht (siehe GWM I – II) sein. Wenn das unverwitterte Gestein erreicht ist, erfolgt eine relativ rasche Durchsickerung des Kluftwassers bis zur Grundwasseroberfläche. Zur Umsetzung des GLUGLA-Ansatzes wird in Abhängigkeit vom Ausgangssubstrat im Grundwassermodell jedem Rasterelement eine Verwitterungsschicht zugeordnet (Tab. 2) und der dazugehörige Perkolationsparameter in der Shell hinterlegt. Problem bereitet dabei vor allem die konkrete Festlegung der Mächtigkeiten der Deckschichten.

Tab. 2: Verwitterungsschichten in Abhängigkeit von der stratigrafischen Einheit (nach SCHRAMM, 1975). Stratigraph. Einheit

Verwitterungsschicht

Durchlässigkeit

Unterer Buntsandstein

sandige Lehme u. Tone

gering durchlässig

Mittlerer Buntsandstein

tonige bis lehmige Sande

mäßig durchlässig

Oberer Buntsandstein

Ton, Mergel, schwach bis mittel steinig

gering - sehr gering durchlässig

Unterer Muschelkalk

Lehm, Mergel, stark bis sehr stark steinig

gut - sehr gut durchlässig

Da bzgl. der Größe des Perkolationsparameters nur die von GLUGLA ermittelten Werte vorliegen, wurden zur Parameterermittlung für die eher geringdurchlässigen Deckschichten im Untersuchungsgebiet Modelluntersuchungen durchgeführt. In der Abbildung 7-b sind exemplarisch die Ergebnisse zur Wirkung des Perkolationsansatzes dargestellt. Die genaue Festlegung der Parametrisierung erfolgt im Zuge der Kalibrierung des gekoppelten Flussgebietsmodells.

52

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

a) Bsp.: 3 GWM im Hauptgrundwasserleiter

b) Bsp.: TEZG mit ca. 20 m Flurabstand 1-2 Monate Verzögerung

in der Bodenzone

GWM I

Abbildung 3- 4 Monat e Ver zögerung in der

4

0.5

6 8 10 12 14

GWM II

16 18

GWM III

20 22 Nov. 90 Nov. 91 Nov. 92 Nov. 93 Nov. 94 Nov. 95 Nov. 96 Nov. 97

Korrelationskoeffizient

Grundwasserstand [muGOK]

2

Tr ansf erzone mit dem Perkolat ionsansat z

5 - 6 M o n a t e Ve r z ö g e r u n g i n f i l t r i e r e n d e N i e d e r sc h l a g sw ä sse r z u G r u n d w a sse r g a n g

0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 0

1

2

3

4

5

6

Verzögerung [Monate] Zeitpunkt Infiltration (P-ETR) Sickerwasser UK Wurzelzone Grundwasserneubildung nach Perkolation

(Korrelation mit dem Grundwasser)

Abb. 7: Perkolationsansatz: a) Notwendigkeit; b) Test des Ansatzes von GLUGLA.

Bezüglich der Modellabbildung des im Untersuchungsgebiet recht großen Anteils an schnellen Basisabflusskomponenten (50 – 60 % hypodermischer Abfluss) sollen vor allem die von der TU Dresden mit dem Programm DIFGA (SCHWARZE, 1992) ermittelten Ergebnisse aus der Ganglinienseparation genutzt werden. Die Auswertung der DIFGA-Analysen erfolgt lithofaziesbezogen mit der Unterscheidung in Kalkstein und Buntsandstein. Die Übertragung der Ergebnisse in den Modellraum soll anhand der Flächenanteile Kalkstein und Buntsandstein in den einzelnen Teileinzugsgebieten erfolgen (jeweils Anzahl Rasterelemente der betreffenden Modellschichten). Diese Flächenanteile sowie der dem Teileinzugsgebiet zugehörige Vorfluter bzw. Vorfluterabschnitt zur Aufnahme des schnellen Basisabflusses müssen für die Kopplung als Datei fest hinterlegt werden. Da die Menge des hypodermischen Abflusses keinen einheitlichen Jahresgang aufweist, soll analog der DIFGA-Analysen eine prozentuale Aufteilung der Sickerwassermenge in schnellen und langsamen Basisabfluss erfolgen. Der schnelle Basisabfluss wird direkt als abflusswirksamer Anteil an den zugeordneten Gewässerabschnitt des NA-Modells übergeben. Der langsame Anteil wird in Abhängigkeit von der Verzögerung im ungesättigten Bereich dem Grundwassermodell als Grundwasserneubildung aufgegeben.

4.3 Konzept Salz Mit Hilfe der Grundwassermodellierung soll der Chlorid-Eintragsterm in die Fließgewässer ermittelt werden. Nach Beendigung des Kalibergbaus bestimmen nun noch die Halden und auch der geogene Salzeintrag maßgeblich die Grund-

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

53

wasserbeschaffenheit. Oft ist eine Überlagerung der Versalzungserscheinungen zu beobachten. Da bedingt durch die hohen Salzgehalte dichteabhängige Strömungs- und Transportprozesse einen relevanten Einfluss auf die Größe des grundwasserbürtigen Zutritts salinarer Wässer in die Oberflächengewässer haben können, aber aufgrund der Modellgröße eine dreidimensionale Grundwassermodellierung mit dichtegetriebener Strömung im Rahmen des Projektes nicht durchführbar ist, wurde ein vereinfachter, zweistufiger Ansatz zur Modellierung des Salzeintrags gewählt: An exemplarischen 2D-Modellschnitten sollen mit einem Programm zur Berücksichtigung dichteinduzierter Grundwasserströmung Untersuchungen zur Verteilung der Haldensickerwässer sowie zum geogenen Chlorideintragsterm durchgeführt werden (Abb. 8). Es werden die Halden als Punktquellen sowie die geogene Süss-Salzwasserschichtung berücksichtigt. Halde

Q Chlorid gravitative Schichtung

Q Chlorid

Q Clorid Festpotentialrand

Abb. 8: 2D-Untersuchungen zur Ermittlung der Salzeintragsterme in das Grundwasser.

Die Ergebnisse aus den 2D-Untersuchungen bilden die Grundlage für die Abbildung der Grundwasserversalzung im gekoppelten Flussgebietsmodell mit den Fragestellungen hinsichtlich der geogenen Grundlast, der Abhängigkeit des Haldeneintrags in die Vorfluter, der Wirkung der Haldenabdeckungsmaßnahmen sowie der Ermittlung des Ausklingens der Haldenversalzung.

5 Stofftransportmodellierung im Gerinne 5.1 Konzept Die flächendeckende, zeitlich und räumlich hoch aufgelöste hydrologische Modellierung eines Raumes der Größe des Unstrut-Gebietes erfordert eine der zeitlichen und räumlichen Skala angemessene Herangehensweise. Physikalisch basier-

54

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

te Parameter müssen die Variabilität und die Dynamik innerhalb des Flussgebietes widerspiegeln. Dabei kommen vor allem solche Modelle in Frage, die eine flächendetaillierte und dynamische Modellierung erlauben. Wird ein Stoff punktuell in einen Fluss eingeleitet, so breitet er sich auf Grund von Advektion, molekularer und turbulenter Diffusion sowie Dispersion aus. Die Stoffwolke wird daher mit der Zeit immer größer, während ihre maximale Konzentration sinkt. Da es sich bei den hier betrachteten Chloriden ausschließlich um konservative Stoffe handelt, kann ein zusätzlicher Term für den Abbau vernachlässigt werden. Der Transport von gelösten Stoffen kann somit durch die eindimensionale Advektions-Diffusions-Gleichung beschrieben werden, deren mathematische Grundlage von Taylor (Rutherford J.C. 1994; Fischer et al. 1979) entwickelt wurde. Als Voraussetzung für die Modellierung des Stoffhaushaltes im UnstrutEinzugsgebiet mit Hinblick auf die bergbaubedingten salinaren Einträge werden im Fokusgebiet die Durchflüsse an den interessierenden Pegeln Wipperdorf und Hachelbich modelliert.

5.2 Mathematische Prozessbeschreibung Bei einer stationären, gleichförmigen Strömung lautet die Lösung für eine momentane, punktförmige Einleitung einer Stoffmenge M im Falle eines konservativen Stoffes (s. ADLER ET AL. 1993) C ( L, t ) =

mit

C t L

= = =

us

=

M D0 Q As

= = = =

⎛ (t − L / us ) 2 ⎞ ⎟ * exp⎜⎜ − 2 ⎟ 4 * π * D0 * t / us2 ⎝ 4 * D0 * t / us ⎠ M /Q

Konzentration [kg/m3] Zeit [s] Distanz zwischen Einleitungsstelle und Berechnungspunkt [m] mittlere Fließgeschwindigkeit im abflusswirksamen Teil des Flussquerschnittes [m/s] punktförmig eingeleitete Stoffmenge [kg] longitudinaler Dispersionskoeffizient [m2/s] Abfluss = As * us [m3/s] abflusswirksamer Flussquerschnitt [m²]

Häufig tritt der Fall auf, dass die Einleitungsmenge variiert, z.B. in Form eines Tages- oder Wochenganges. In diesen Fällen muss die Inputgröße in diskrete Zeitintervalle zerlegt werden und anhand einer Einheitsbelastung, mithilfe derer man die Teilbelastungen berechnet, zur Gesamtbelastung superponiert werden.

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

55

Daraus ergibt sich für einen Gewässerabschnitt der Länge L nach Überlagerung der einzelnen Teilwellen M0,..,Mn: n

C L ,ges (t ) = ∑ M i*∆t * i =0

mit

CL,ges

=

M0,...,Mn Q ∆t T(L)

= = = =

D (t)

=

⎛ ((t − i * ∆t ) − T ( L) )2 ⎞ ⎟ * exp⎜⎜ − 4 * D (t − i * ∆t ) ⎟⎠ Q * 4 * π * D (t − i * ∆t ) ⎝ 1

Konzentration nach Überlagerung der Teilbelastungen in einem Gewässerabschnitt der Länge L [kg/m3] Zeitreihe der Teilbelastungen [kg] Durchfluss [m3/s] Zeitschrittweite [s] Fließzeit über die Abschnittslänge gemittelt [s] aus Teilabschnitten zusammengesetzter longitudinaler Dispersionskoeffizient [m2/s]

Nach Durchführung der Überlagerung für den ersten Flussabschnitt wird das Ergebnis als Belastung für den nächsten Flussabschnitt übernommen, wobei zusätzliche externe Frachten auch aus dem Grundwasser ebenfalls integriert werden können. Durch Superposition der externen Frachten mit den berechneten Belastungen ergibt sich so eine Zeitreihe der Belastungen M0,...,Mn für den nachfolgenden Abschnitt. Diese Berechnungskaskade muss für jeden Zeitschritt wiederholt werden. Durch eine derartige Segmentierung lassen sich unterschiedliche Durchflüsse, Fließgeschwindigkeiten oder Einleitungen erfassen, so dass ein gesamtes rückwirkungsfreies Flussnetzwerk betrachtet werden kann. Nähere Einzelheiten zur programmtechnischen Umsetzung findet man auch unter www.arcegmo.de (Pfützner 2002)

5.3 Ergebnisse Grundsätzlich erlaubt der modulare Aufbau von ArcEGMO die Nutzung unterschiedlich detaillierter und strukturierter Teilprozessmodelle mit deren Hilfe zum einen die Abbildung des Gesamtwasserhaushaltes im Untersuchungsraum I ermöglicht wird, zum anderen aber auch die detaillierte Stofftransportsimulation im Fokusgebiet durchgeführt werden kann. Im folgenden werden jedoch nur die Ergebnisse bzgl. der Simulationsberechnungen im Raum II dargestellt. Auf der Grundlage der räumlich und zeitlich verteilten Basisdaten wurden für das Einzugsgebiet der Wipper bis zum Pegel Hachelbich Simulationsrechnungen sowohl für den Durchfluss als auch für den konservativen Stofftransport durchgeführt. Die an dem Pegel Wipperdorf und Pegel Hachelbich gemessenen und simulierten Durchflüsse sind in Abb. 9 für den Zeitraum vom 01.01.2003 – 31.01.2003 dargestellt. Die Auswahl dieser Simulationsperiode begründet sich

56

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

daraus, dass während dieser Periode von der Kali-Umwelttechnik GmbH Sondershausen ein Abstoßversuch aus dem Laugenstapelbecken Wipperdorf zur Messung der Fließgeschwindigkeiten bei HQ-Verhältnissen durchgeführt wurde (2. Abstoßversuch zur Messung der Fließgeschwindigkeiten am 20.01.2003). Ein Vergleich der simulierten mit den gemessenen Durchflussganglinien in stündlicher Auflösung ergibt eine zufriedenstellende Übereinstimmung für das Untersuchungsgebiet. Die berechneten Durchflüsse entsprechen in ihrer Dynamik und ihrer Amplitude den beobachteten Werten. Probleme zeigen sich lediglich bei der Nachbildung extremer Abflüsse, die in ihrer Höhe nicht exakt getroffen werden.

80 70

Pegel Wipperdorf

gemessen berechnet

80 70

50 40 30

50 40 30

20

20

10

10

0 01.01.2003 06.01.2003 11.01.2003 16.01.2003 21.01.2003 26.01.2003 31.01.2003

gemessen berechnet

60

Q [m 3/s]

Q [m 3/s]

60

Pegel Hachelbich

0 01.01.2003 06.01.2003 11.01.2003 16.01.2003 21.01.2003 26.01.2003 31.01.2003

Abb. 9: Gemessene und berechnete Durchflusswerte: links Pegel Wipperdorf, rechts Pegel Hachelbich. Die sich aus diesen Durchflussverhältnissen ergebende Chloridkonzentration ist in Abb. 10a-b dargestellt. Auch hier lässt sich festhalten, dass die zeitliche Dynamik gut wiedergespiegelt wird. Die Einleitungen aus dem Becken Wipperdorf respektive Becken Sondershausen können gut abgebildet werden. Dies zeigt auch die Abb. 10c, in der die gemessene Fließzeit der berechneten Fließzeit der Chloridwelle des oben genannten Abstoßversuches gegenübergestellt wird. Die Unterschiede in der Amplitude der Welle können jedoch noch nicht als Gütekriterium des Modells herangezogen werden, da die Versuchsdurchführung nur auf die Messung des zeitlichen Verlaufs der Durchgangswelle abzielte. Konkrete Konzentrationsmessungen werden im Zuge eines Monitoringprogrammes durchgeführt, standen aber für diesen Versuch nicht in dieser zeitlichen Auflösung zur Verfügung (s. Abb. 10a-b). Legt man einen stündlichen Berechnungszeitschritt zugrunde, dann lässt sich eine gute Übereinstimmung an den beiden stationären Messpunkten Kinderode und Großfurra ablesen.

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

a) Cl [k g/ m

Station Wipperdorf_oBW

gemessen berechnet

2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

01.01.2003 06.01.2003

57

Cl [k g/ m

11.01.2003 16.01.2003

c) 1,60 1,40

21.01.2003 26.01.2003

31.01.2003

Station Hachelbich

b) 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

01.01.2003

06.01.2003

11.01.2003 16.01.2003

21.01.2003

gemessen berechnet

26.01.2003 31.01.2003

Fließzeit 2. Abstoßversuch zwischen den Pegeln Wipperdorf und Hachelbich Durchgang Kinderode

Durchgang Großfurra

1,20 Cl 1,00 [k g/ 0,80 m 0,60 0,40 0,20 0,00 20.1.03 8:00 Meßgerät 2

20.1.03 10:00 Meßgerät 1

20.1.03 12:00 20.1.03 14:00 20.1.03 16:00 Kinderode simuliert Großfurra simuliert

Abb. 10: Gemessene und berechnete Cl-Konzentration: a) an der Station Wipperdorf oberhalb des Beckens Wipperdorf, b) an der Station Hachelbich; c) Durchgang der gemessenen und berechneten Chloridwelle des 2. Abstoßversuches an zwei Messstationen.

6 Fazit Trotz begonnener Rekultivierung der Kalihalden und somit Reduzierung der Sickerwassermengen sind noch mehrere Jahrzehnte/Jahrhunderte negative Auswirkungen auf die Gewässergüte in Nordthüringen zu erwarten, zumal nach Beendigung des derzeit praktizierten Spülversatzes die gefassten Haldensickerwässer wieder den Laugenstapelbecken zugeführt werden müssen und somit der Salzlaststeuerung im Flusssystem Wipper/ Unstrut wieder größere Bedeutung zukommt. Im Gegensatz zum anfänglichen Zweck der Beherrschung der großräumigen Auswirkungen der Salzeinleitungen zur Trink- und Brauchwassernutzung des unterstromigen Saalewassers, besteht nun nach der Stilllegung der Kaliwerke das Ziel, eine ökologisch verträgliche Salzlaststeuerung durchzuführen. Dies beinhaltet eine Verringerung und Vergleichmäßigung der Salzbelastung unter der Berücksichtigung auch vergleichsweiser kleiner Vorfluter wie der Wipper. Zur Ableitung der Steueralgorithmen ist die Modellierung des Wasser- und Stoffhaushaltes im Flusseinzugsgebietsmaßstab unumgänglich, um die Zielvor-

58

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

gaben der Gewässergüte einhalten zu können. Bei einem derartigen Betrachtungsmaßstab ist es jedoch wichtig, einen Kompromiss zwischen Genauigkeit und Umsetzbarkeit anhand einfacher Modellansätze zu finden. Dies wurde sowohl mit dem genesteten Modellraumansatz als auch bei den Aspekten zur Grundwassermodellierung bzw. der Stofftransportmodellierung im Fließgewässer verdeutlicht. Die Modellkopplung NA-Modell/GW-Modell zusammen mit dem Stofftransport im Gerinne erscheint nur im ‚Ballungsraum’ des Wippereinzugsgebiets bis Pegel Hachelbich sinnvoll und notwendig.

Danksagung: Die Untersuchungen werden gefördert im Rahmen des BMBFForschungsprojektes „Flusseinzugsgebietsmanagement Unstrut“, FKZ: 0330028, Projektträger Jülich.

Literatur Adler, M.; Jacob, A.; Hanisch, H.; Leibundgut C.; van Mazijk, A.; Spreafico, M. & Wiesner, H. (1993): Alarmmodell Rhein - Ein Modell für die operationelle Vorhersage des Transportes von Schadstoffen im Rhein. Koblenz, IKSR/KHR. Fischer, H.B., List E.J., Koh R.C.Y., Imberger J., Brooks N.H. (1979): Mixing in inland and coastal waters. Academic Press, New York Glugla, G. (1970): Zur Berechnung des aktuellen Wassergehalts und Gravitationswasserabflusses im Boden. Dissertation, Universität Leipzig, 1970. Klöcking, B., Pfützner, B., Sommer, Th. & Schmidt, C. (2002): Kopplung des Einzugsgebietsmodells ArcEGMO mit einem Grundwassermodell für die Simulation des Wasserhaushaltes der oberen Unstrut. In: Wittenberg, H. & Schöniger, M. (Hrsg.): Wechselwirkungen zwischen Grundwasserleitern und Oberflächengewässern. Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, Heft 1, S. 77-82, (ISBN 3-936514-22-4), 2002. Harbaugh, A.W.& McDonald, M.G. (1996): User’s documentation for MODFLOW-96, An update to the U.S. Geological Survey modular finitedifference groundwater flow model., USGS Open-File Report 96-485. Pfützner, B. (ed.) (2002):. Description of ArcEGMO. Official homepage of the modelling system ArcEGMO, http://www.arcegmo.de, ISBN 3-00-0111905.

MODELLKONZEPTE ZUR SALZLASTSTEUERUNG

59

Rutherford, J.C. (1994): River Mixing. John Wiley & Sons Ltd, Chichester. Schramm, H. (1975): Pedohydrologische Kennwerte im Großeinzugsgebiet von Werra/ Gera/ Unstrut als Grundlage für Wasserdargebotsermittlungen. VEB GFE Halle, BT Jena, 1975. Schürer, J. & Kulbe, K.-H. (1997): Die Versalzung von Fließgewässern der Südharzregion (Deutschland) – Ursache, Stand, Tendenzen. Limnologica 27 (1), S. 9-17, 1997. Schwarze, R. (1992): Programmdokumentation DIFGA. TU Dresden, Institut für Hydrologie und Meteorologie.

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

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Wasserhaushaltssimulationen unter Einbeziehung von Grundwasser – Oberflächenwasser – Kopplung zur Optimierung szenarienbasierter Handlungsoptionen für ein nachhaltiges Flussgebietsmanagement an der Unteren Havel Stefan Krause*), Axel Bronstert

Zusammenfassung: Das BMBF-Forschungsprojekt “Flusseinzugsgebietsmanagement an der Havel” beschäftigt sich mit der Analyse verschiedener Handlungsoptionen zur Verbesserung der Gewässergüte mit dem Ziel einer nachhaltigen Nutzung des Einzugsgebietes und der Flussauenlandschaft der Havel. Vorgestellt wird der Ansatz einer gekoppelten Wasserhaushalts – Grundwasser- Modellierung, welche es ermöglicht, die aus verschiedenen Managementoptionen resultierende Änderungen im Abflussgeschehen und Wasserhaushalt zu quantifizieren. Die erfolgreiche Validierung des Models gestattete die Simulation verschiedener Landnutzungs- und Bewirtschaftungsszenarien, deren Ergebnisse ebenfalls vorgestellt und diskutiert werden. Abstract: The BMBF-Research-Project “Options for management in the Havel catchment“ aims at the analysis of different approaches to improve water quality and to achieve a sustainable use of the catchment and the river landscape. The presented approach consists of a coupled water balance – groundwater – modelling, which enables the quantification of changes in runoff generation and water budget that are induced by landuse changes. Results of the calibration and the successful validation of the model as well as of the simulation of several landuse and management scenarios are presented.

1 Einführung Ziel der mesoskaligen Wasserhaushaltsmodellierung an der Unteren Havel ist es, Antworten auf folgende Fragen zu geben: •

*)

Welchen Einfluss haben Landnutzungsänderungen auf das Flusssystem der Havel sowie auf die Interaktion zwischen Fluss und Flusseinzugsgebiet (Grundwasser – Oberflächenwasser – Interaktionen)? Inst. für Geoökologie, Universität Potsdam, PF 601553, 14415 Potsdam, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Wie reagiert der Landschaftswasserhaushalt auf sich ändernde Bedingungen?

Wie können durch Landnutzungsänderungen induzierte Veränderungen im Landschaftswasserhaushalt quantifiziert werden?

Durch die flächenhaften Wasserhaushaltsmodellierung ist es möglich, den Einfluss verschiedener Handlungsoptionen auf den Wasserhaushalt zu quantifizieren und zielorientiert zu optimieren. Das ca. 200 km2 große Einzugsgebiet der Unteren Havel befindet sich im glazial geprägten Nordosten Deutschlands. Das größtenteils sehr ebene, im zentralen Auenbereich nur selten 25 m übersteigende Untersuchungsgebiet wird in den Randbereichen von bis zu 120 m hohen Endmoränenstrukturen umrandet. Mittlere Jahresniederschläge liegen bei 540 mm/a. Die Havel durchfließt als nur noch stellenweise naturnahes Gewässer das Untersuchungsgebiet, welches zusätzlich durch ein intensives Drainagenetzwerk beeinflusst wird. Bedingt durch die starken saisonalen Grundwasserstandsschwankungen sind vor allem die Böden der Aue hydromorph geprägt. Aufgrund der überwiegend sandigen Substrate sind die hydraulischen Leitfähigkeiten der Böden jedoch so hoch, dass Infiltrationsüberschuss selbst während intensiver Niederschlagsereignisse nicht erreicht wird. Die hauptsächlich im Frühjahr auftretenden Hochwasserereignisse in der Havel resultieren weniger aus Niederschlägen oder Schneeschmelze im eigenen Einzugsgebiet als vielmehr aus einem verzögerten Abfluss und Rückstau der Havel in die Hochwasser führende Elbe.

Abb. 1: Untersuchungsgebiet „Untere Havel“ und Messstellennetz.

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

63

Klimatologische und hydrologische Randbedingungen werden im Untersuchungsgebiet mittels eines umfangreichen Messnetzes zeitlich hochaufgelöst erfasst (Abb.1).

2 Modellansatz Zur erfolgreichen Simulation des Wasserhaushalts von Flachlandeinzugsgebieten ist es notwendig, in einem geeigneten Modell die spezifischen hydrologischen Charakteristika der Abflussbildungsprozesse von Auenlandschaften prozessadäquat zu simulieren. Dies bedeutet unter anderem die Implementierung von Grundwasser – Oberflächenwasser – Interaktionen, sowie der resultierenden Inund Exfiltrationsvorgänge in das Modellkonzept. Der präsentierte Ansatz basiert auf der Kopplung des flächendifferenzierten deterministischen Einzugsgebietsmodells WASIM-ETH-I (Schulla, 1997; Schulla & Jasper, 1999) mit dem Finite Differenzen – Grundwassermodell MODLFOW (Harbaugh & Mc Donald, 1996 a, b) bzw. Processing MODLFOW (Chiang & Kinzelbach, 1993, 2001).

Abb. 2: Konzept und Realisierung der gekoppelten Wasserhaushalts – Grundwasser – Modellierung.

Die Berechnung der vertikalen Bodenwasserdynamik erfolgt in der Bodenroutine des WASIM-Modells mit dem Topmodel-Ansatz (Beven & Kirkby, 1979). Die

64

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Bodenwasserbewegung wird anhand eines Systems von miteinander über definierte Be- und Entleerungsdynamiken verbundenen Speichern approximiert. Für die präsentierten Simulationen wurde eine um Makroporenfluss erweiterte Version (Niehoff, 2002) genutzt. Die Kopplung der vertikalen Abflussbildungsmodellierung in WASIM mit der Modellierung der Lateral-Flüsse und Austauschprozesse erfolgt durch die Übergabe der Zu- und Abflüsse des WASIM-Grundwasserspeichers (gegeben durch die Änderung des Sättigungsdefizits und der Basisabflüsse) als Grundwasserneubildung bzw. –zehrung in MODLFOW sowie umgekehrt (Krause, Bronstert 2002, 2003). Der Austausch zwischen Oberflächen- und Grundwasser wird in der Modellumgebung von Processing MODFLOW mittels der „River Routine“ (Prudic, 1988; Rembe & Wenske, 1998) realisiert. Der Austausch wird hierbei über einen Leakage-Ansatz berechnet, welcher die Flüsse über die Flussrandbedingung kontrolliert.

3 Modellanwendung Um Konsistenz in der räumlichen Diskretisierung garantieren zu können, wird in beiden Modellen mit gleicher Rasterweite gerechnet. Für die Kalibrierungssimulationen in den Teileinzugsgebieten „Gülper Insel“ und „Mühlengraben“ sind dies 25m Raster, für die Modellvalidierung im gesamten Einzugsgebiet „Untere Havel“ 50m Raster. Die durch die Vorflutwasserstände gegebene Druckrandbedingung des Grundwassermodells wird durch Interpolation von lokalen Messdaten an Wehren und Pegeln vorgegeben. Zeitschrittlängen und Übergabezeitschritte sind in Tabelle 1 dargestellt. Tab. 1: Modell-Setup der verschiedenen Simulationen. Teileinzugsgebiet

Räuml. SimulaDiskre- tionszeit tisierung

Zeitschritt

Zeitschritt

Zeitschritt

(WASIM)

(MODFLOW)

Kopplung

Fläche

Gülper Insel

25m

4 Monate

1h

1h

1 Woche 1.43 km2

Mühlengraben

25m

4 Monate

1h

1h

1 Woche 25.38 km2

Untere Havel

50m

1Jahr (2001)

1h

1d

~10 Tage 189.1 km2

Szenarios

50m

1Jahr

1h

1d

~10 Tage 189.1 km2

(2001)

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

65

Die Kalibrierung des Grundwassermodells erfolgt über den Vergleich von gemessenen und simulierten Grundwasserständen an verschiedenen Messpunkten, welche sich sowohl in der Flachlandaue als auch in den Hanglagen befinden. Sensitivitätsanalysen zeigten, dass der einflussstärkste Parameter der Leakage Faktor (Glg. 1) ist, welcher die Interaktion zwischen Oberflächen- und Grundwasser kontrolliert und durch die hydraulische Leitfähigkeit der Hyporhäischen Zone sowie durch die Geometrie des Flussquerschnitts kontrolliert wird. CRIV = KRIV * L * WRIV / MRIV1 mit:

CRIV =

Leakage Faktor (L2T-1)

KRIV =

Hydraulische Leitfähigkeit des Flussbetts (LT-1)

L

Flusslänge innerhalb einer Zelle (L)

=

WRIV =

Flussbreite (L)

MRIV =

Mächtigkeit der Hyporhäischen Zone (L)

Gleichung 1

Für KRIV, die Leitfähigkeit des Flussbettes, wurden gemittelte Werte angenommen. Ein weiterer einflussreicher Parameter der Kalibrierung war die hydraulische Leitfähigkeit der tiefgründigen Böden der Hanglagen, über welche die unterschiedlichen Verweilzeiten des Wassers in der ungesättigten Zone bestimmt werden. Es erfolgte keine explizite Modellierung der Prozesse in der Transferzone bis zum Grundwasser.

3.1 Kalibrierungsergebnisse Aufgrund der guten Kenntnis über die Randbedingungen und um die erwarteten starken Interaktionen zwischen Grund- und Oberflächenwasser im Modell darzustellen und zu testen, wurde als erstes ein mittleres Winterhochwasser für das relative kleine Einzugsgebiet „Gülper Insel“ simuliert. Als zweites Testgebiet wurde das wesentlich heterogenere, vertikal stärker gegliederte Einzugsgebiet „Mühlenfliess” gewählt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand hierbei vor allem die räumliche Ausdehnung der Interaktionsprozesse. Der Simulationszeitraum betrug 4 Monate (01/09/01-31/12/01). Dieser Zeitraum enthält verschiedene hydrologische Phänomene wie z. B. die diskontinuierliche Aufsättigung von vorflutnahen Flächen sowie spontane Wasserspiegelschwankungen, welche mittels des Modells abgebildet werden sollen. Die Ergebnisse der instationären Simulationen sind in Abb. 3 dargestellt.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

OP2 OP1

GÜLPER INSEL

OP2 OP1

Mühlenfließ

Abb. 3: Kalibrierungsergebnisse (GW-Stände und GW-Neubildung) für die Teileinzugsgebiete “Gülper Insel” und “Mühlenfließ” für Beobachtungspunkte (OP).

Gemessene und simulierte Grundwasserganglinien zeigen im Allgemeinen zufriedenstellende Übereinstimmungen. Die in Abbildung 3 ebenfalls dargestellten simulierten Grundwasserbilanzen beider Teileinzugsgebiete, resultieren aus dem Verhältnis aus Zu- und Abflüssen. Die Grundwasserneubildung, berechnet unter Einbeziehung der Grundwasser – Oberflächenwasser – Interaktionen, ist größtenteils höher als bei der Simulation ohne Einbeziehung von horizontalen Prozessen. Eine Ausnahme bildet die Periode zwischen 20/10/01 und 05/11/01, zu welchem Zeitpunkt im Teileinzugsgebiet „Gülper Insel“ aufgrund spontaner Absenkung des Oberflächenwasserspiegels starke Exfiltration von Grundwasser auftritt. Dieser Prozess kann bei Simulation von nur vertikalen Prozessen nicht reflektiert werden. Es wird deutlich, dass für die betrachteten Teileinzugsgebiete im simulierten Zeitraum der Einfluss der Grundwasser – Oberflächenwasser – Interaktionen auf den Wasserhaushalt größer ist, als der Einfluss vertikaler Prozesse wie z. B. der Infiltration und Perkolation.

3.2 Modellvalidierung Zur Validierung des Modells wurde der gekoppelte Ansatz für das gesamte Einzugsgebiet der Unteren Havel für den Zeitraum 10/2001 – 10/2002 angewendet. Dieser Zeitraum beinhaltet neben einem Frühsommer mit extremen Niederschlagsintensitäten ebenfalls das Sommerhochwasser im August 2002, als große

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

67

Bereiche der Aue aufgesättigt wurden und für mehrere Wochen unter Wasser standen. In Abb. 4 sind simulierte und beobachtete Grundwasserganglinien für fünf verschiedene Beobachtungsstandorte der Aue (PA, P13, P18, P20) wie auch von Moränenstandorten (P16A) dargestellt. Die Übereinstimmung zwischen simulierten und beobachteten Werten ist zufriedenstellend (Nash & Sutcliff - Mittel 0,68).

P16A P18 P20

PA P13

R2 = 0.57

R2 = 0.44

R2 = 0.53

R2 = 0.80

R2 = 0.66

Abb. 4: Simulationsergebnisse der Modellvalidierung für das gesamte Einzugsgebiet der „Unteren Havel“ und Lage der ausgewählten Beobachtungspegel.

Dies belegt, dass das Model gut geeignet ist, die saisonale Dynamik und räumliche Variabilität der Grundwasserstände sowie die unterschiedlichen Reaktionen des Grundwassers auf das Sommerhochwasser in Abhängigkeit von der Vorflutentfernung abzubilden. Während zum Zeitpunkt des Elbhochwassers im August 2002 nördlich des Untersuchungsgebietes großräumig Polderflächen geflutet und Wehre geöffnet wurden um die Elbpegel zu entlasten, wurden zeitgleich alle im südöstlichen Teil des Einzugsgebiets gelegenen Drainagewehre geschlossen und stillgelegte Schöpfwerke wieder in Betrieb genommen um den Polder „Große Grabenniederung“ (Abb. 5) zu schützen. Diese Prozesse konnten nicht in die Randbedingungen implementiert werden, wodurch die Simulation für diesem Zeitpunkt Szenariencharakter erhält. In Abbildung 5 ist die räumliche Verteilung der simulierten gesättigten bzw. überstauten Flächen im Vergleich zum beobachteten maximalen Flächenüberstau dargestellt. Simulierte und beobachtete Überstauflächen zeigen hierbei eine gute Übereinstimmung. Die bedeutendste Abweichung stellt das Gebiet des Polders „Große Grabenniederung“ dar, welche

68

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

in der Realität nicht überstaut war, es, wie die Simulationsergebnisse zeigen, ohne die erfolgten Maßnahmen jedoch gewesen wäre. Der durch das Abpumpen entstandene Retentionsverlust wurde mit 4,4 Mio m3 berechnet. Dies entspricht einem Anteil von lediglich 5 % der in den nördlichen Poldern während des Hochwassers zurückgehaltenen Menge.

Grosse Grabenniederung

Grosse Grabenniederung

Abb. 5: räumliche Verteilung gesättigter bzw. überstauter Flächen beobachtet (A) vs. simuliert (B) (copyright der Landsat-ETM-Images - DLR & USGS).

Eine der Anforderungen an die Modellsimulationen ist es zu zeigen, dass der Modelansatz in der Lage ist, die räumliche Verteilung des Einflusses des Oberflächenwassers auf die Grundwasserdynamik und die Abnahme diese Einflusses bei steigender Entfernung zur Vorflut prozessadäquat abzubilden. Abbildung 6b zeigt wie die Schwankung der Grundwasseroberfläche an einem Punkt bei zunehmender Entfernung zum Oberflächengewässer abnimmt. Die räumliche Verteilung der jährlichen Grundwasserstandsschwankungen, welche neben der Entfernung von der Vorflut im wesentlichen von der Wasserspiegelschwankung dieser und von den Bodenverhältnissen abhängt, ist in Abbildung 6a dargestellt.

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

69

gw_diff (m) 0 - 0.15 0.15 - 0.3 0.3 - 0.45 0.45 - 0.6 0.6 - 0.75 0.75 - 0.9 0.9 - 1.05 1.05 - 1.2 1.2 - 1.35 1.35 - 1.5

Querschnitt

A

B

Abb. 6: Räumliche Verteilung der simulierten innerjährlichen Grundwasserstandsschwankungen sowie der minimalen / maximalen Grundwasserstände und der Schwankungsamplitude an einem Querschnitt.

4 Szenariensimulationen Um den Einfluss verschiedener Managementoptionen auf den Wasserhaushalt analysieren und quantifizieren zu können, wurde ein umfangreiches Set an verschiedener Landnutzungsszenarien erstellt (Jacobs und Jessel, 2003). Aktuelle Landnutzung

Szenario 2 Maximale Innovation

Szenario1 Minimale Innovation La n d nu tzu n g G e w ä s se r R u de ra lflu r W e id e la nd (e x te ns iv ) W e id e la nd (in te ns iv ) M is ch w a ld N a de lw a ld La u b w ald A ck e r (in te n siv ) A ck e r (g a n zj. b ed e c kt) S ie d lu ng E xte n s ivw eid e B ra ch e

Abb. 7: Landnutzung im aktuellen Zustand und für Szenarien.

70

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Vorgestellt werden Simulationsergebnisse von zwei Szenarien, welche die maximale Bandbreite der Annahmen eingrenzen (Abbildung 7). Szenario 1 beschreibt die Landnutzung unter der Bedingung der Ausnutzung aller bestehenden Regelwerke zur Optimierung der Natur- und Landschaftsschutzfunktionen der Tieflandaue. In Szenario 2 wird eine allein auf Naturschutzziele optimierte Landnutzung angenommen (Tab. 2). Tab. 2: Szenarien und geänderte Landuntzungen. Szenario 1 „Mini- Sommergetreide in ganzjährige Bodenbedeckung, Weide male Innovation“ in Intensivgrünland Szenario 2 „Maxi- Wie Szenario 1, zusätzlich Nadelwald in Laub- und male Innovation“ Mischwald sowie Vorflutnahes Grünland in Auwald

Die räumliche Verteilung der Abweichung simulierter Grundwasserneubildung vom aktuellem Zustand ist für vier Bilanzierungszonen (Abb. 8) in Tabelle 3 dargestellt.

A B D C

A - Bilanzierungszone Ländchen Rhinow B - Bilanzierungszone Kienberg C - Bilanzierungszone Ländchen Schollene D - Bilanzierungszone Flussaue

Abb. 8: Naturräumliche Bilanzierungszonen (BZ) für Szenariensimulation.

Tab. 3: Grundwasserneubildung in absoluten Werten sowie deren Veränderung für die Szenarien in Relation zum aktuellen Zustand (Abnahme - fett, Zunahme kursiv). Szenario

BZ A

BZ B

BZ C

BZ D

Aktuelle Landnutzung

98,8 mm

262 mm

80 mm

208 mm

2. Max. Innovation

142,4 mm

227 mm

47 mm

204,5 mm

(+44,1 %)

(-13,3 %)

(- 41,2 %)

(-1,7 %)

126,3 mm

292 mm

91 mm

161,35 mm

(+27,8 %)

(+11,4 %)

(+13,8 %)

(-22,5 %)

1. Min. Innovation

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

71

Wie die Ergebnisse der Simulation von aktuellen Bedingungen zeigen, schwanken die berechneten vertikalen Grundwasserneubildungsraten im Untersuchungsgebiet räumlich stark (200 mm/a - grundwassernah / 100 mm/a - grundwasserfern). Unter Szenariobedingungen sind die Veränderungen in der Grundwasserneubildung entsprechend den sich verändernden Landnutzungsmustern ebenfalls räumlich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Für Szenario 1 kommt es in der Aue (BZ D), welche aus Naturschutzgründen extensiver genutzt wird, zu einer mehr als 20-prozentigen Abnahme an Grundwasserneubildung. In den zum Ausgleich intensiver agrarisch genutzten Randbereichen steigt die Grundwasserneubildung hingegen an. Unter den Bedingungen von Szenario 2 (Waldumbau und Auwald-Aufforstung) kommt es in den Auenbereichen im Vergleich zu Szenario 1 zu einem Anstieg der Grundwasserneubildung bis auf ein Maß, was dem aktuellen Zustand entspricht. Hieraus wird deutlich, dass Naturschutz-optimierte Szenarien nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Wasserhaushaltsbedingungen oder einer Zunahme der Grundwasserneubildung führen müssen. Da allerdings die Erhöhung der Grundwasserneubildung und das Erreichen eines ausgeglichenen Wasserhaushaltes im Untersuchungsgebiet ebenfalls beschriebene Naturschutzziele sind, erweist sich eine weitere Anpassung dieser Szenarien als notwendig.

5 Zusammenfassung und Ausblick Die präsentierten Ergebnisse belegen, dass es mittels der gekoppelten Simulation von Wasserhaushalts- und Grundwassermodellierung möglich ist, die spezifischen hydrologischen Charakteristika von Flachlandeinzugsgebieten wiederzuspiegeln. Es zeigte sich, dass für großflächige Bereiche der Tieflandaue im simulierten Zeitraum die Interaktionen zwischen Grund- und Oberflächenwasserkörper einen größeren Einfluss auf den Wasserhaushalt haben als vertikale Prozesse. Die räumliche Abhängigkeit dieser Prozesse von der Entfernung und Geometrie der Vorflut konnte zufriedenstellend simuliert werden. Die vorgestellten Szenariensimulationen belegen die Notwendigkeit einer Wasserhaushaltsmodellierung zur zielorientierten Optimierung der Szenarien, da, wie gezeigt wurde, Naturschutz-optimierte Szenarien nicht zu einer Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts oder einer Erhöhung der Grundwasserneubildung beitragen müssen. Die weitere Anpassung der Szenarien, sowie die Simulation von ausgesprochenen Trockenperioden zur Untersuchung der veränderten Retentionsfunktion der Aue unter Szenariobedingungen, werden weitere Schwerpunkte der Arbeiten im Projekt sein.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Literatur Chiang, W.H. & Kinzelbach, W. (1993): Processing Modflow (PM), Pre- and Postprocessors for the simulation of flow an contaminant transport in groundwater systems with MODFLOW, MODPATH, and MT3D. Washington, DC. Chiang, W.H. & Kinzelbach, W. (2001): 3D-Groundwater Modeling with PMWIN – a Simulation System for Modeling Groundwater Flow and Pollution. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York. Harbaugh, A.W. & Mc Donald, M.G. (1996a): User’s documentation for MODFLOW-96, an update to the U.S. Geological Survey modular finitedifference groundwater flow model: USGS Open-File Report 96-485. Harbaugh, A.W. & Mc Donald, M.G. (1996b): Programmer’s documentation for MODFLOW 96, an update to the U.S. Geological Survey modular finitedifference ground-water flow model: USGS Open-File Report 96-486. Jacobs, J. & Jessel, B. (2003): Entwicklung von Landschaftsszenarien als Grundlage für das Management von Flusseinzugsgebieten. UVP-report, H. 2/2003 Krause, S. & Bronstert, A. (2002): Modellierung des Wasserhaushalts im Gebiet der Unteren Havel – Möglichkeiten der Darstellung der Grundwasser- / Oberflächenwasser – Interaktionen mittels Modellkopplung. Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, Heft 1, 2002, S. 83 - 88 Krause, S. & Bronstert, A. (2003): Gekoppelte Modellierung von Abflussbildung und Oberflächenwasser-Grundwasser-Interaktionen in einem Flachlandeinzugsge-biet an der Unteren Havel. In: 6. Workshop zur hydrologischen Modellierung. Kassel University Press, 2003, S. 33 - 44 Niehoff, D. (2002): Modellierung des Einflusses der Landnutzung auf die Hochwas-serentstehung in der Mesoskala. Brandenbg. Umweltberichte, Heft 11, Potsdam Prudic, DE. (1988): Documentation of a computer program to simulate streamaquifer relations using a modular, finite-difference, ground-water flow model , U.S. Geological Survey, Open-File Report 88-729, Carson City, Nevada. 119 S. Rembe, M. and Wenske, D. (1998): The Lake Package - An Additional Boundary Condition For The Modular Three-Dimensional Finite-Difference Ground-Water Flow Model MODFLOW, MODFLOW '98. Colorado School of Mines

WASSERHAUSHALTSSIMULATIONEN AN DER UNTEREN HAVEL

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Schulla, J. (1997): Hydrologische Modellierung von Flussgebieten zur Abschätzung von Folgen der Klimaänderung. Züricher Geographische Schriften, Heft 69. Schulla, J. & Jasper, K. (1999): Modellbeschreibung WASIM-ETH, Zürich.

DER SKALIERUNGSANSATZ GEOKOMPLEXE

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Flächenverteilte Modellierung der Wasserflüsse in einem mesoskaligen Einzugsgebiet – Ergebnisse mit dem Skalierungsansatz „Geokomplexe“ Doris Reichert*), Ralf Ludwig und Wolfram Mauser

Zusammenfassung: Bei mesoskaligen hydrologischen Modellen kommt es durch die hom*ogene Aggregierung von Eingangsdaten nach der Majorität und dem damit verbundenen Informationsverlust zu erheblichen Fehlern in der Modellierung. Das Ziel des Konzeptes der Geokomplexe ist es, diese Abweichungen zu minimieren. Auf der Mesoskala können damit möglichst wenige bis zu [n] Parametersätze subskalig modelliert werden (n>=1). Bei der Generierung der Geokomplexe ist die Hierarchisierung und die daraus folgende Zuordnung von Datenebenen von fundamentaler Bedeutung. In diesem Skalierungsschema kommt der Landnutzung die oberste hydrologische Priorität zu, der durch automatisierte GIS-Operationen jeweils deren häufigste Bodenart und die spezifischen topographischen Größen (Höhe, Gefälle, Exposition) zugeordnet wird. Konzept und Verfahren werden detailliert beschrieben. Die Effizienz dieses Verfahrens wurde mit dem SVAT-Modell PROMET flächenverteilt für das Einzugsgebiet der Ammer (709 km²) untersucht. Modellergebnisse mikroskaliger und mesoskaliger Anwendungen wurden mit dem GeokomplexAnsatz verglichen. Es zeigt sich, dass die Verwendung der Geokomplexe zu deutlichen Verbesserungen insbesondere bei der räumlichen Wiedergabe der modellierten Evapotranspiration bezogen auf die mikroskalige Modellierung führt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dargestellt und diskutiert.

Abstract: Hydrological modelling on the mesoscale with hom*ogenous upscaling of input data according to majority rules reaches significant errors compared to microscale results because of a loss of hydrologically relevant land surface heterogeneity. The concept of geocomplexes was developed to reduce these deviations. With this concept up to [n] subscale parameter sets can be modelled at the mesoscale (n>=1). To generate geocomplexes hierarchy and mapping of data layers are fundamentally *)

Dept. f. Geo- und Umweltwissenschaften der LMU-München, Luisenstraße 37, 80333 München; E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

relevant. To keep both [n] and deviations in model performance compared to microscale simulations as small as possible land use contains the first hydrological priority to which the dominant soil type, mean elevation and slope, and the dominant aspect is assigned. Scaling approach and methodology are described in detail. The effectiveness of the concept is investigated for the Ammer catchment (709 km²), located in the Bavarian Alpine Foreland. Conventional aggregation methods depending on majority rules were compared with the concept of geocomplexes, both referring to the microscale. It is shown with the SVAT-model PROMET that the spatial reproduction of evapotranspiration as a microscale simulation result is closely approximated by the geocomplexes’ result. Compared to former conventional mesoscale applications the concept of geocomplexes leads to vast improvements. Extracted findings are presented and discussed.

1 Skalenfrage Die räumliche Heterogenität hydrologischer Prozesse kann mittels einer guten Datenlage bereits durch eine Reihe von gut eingeführten hydrologischen Prozessmodellen mit hoher Genauigkeit auf der Mikroskala abgebildet werden (Mauser 1997, Schulla 1997, Famiglietti/Wood 1994, Ludwig/ Mauser 2000). Für mesoskalige Einzugsgebiete stellt die Parametrisierung und Anwendung komplexer prozessbasierter Modelle jedoch immer noch eine große Herausforderung dar. Dem Ziel einer realistischen Beschreibung der hydrologischen Abläufe stehen häufig unzureichende Eingangsdatensätze sowie ein unverhältnismäßig hoher Rechenaufwand gegenüber. Bisherige Skalierungsmethoden erreichen ein Hochskalieren von der Mikro- (100 m-Auflösung) auf die Mesoskala (1.000 m-Auflösung) durch das Bilden von Mittelwert- bzw. Majoritätsklassen. Auf diese Weise ergibt die dominierende Klasse der Mikroskala die einzige Klasse auf der Mesoskala, wobei es allerdings zu einem erheblichen Informationsverlust kommt. Dieser und das Auftreten nichtlinearer Prozesse bei der hydrologischen Modellierung sorgen für zum Teil gravierende Fehler, die sich über das gesamte Gebiet aufsummieren. Verfahren, die zum einen die Datenmenge sowie den Rechenaufwand auf der Mesoskala erheblich reduzieren und zum anderen der Mikroskala adäquate Resultate liefern, sind demnach das Ziel hydrologischer Forschung. Ein skalenübergreifender Ansatz soll die erforderliche Verbesserung der mesoskaligen Modellierung erreichen. Das Bündeln der mikroskaligen Informationen kann dabei unter Beibehaltung der hydrologisch relevanten, räumlichen Heterogenität erfolgen. Dabei ist außerdem die Verwendung skaleninvarianter Algorithmen wie der Penman-Monteith Gleichung für die Ver-

DER SKALIERUNGSANSATZ GEOKOMPLEXE

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dunstung Voraussetzung, um die mikroskalige Prozessbeschreibung bei der Modellierung auf der Mesoskala beibehalten zu können (vgl. Raupach & Finnigan 1995).

2 Konzept der Geokomplexe Auf der Mikroskala wird jeder km² (Auflösung: 100 m) von bis zu 100 verschiedenen, ortsgebundenen Parametersätzen aus Landnutzung, Bodenart und Topographie repräsentiert. Im Gegensatz dazu muß auf der hom*ogenen Mesoskala (Auflösung: 1.000 m) ein einziger Parametersatz ausreichen. Dieser Verlust von hydrologisch relevanter Information zieht in der hydrologischen Modellierung auf der Mesoskala besonders in heterogenen Einzugsgebieten enorme Fehler nach sich (vgl. Kap. 1).

2.1 Definition Eine Verbesserung der mesoskaligen Modellierung kann durch eine subskalige Berücksichtigung der hydrologisch wirksamen, räumlichen Heterogenität erfolgen. Durch gezielte Bündelung der heterogenen Landoberflächeninformationen soll damit die Datenmenge innerhalb eines km² zweckmäßig reduziert werden und die hydrologisch relevante räumliche Heterogenität erhalten bleiben. Das Konzept der Geokomplexe wurde für die skalierte, hydrologische Modellierung entwickelt. Die ortsunabhängigen Geokomplexe bestehen jeweils aus einer Kombination von Landnutzung, Bodenart und Topographie, die aus der zugrunde liegenden mikroskaligen Datengrundlage gebildet wird, und dem dazugehörigen prozentualen Flächenanteil (vgl. Abb. 1). Damit können auf der Mesoskala bis zu [n] Parametersätze subskalig modelliert werden (n>=1), wobei die Anzahl der benötigten Geokomplexe möglichst klein gehalten wird, um die Rechenzeit nicht unnötig zu erhöhen. Subskalig bedeutet dabei, dass jedes mesoskalige Rasterelement durch eine Kombination verschiedener hom*ogener Teilflächen, der Geokomplexe, beschrieben wird.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 1: Schematische Darstellung des Konzeptes der Geokomplexe.

Die Energie- und Wasserflüsse der einzelnen Geokomplexe lassen sich mittels des jeweiligen Parametersatzes separat berechnen und flächenproportional aggregieren, unter der Annahme, dass diese linear skalieren. Ziel ist zweierlei: eine zur Mikroskala äquivalente Modellierung der hydrologischen Prozesse auf der Mesoskala und zweitens eine möglichst geringe Anzahl an Rechendurchgängen.

2.2 Prinzip Die Reduktion der Datenmenge innerhalb eines km² erfolgt zweckmäßig, wenn die räumliche Landoberflächenheterogenität erhalten bleibt, da auf diese Weise die Abweichung zwischen den mikro- und mesoskaligen Modellierungen möglichst klein gehalten wird. Entscheidend ist dabei das Verfahren, mit dem möglichst wenige, aber die für die Wasserhaushaltsmodellierung effektiven Geokomplexe generiert werden. Die Effektivität der Geokomplexe wird anhand der Abweichungen ermittelt, die bezogen auf die mikroskalige Modellierung auftreten. Wird die hydrologisch wirksame, räumliche Heterogenität subskalig berücksichtigt, kommt es zu einer Verbesserung der mesoskaligen Modellierung. Von grundlegender Bedeutung ist die Hierarchisierung und die daraus resultierende Zuordnung von Datenebenen in diesem Skalierungsschema. Eine gezielte und hierarchische Aggregierung der Parameter nach deren hydrologischer Priorität stellt die hydrologische Wirksamkeit der Geokomplexe und deren subskaliger Modellierung sicher. Durch die stärkere Gewichtung der hydrologisch sensitivsten Parameter bei der Bildung der Geokomplexe wird eine adäquate Abbildung des Wasserhaushaltes auf der Mesoskala gewährleistet.

DER SKALIERUNGSANSATZ GEOKOMPLEXE

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Dem entscheidenden Einfluss der Landnutzung auf hydrologische und energetische Prozesse kommt insbesondere bei der Aggregierung von der einen auf die andere Skala eine wesentliche Rolle zu, da an dieser Stelle die Auswirkungen auf das Ergebnis einer hydrologischen Modellierung enorm sind. Ursache dafür ist nicht allein deren Einfluss auf hydrologische Flüsse, sondern auch deren besonders große räumliche und zeitliche Variabilität im Gegensatz zu Boden- und Reliefinformationen. Darüber hinaus enthält die Landnutzung implizit bereits Informationen über Boden und Relief. Der Erhalt möglichst großer Vielfalt in der Landnutzungsinformationen wird daher als erste hydrologische Priorität festgelegt, vor dem Erhalt der Bodeninformation an zweiter und der Reliefinformation an dritter Stelle. Die Landnutzung ist ferner ein Parameter, der durch Fernerkundungsmethoden oder Geländekampagnen einfach zu ermitteln und zu aktualisieren ist. Bei einer flächenkonformen Abbildung der Landnutzung des gesamten km² als erste Priorität erfolgt anschließend zu jeder Landnutzungsklasse eine gezielte und hierarchische Aggregierung der anderen Parameter. Einer Landnutzung wird demnach jeweils die modale Bodenart, die mittlere Höhe, das mittlere Gefälle und die modale Exposition zugeordnet (vgl. Kap. 2.3).

2.3 Verfahren Bei der Generierung der Geokomplexe wird die Erhaltung der vollen Flächenrepräsentanz der verschiedenen Landnutzungen als oberste Priorität angesehen. Dazu wird zunächst die mikroskalige Information jedes mesoskaligen Rasterelements in die mikroskaligen Landnutzungsmasken zerlegt, aus denen die jeweiligen Flächenanteile hervorgehen. Den einzelnen Landnutzungsklassen werden anschließend durch automatisierte GIS-Operationen jeweils deren häufigste Bodenart und die spezifischen topographischen Größen (Höhe, Gefälle, Exposition) je km² zugeordnet (vgl. Abb. 2). Für jeden generierten Geokomplex erfolgt eine Modellierung mit einem Flächenanteil von 100 %, bevor anschließend die Ergebnisse mit den einzelnen Flächenanteilen zu einem Gesamtergebnis für das mesoskalige Rasterelement aggregiert werden.

Abb. 2: Schematische Darstellung der Generierung von Geokomplexen.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Vorausgegangene Sensitivitätsstudien am Punkt zeigten bereits, dass durch dieses Verfahren die wesentlichen Flüsse in ausreichender Genauigkeit abgebildet werden konnten und es zu einer hohen Übereinstimmung der subskaligen Ergebnisse mit denen der Mikroskala kommt (vgl. Reichert 2003). Eine weitergehende Aufspreizung der Geokomplexe durch den zusätzlichen Erhalt der Bodeninformationen und die damit verbundene verbesserte Abbildung der mikroskaligen Heterogenität führte zu nur marginalen weiteren Verbesserungen. Da dies jedoch die Rechenzeit durch vermehrte Rechenläufe deutlich erhöhte, wurde bei der folgenden flächenverteilten Modellierung darauf verzichtet (vgl. Kap. 3).

3 Sensitivitätsstudien In Sensitivitätsstudien mit dem GIS-basierten SVAT-Modell PROMET, das in Kapitel 3.2 kurz vorgestellt wird, wurde die Effizienz dieses Verfahrens untersucht.

3.1 Realisierung Mesoskalige und subskalige Modellrechnungen des Einzugsgebietes der Ammer wurden der hochaufgelösten Modellrechnung auf der Mikroskala gegenübergestellt. Mesoskalig bedeutet dabei eine nach Majorität gebildete, hom*ogene Abbildung der Landoberfläche durch eine einzige Kombination aus Landnutzung, Boden und Topographie je km² und subskalig die Umsetzung des Konzeptes der Geokomplexe. Modelliert wurden Tageswerte der Evapotranspiration für das hydrologische Jahr 1997. Das ausgewählte Einzugsgebiet zeichnet sich durch seine physiogeographische Heterogenität bezogen auf die Parameter Landnutzung, Bodenart und Topographie aus. Dabei kann das Einzugsgebiet der Ammer (709 km²) als repräsentativ für den südlichen Teil des Einzugsgebiets der Oberen Donau bis zum Pegel Achleiten bei Passau angesehen werden. Durch die im Süden gelegenen Alpen weist es einen enormen Höhengradienten von 530 m üNN im Norden bis 2.190 m üNN im Süden auf, wie auch einen durchschnittlichen Niederschlag von 1.400 mm/a.

3.2 Wasserhaushaltsmodellierung mit PROMET Das PROzessorientierte Multiskalige EvapoTranspirationsmodell PROMET (Mauser/ Schädlich 1998) berechnet die flächenverteilte, aktuelle Verdunstung heterogener Landoberflächen auf Basis von Wasserverfügbarkeit, Strahlungsbilanz und

DER SKALIERUNGSANSATZ GEOKOMPLEXE

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pflanzenspezifischer, physiologischer Regelmechanismen. Es verfügt dabei über einen rasterorientierten Aufbau, in dem alle Parameter als flächenverteilte Datensätze miteinander verknüpft werden können. PROMET besteht aus fünf interdependent arbeitenden Modulen (Strahlungs-, Bodenwasser-, Pflanzen-, Aerodynamik- und Schneemodul), welche die notwendigen Eingangsdaten für den Kern des Modells, die PENMAN-MONTEITH-Gleichung (Monteith 1965), bereitstellen (vgl. Ludwig 2000). Die einzelnen Bausteine des Modells werden mit statischen und dynamischen Parameterfeldern versorgt. Dabei sind Topographie und Bodenarten zeitlich invariant sowie die Landnutzungsklassen für jedes Jahr konstant. Der spezifische Wachstumsverlauf der Vegetation über die Vegetationsperiode hinweg wird mit pflanzenphysiologischen Parametern simuliert, die in Form von Tabellen an die Landnutzung gekoppelt sind. Der zeitlich und räumlich hochauflösenden Dynamik der Meteorologie wird im Modell mit einer entsprechend hohen zeitlichen Auflösung des Berechnungsinkrements Rechnung getragen.

3.3 Ergebnisse Beim Vergleich der mittleren Evapotranspiration über das gesamte Einzugsgebiet der Ammer über das ganze hydrologische Jahr 1997 mitteln sich die Werte aller Skalen auf etwa 494 mm (493,7 – 495,2 mm). Die Besonderheit liegt im Detail. Räumliche und zeitliche Verteilung zeigen durch die Heterogenität des Einzugsgebietes große Unterschiede. Diese jedoch geht bei der mesoskaligen Modellierung durch die Mittelwert- bzw. Majoritätsbildung weitgehend verloren. So liegt die Standardabweichung (σET) der mikroskaligen Berechnung der Evapotranspiration nach der Skalierung auf eine Auflösung von 1.000 m bei 132 mm. Während die Ergebnisse der mesoskaligen Modellierung eine Standardabweichung von 159 mm aufweisen, erreicht die subskalige Modellierung mit Hilfe der Geokomplexe mit einer Standardabweichung von 133 mm eine deutliche Verbesserung (vgl. Abb. 3).

82

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Mikroskala

Geokomplexe

Mesoskala

494,3 mm mittlere ET

493,7 mm mittlere ET

132 mm σET

133 mm σET

495,2 mm mittlere ET 159 mm σET

Abb. 3: Modellierte Evapotranspiration in [mm]: links: Mikroskala, auf 1.000 m skaliert mitte: Geokomplexe, 1.000 m rechts: Mesoskala, 1.000 m

Betrachtet man die direkten Abweichungen zwischen den Modellierungsergebnissen der Mikro- und der Mesoskala bzw. der Mikroskala und den Geokomplexen, wird die Verbesserung durch die Methode der subskaligen Geokomplexe im Gegensatz zur herkömmlichen Methode der hom*ogenen Aggregierung auf die Mesoskala noch deutlicher (vgl. Abb. 4).

DER SKALIERUNGSANSATZ GEOKOMPLEXE

Mikroskala – Geokomplexe

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Mikroskala – Mesoskala

Abb. 4: Abweichung der modellierten Evapotranspiration in [mm]: links: Mikroskala – Geokomplexe rechts: Mikroskala – Mesoskala

Die Differenz der Modellierungsergebnisse der Geokomplexe zur Mikroskala rangiert zwischen –45 mm und +40 mm, während sich die Differenz der Ergebnisse der Mesoskala zur Mikroskala zwischen –348 mm und +219 mm bewegt. Bei einer Jahresverdunstung über das gesamte Einzugsgebiet von 494 mm bedeutet dies einen Fehler von bis zu 70 %, während der Fehler durch die Geokomplexe auf maximal 11 % reduziert wird. Die Hauptursache dieser Verbesserung liegt in der kompletten Abbildung aller vorhandenen Landnutzungen mit den jeweiligen Flächenanteilen bei einer nur leicht erhöhten Anzahl von Rechenläufen.

4 Schlussbetrachtung Die subskalige Beschreibung des mikroskaligen Parameterraumes auf der Mesoskala ermöglicht es dem Konzept der Geokomplexe bei der hydrologischen Modellierung weitaus geringere Abweichungen vom mikroskaligen Ergebnis zu machen, als es mit einer einfachen Majoritätsbestimmung möglich ist. Flächenverteilte Modellierungen eines mesoskaligen Einzugsgebiets zeigten, dass sich sowohl subskalige

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

als auch mesoskalige Ergebnisse über die gesamte Fläche und das hydrologische Jahr hinweg gut an das Ergebnis der Mikroskala angleichen. Gravierende Unterschiede bestehen jedoch in der räumlichen Wiedergabe innerhalb des heterogenen Gebietes. Geokomplexe repräsentieren die Heterogenität der Fläche auf der Mesoskala sowohl insgesamt als auch punktuell deutlich besser als eine hom*ogene Aggregierung nach Majorität, ohne dabei einen wesentlich größeren Datensatz oder Rechenaufwand zu benötigen. Die Konsequenz ist eine erhebliche Verbesserung der Interpretierbarkeit der hydrologischen Ergebnisse beispielsweise für Entscheidungsträger. Das weitergehende Ziel ist es, durch folgende Sensitivitätsanalysen das Verfahren der Generierung der Geokomplexe dahingehend zu verfeinern, durch abgeleitete Aggregierungsregeln eine zusätzliche Datenreduzierung zu erreichen, was den Rechenaufwand weiter minimiert.

Danksagung: Die präsentierte Studie wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des Projektes GLOWA-Danube der GLOWA-Initiative, von den Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Kunst Bayern und Baden-Württemberg und den Universitäten München, Freiburg und Stuttgart. Wir möchten uns ferner beim Deutschen Wetterdienst, dem Bayrischen Landesvermessungsamt, den Landesämtern für Wasserwirtschaft Bayern und Baden-Württemberg, der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, den Statistischen Landesämtern Bayern und Baden-Württemberg und dem Büro der Tiroler Landesregierung für die Bereitstellung von Daten bedanken.

Literatur Famiglietti, J.S. & Wood, E.F. (1994): Multiscale Modelling of spatially variable water and energy-balance processes. In: Water Resources Research, Vol. 30, S. 3061-3078. Mauser, W. (1997): Mesoscale Modeling of Evapotranspiration using Remote Sensing Data. In: Proceedings SPIE, Vol. 2959: S. 108-118. Mauser, W. & Schädlich, S. (1998): Modelling the spatial distribution of evapotranspiration on different scales using remote sensing data. In: J. of Hydrology, S. 212-213, 250-267.

DER SKALIERUNGSANSATZ GEOKOMPLEXE

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Monteith, J.L. (1965): Evaporation and the environment. Symp. In: Soc. Expl. Biol., 19, S. 205-234. Ludwig, R. (2000): Die flächenhafte Modellierung von Wasserhaushalt und Abflußbildung im Einzugsgebiet der Ammer. Münchener Geographische Abhandlungen, Reihe B, Band 32. Ludwig, R. & Mauser, W. (2000): Modelling Catchment Hydrology within a GISbased SVAT model framework. In: Hydrology and Earth System Science HESS, Vol. 4(2), S. 239-249. Raupach, M.R. & Finnigan, J.J. (1995): Scale Issues in Boundary-layer Meteorology: Surface Energy Balances in Heterogeneous Terrain. In: Kalma, J.D. and Sivapalan, M. (Hrsg.): Scale Issues in Hydrological Modelling, S. 345-368, Chichester, 1995. Reichert, D, Ludwig, R., Mauser, W. (2003): Subskalige Modellierung hydrologischer Prozesse in mesoskaligen Einzugsgebieten. In: Hennrich, K., Rode, M., Bronstert, A. (Hrsg.): 6. Workshop zur großskaligen Modellierung in der Hydrologie - Flussgebietsmanagement, S. 21-32, Kassel, 2003. Schulla, J. (1997): Hydrologische Modellierung von Flussgebieten zur Abschätzung der Folgen von Klimaänderungen. Swiss Federal Institute of Technology, Diss ETH, Switzerland, Nr. 12018.

SKALENABHÄNGIGE MODELLIERUNG DES WASSERHAUSHALTS

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Skalenabhängige Modellierung des Wasserhaushalts im Flusseinzugsgebiet der Rur Bogena, H.*), Herbst, M., Kunkel, R., Vereecken, H. und Wendland, F.

Zusammenfassung: Im Rahmen des Forschungsprojekts MOSYRUR des Forschungszentrum Jülich wurde eine skalenabhängige Modellierung des Wasserhaushalts im Flusseinzugsgebiet der Rur durchgeführt. Auf der Mikroskala wurden prozessbasierte Modellansätze eingesetzt, während die Modellierung auf der Makroskala auf verallgemeinerten Ansätzen beruhten. Für eine konsistente skalenübergreifende Berechnung der Wasserhaushaltsgrößen ist es notwendig, die sich aus den unterschiedlichen Datengrundlagen und Modellannahmen ergebenen Skalierungseffekte zu untersuchen. Die Untersuchung zeigte, dass die Eingangsdaten die räumliche Verteilung der Modellergebnisse im hohen Maße beeinflussen. Die Unterschiede der räumlich gemittelten Modellergebnisse fielen hingegen gering aus. Die eingesetzten Modelle lieferten nach Harmonisierung der Eingangsdaten vergleichbare Ergebnisse.

Abstract: Water balances are determined by processes of various spatial and temporal scales. For different aspects of a water balance different model approaches are suitable. In order to achieve consistent results over a range of scales, it is necessary to analyse the influence of scaling effects. On the basis of this analysis it is possible to evaluate to which degree input data and process representation influence the model results. The investigations presented here were carried out within the framework of the MOSYRUR project of the Research Centre Jülich. In this project the main water balance components were determined for three test areas at different spatial scales using different model approaches. At the microscale, process-based model approaches were used, whereas the simulations at the meso- and macroscale are based on conceptual model approaches. In order to ensure spatial and temporal consistency of the simulations, the effects of the input data on the model results were analysed. Furthermore, the results of the different model approaches were compared using the same data sets. The analyses showed that the input data might influence the spatial distribution of the model results to a high degree whereas the differences of spatially averaged water balance components are less significant. *)

Forschungszentrum Jülich, STE, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

1 Einführung Die den Wasserhaushalt bestimmenden Prozesse weisen sehr variable räumliche und zeitliche Skalen auf (Blöschl & Sivapalan, 1995). Bei der Betrachtung unterschiedlicher Aspekte des Wasserhaushalts in einem Flusseinzugsgebiet ist es aus diesem Grunde oft sinnvoll, an die jeweilige Skala der Prozesse angepasste hydrologische Modelle einzusetzen. Im Sinne einer konsistenten skalenübergreifenden Berechnung der Wasserhaushaltsgrößen ist es notwendig, die sich aus den unter-schiedlich skalierten Datengrundlagen und Modellannahmen ergebenden Skalierungseffekte zu untersuchen. Im Rahmen des Forschungsprojekts MOSYRUR des Forschungszentrum Jülich werden Wasser- und Stoffhaushaltsmodellierungen auf verschiedenen Skalenebenen durchgeführt. Als Grundlage für die Modellierungen dienen die Modelle TRACE (Vereecken et al., 1994) und GROWA (Kunkel & Wendland, 2002). Neben der Erfassung des quantitativen Wasserhaushalts und der Simulation des Transportes gelöster Nähr- und Schadstoffe in Boden und Grundwasser ist die Untersuchung von Skalierungseffekten ein Hauptziel des Projekts.

2 Untersuchungsgebiete In Abb. 1 sind die im Rahmen des Projekts MOSYRUR ausgewählten Teilgebiete dargestellt. Das Gesamteinzugsgebiet der Rur mit einer Gesamtfläche von 2354 km² repräsentiert die Makroskala. Etwa 157 km² (6,7%) des Rur-Einzugsgebiets entfallen auf belgisches und etwa 108 km² (4,6%) niederländisches Staatsgebiet.

Abb. 1: Teilgebiete im Projekt MOSYRUR.

SKALENABHÄNGIGE MODELLIERUNG DES WASSERHAUSHALTS

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In dem mesoskaligen, etwa 275 km² großen Teileinzugsgebiet der mittleren Rur wurde ein Modell entwickelt, mit dessen Hilfe die wesentlichen Einflussgrößen auf den Grundwasserhaushalt, wie z.B. anthropogene Eingriffe in den Wasserhaushalt ermittelt werden (Schulze & Wendland, 2003). Ein etwa 20 km² großes Teilgebiet der mittleren Rur wurde als mikroskaliges Testgebiet ausgewählt. Für dieses Teilgebiet wurde die Zusickerung zum Grundwasser und der Transport von gelösten Stoffen im Grundwasserleiter dreidimensional und zeitlich hochaufgelöst mit dem Modell TRACE modelliert (Herbst et al., 2003).

3 Methodik 3.1 Datengrundlagen Tab. 1: gibt Auskunft über die für die Untersuchung verwendeten Datengrundlagen. Datensätze

Mikroskala (Teilgebiet der mittleren Rur)

Makroskala (Flusseinzugsgebiet der Rur)

Klima

Tägliche Werte Klimastation FZ-Jülich

Langjährige Mittel 1979-1999 Deutscher Wetterdienst

Boden

BK50 (1:50.000) Geologischer Dienst NRW DGK5 Boden (1:5.000) Landesvermessungsamt NRW

BK50 (1:50.000) Geologischer Dienst NRW

Flurabstand

Grundwassermeßstellen (Rheinbraun, FZJ, Erftverband)

BK50 (1:50.000) Geologischer Dienst NRW

Geologie

HK25 (1:25.000) Landesumweltamt NRW

HK100 (1:100.000) Geologischer Dienst NRW

Bodenbedeckung

DLM25 (1:25.000) Statistisches Bundesamt

CORINE (1:100.000) Statistisches Bundesamt

DGM

DGM5 Landesvermessungsamt NRW

DGM25 Landesvermessungsamt NRW

3.2 Das GROWA-Modell Zur Berechung der realen Verdunstungshöhen ETrealgwfern grundwasserferner Standorte kombiniert das rasterbasierte GROWA-Modell in Anlehnung an Renger & Wessolek (1996) in einem konzeptionellen Ansatz meteorologische Flächendaten (Winter-, Sommerniederschlag und potenzielle Evapotranspiration) mit Standortfaktoren (Landnutzung, Boden- und Reliefeigenschaften):

90

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

ETrealgwfern = hRelief [ a·Nwi+b·Nso+c·log( Wpfl )+d·ETpot+e ]-f·G hRelief a,b,c,d,e Nwi, Nso, Wpfl ETpot f·G

(1)

: Relieffaktor nach Golf (1981) : Landnutzungsspezifische Faktoren : Winter- und Sommerniederschlag : Pflanzenverfügbares Bodenwasser : Potenzielle Evapotranspiration nach Wendling : Term zur Berücksichtung der Versiegelung

Für grundwassernahe Standorte wird angenommen, dass die reale Verdunstung einer maximalen Verdunstung (ETmax) entspricht, die sich nach ATV-DVWK (2002) mit Hilfe eines standortspezifischen Faktors g berechnen lässt:

ETrealgwnah = g(Landnutzung, nutzbare Feldkapazität, Relief)·ETpot = ETmax

(2)

Die Grundwasserneubildungsrate wird über einen konstanten Anteil des Gesamtabflusses (BFI-Wert) beschrieben. Die für die Modellierung verwendeten BFI-Werte wurden auf Basis von rund 200 Pegeln kalibriert und decken alle wesentlichen Standortfaktoren in Nordrhein-Westfalen ab (Bogena et al., 2004).

3.3 Das TRACE-Modell Das TRACE-Modell ist in der Lage den Wasserfluss für mikro- bis mesoskalige Boden-Grundwassersysteme auf Basis finiter Elemente dreidimensional und zeitlich hochaufgelöst zu simulieren. Die Wasserflüsse werden durch die numerischer Lösung der Richards‘ Gleichung unter Verwendung eines modifizierten Picard-Iterationsschemas (Celia et al., 1990) berechnet. Die reale Verdunstung wird auf Basis von berechneten potentiellen Verdunstungshöhen nach PenmanMonteith (Smith et al., 1996) und einem Ansatz von Feddes et al. (1978) zur Reduktion der Transpiration berechnet. Zur zeitlich diskreten Berechnung von LAI (leaf area index) und Durchwurzelungstiefe wurde das Pflanzenwachstumsmodell SUCROS (Splitters et al., 1988) in TRACE integriert.

3.4 Vorgehensweise Bei dieser Untersuchung wird grundsätzlich zwischen Skalierungseffekten unterschieden, die sich durch unterschiedlich skalierte Eingangsdaten ergeben und solchen die aufgrund verschiedenartiger Modellansätze hervorgerufen werden. Aus diesem Grunde wurde eine zweistufige Analyse vorgenommen.

SKALENABHÄNGIGE MODELLIERUNG DES WASSERHAUSHALTS

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Zunächst werden die mit dem GROWA-Modell auf der Makroskala berechneten realen Verdunstungshöhen (50 m-Raster) mit denen verglichen, die mit dem gleichem Modell auf der Mikroskala (5 m-Raster) erzielt worden sind. Der Vergleich wird für das mikroskalige Testgebiet durchgeführt, wobei ein Bezugsraster mit einer Kantenlänge von 200 m für die Korrelationsberechnung verwendet wird. Dieses Bezugsraster wurde gewählt, da es der räumlichen Auflösung des TRACE-Modells entspricht. Weiterhin wird schrittweise der makroskalige Datensatz durch mikroskalige Daten ersetzt, um datenspezifische Aussagen treffen zu können. Der zweite Teil der Analyse beinhaltet den Vergleich der unterschiedlichen Modellansätze GROWA und TRACE. Hierbei wurden die Eingangsdaten beider Modelle vereinheitlicht, um zu verhindern, dass datenspezifische Beeinflussungen vorliegen. Hierzu wurden die mikroskaligen Datensätze für das GROWA-Modell (5 m-Raster) auf die räumliche Diskretisierung des TRACE-Modells (200 m-Raster) transformiert.

4 Ergebnisse 4.1 Vergleich unterschiedliche Datengrundlagen In Abb. 2 und Abb. 3 sind die mit dem GROWA-Modell berechneten Verdunstungshöhen dargestellt, wobei im ersten Fall (Abb. 2) der makroskalige und im zweiten Fall (Abb. 3) der mikroskalige Datensatz verwendet wurde.

Abb. 2: Mit GROWA berechnete reale Verdunstungshöhen für die Periode 19791999 unter Verwendung des makroskaligen Datensatzes (50 m-Raster).

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 3: Mit GROWA berechnete reale Verdunstungshöhen für die Periode 19791999 unter Verwendung des mikroskaligen Datensatzes (5 m-Raster).

Abb. 4: Korrelationsdiagramme der mit den makroskaligen und mikroskaligen Datensätzen ermittelten realen Verdunstungshöhen (GROWA-Modell). In Abb. 4 sind zum Vergleich der verschiedenen Simulationsläufe a), b) und c) Korrelationsdiagramme dargestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Datensätze kommt es im Fall a) zu starken räumlichen Differenzen in den berechneten Verdunstungshöhen mit Abweichungen in den einzelnen Bezugselementen von über 400 mm/a. Dementsprechend ist das Bestimmtheitsmaß im Fall a) mit 0,48 relativ niedrig. Diese Abweichungen gleichen sich allerdings bei einer räumlichen Mittelung wieder aus (Differenz 4 mm/a). Durch Integration von Landnutzungs-

SKALENABHÄNGIGE MODELLIERUNG DES WASSERHAUSHALTS

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informationen (Waldkategorien) aus CORINE in das DLM25 konnte eine leichte Verbesserung des Bestimmtheitsmaßes erzielt werden (Fall b, r²: 0,54). Bei Zugrundelegung des CORINE-Datensatzes für die mikroskalige Modellierung wurde eine wesentliche Erhöhung des Bestimmtheitsmaßes bewirkt (Fall c, r²: 0,93). Dies belegt die besondere Bedeutung der Landnutzung für die räumliche Verteilung der Modellergebnisse. Die verbliebenden Abweichungen ergeben sich in erster Linie durch die unterschiedlichen Grundwasserflurstände. Laut BK50 sind im betrachteten Untersuchungsgebiet keine grundwasserbeeinflussten Böden vorhanden, wohingegen auf Basis der Grundwassermessstellen verbreitet Flurabstände unter 1 m ermittelt wurden. Dies führte z.T. zur Berechnung deutlich höherer realer Verdunstungshöhen auf der Mikroskala. 4.2 Modellvergleich Mit dem TRACE-Modell wurden die Wasserflüsse im Boden und Grundwasser für den Zeitraum von 1983 bis 1993 simuliert. Das Modellergebnis wurde anhand von Grundwassermessstellendaten validiert (Abb. 5).

Abb. 5: Gemessene und von TRACE simulierte Grundwasserganglinien für den Zeitraum von 1983 bis 1993; IA: Index of agreement (Willmott, 1981).

Bei dem Modellvergleich werden die mit den Modellen TRACE und GROWA berechneten realen Verdunstungshöhen für das Teilgebiet der mittleren Rur gegenübergestellt (Abb. 6).

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 6: Mit GROWA und TRACE berechnete reale Verdunstungshöhen im Testgebiet für die Periode 1983-1993 unter Verwendung des gleichen Datensatzes (FE-Weite 200 m). Die mit dem TRACE-Modell simulierten Verdunstungshöhen wurden zunächst mit den auf Basis des mikroskaligen Datensatzes und dem Modell GROWA erzielten Verdunstungshöhen (siehe Abb. 3) verglichen (Fall a), Abb. 7).

Abb. 7: Korrelationsdiagramme der mit den Modellen GROWA und TRACE ermittelten realen Verdunstungshöhen.

Wie bereits in Kap. 3.1 ergeben sich starke räumliche Abweichungen durch die unterschiedlich skalierten Datengrundlagen zur Landnutzung, hier aufgrund der

SKALENABHÄNGIGE MODELLIERUNG DES WASSERHAUSHALTS

95

unterschiedlichen Auflösung (5 m und 200 m). Das Bestimmtheitsmaß ist im Fall a mit 0,18 sehr gering, allerdings weichen die räumlich gemittelten Verdunstungshöhen nur geringfügig voneinander ab (17 mm/a bzw. 3,5%). Wird bei der Berechnung der Verdunstung mit dem GROWA-Modell der gleiche Landnutzungsdatensatz zugrunde gelegt, erhöht sich das Bestimmtheitsmaß auf 0,40. Wird der gesamte Datensatz für die GROWA-Berechnung angeglichen, so erhöht sich das Bestimmtheitsmaß noch einmal auf 0,47. Erst in diesem Fall kann man von einem wirklichen Modellvergleich sprechen, da räumliche Skalierungseffekte auf Grundlage der Daten ausgeschlossen sind. Bei gleicher Landnutzung simuliert TRACE eine höhere Variabilität der Verdunstung. Dies beruht auf die im TRACE-Modell explizit berücksichtigte Grundwasserdynamik gegenüber dem statischen Ansatz des GROWA-Modells. Der Vergleich zeigt jedoch, dass trotz deutlich unterschiedlicher Modellkonzeption vergleichbare Modellergebnisse erzielbar sind.

5 Diskussion In dem Projekt MOSYRUR wurde zum Einen das prozessorientierte Modell TRACE zur Modellierung von Wasser- und Stofftransportprozessen auf der Mikroskala und mit einer täglichen Auflösung eingesetzt. Des Weiteren wurde das empirische Wasserhaushaltsmodell GROWA zur Modellierung von Wasser- und Stoffstrombilanzen für langjährige Mittelwerte auf der Makroskala verwendet. In dieser Untersuchung wurden diese Modelle zur Berechnung der realen Verdunstung in einem mikroskaligen Teilgebiet der mittleren Rur (ca. 20 km2) eingesetzt, um Skalierungseffekte bezüglich der Datengrundlagen bzw. des Modellansatzes zu untersuchen. Es zeigte sich, dass die räumlich gemittelten Verdunstungshöhen für Datengrundlagen unterschiedlicher Skala und für die eingesetzten Modelle annähernd identisch sind. Durch Kombination von CORINE- und DLM25-Daten können allerdings leichte Verbesserungen bezüglich der räumlichen Abbildung der Verdunstung erzielt werden. Es konnte weiterhin festgestellt werden, dass bei gleicher Datengrundlage die räumliche Struktur der realen Verdunstung trotz unterschiedlicher Modellkonzepte auf der Mikroskala vergleichbar ist. Andererseits zeigte die Untersuchung auch, dass sich größere räumliche Abweichungen bei den Modellergebnissen ergeben können, was überwiegend aus dem Einsatz unterschiedlicher Landnutzungsdaten resultiert. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass dieser Modellvergleich keine Modellvalidierung darstellt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen deuteten aller-

96

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

dings daraufhin, dass das GROWA-Modell unter vergleichbaren Randbedingungen auch auf der Makroskala in der Lage ist, die räumliche Verteilung der realen Verdunstung realistisch zu berechnen. Bei einer makroskaligen Anwendung des Modells gilt es allerdings zu beachten, dass die Möglichkeit kleinräumige Aussagen zu treffen insbesondere von den verwendeten Landnutzungsdaten abhängig ist.

Literatur Bogena H., Kunkel, R., Schöbel, T., Schrey, H.P. & Wendland, F. (2004): Distributed modelling of groundwater recharge at the macroscale.- Ecological Modelling (in print). Celia, M.A., Bouloutas E.T. & Zarba, R.L. (1990). A general mass-conservative numerical solution for the unsaturated flow equation. Water Res. Research, 26(7): 1483-1496. Golf, W. (1981): Ermittlung der Wasserressourcen im Mittelgebirge.- Wasserwirt-schaft-Wassertechnik, 31: 93-95. Herbst, M., Ciocanaru, M., Hardelauf, H., Harms, R. & Vereecken, H. (2003): Modelling the regional scale transport of pesticides.- In: Hennrich, K., Rode, M., Bronstert, A. (Hrsg): Flussgebietsmanagement, Beiträge zum 6. Workshop zur großskaligen Modellierung in der Hydrologie am 28./29.11.2002 in Magdeburg, Kassel University Press. Kunkel, R. & Wendland, F. (2002): The GROWA98 model for water balance analysis in large river basins - the river Elbe case study.- J. Hydrol., 259, 152-162. Renger, M. & Wessolek, G. (1996): Berechnung der Verdunstungsjahressummen einzelner Jahre. In: DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, 238, Bonn. Smith, M., Allen, R. & Pereira, L. (1996). Revised FAO Methodology for crop water requirements. FAO-Report; 10 S. Schulze, M. & Wendland. F (2003): Entwicklung eines integrierten Grundwasserbilanzmodells zur Ermittlung der nachhaltig nutzbaren Grundwassermenge am Beispiel der Mittleren Rur.- In: Hennrich, K., Rode, M., Bronstert, A. (Hrsg): Flussgebietsmanagement, Beiträge zum 6. Workshop zur großskaligen Modellierung in der Hydrologie am 28./29.11.2002 in Magdeburg, Kassel University Press.

SKALENABHÄNGIGE MODELLIERUNG DES WASSERHAUSHALTS

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Spitters, C.J.T.,van Keulen H.& H. van Kraalingen. (1988). A simple but universal crop growth simulation model, SUCROS87. In R. Rabbinge, H. Van Laar & Ward (ed), Simulation and system management in crop protection. Simulation Monographs. PUDOC, Wageningen. Vereecken, H., Lindenmayr, G., Neuendorf, O., Döring, U. & Seidemann, R. (1994). TRACE A mathematical model for reactive transport in 3D variably saturated porous media, Internal Report KFA-ICG-4-501494, Jülich. Willmott, C.J. (1981). On the validation of models.- Physical Geography, 2: 184194.

RÄUMLICHE ÜBERTRAGBARKEIT VON MODELLPARAMETERN

99

Analyse der räumlichen Übertragbarkeit von Modellparametern konzeptioneller hydrologischer Modelle in Benin (West-Afrika) Helge Bormann*) und Bernd Diekkrüger

Zusammenfassung: Das konzeptionelle, hydrologische Modell UHP wurde im Térou-Einzugsgebiet (3133km2) in Zentral-Benin (subhumide Tropen) erfolgreich kalibriert und mittels split-sampling-Test validiert. Eine Anwendung des Modells auf andere Teileinzugsgebiete des oberen Ouémé (Zielgebiet des IMPETUS-Projekts) mit vergleichbaren Einzugsgebietseigenschaften ergab vergleichbar gute Ergebnisse in Bezug auf Modelleffizienz und Simulation der Wasserbilanz, ohne dass das Modell erneut kalibriert wurde. Aufgrund der geringen Dichte der Niederschlagsstationen, hoher Ausfallraten der Stationen und der hohen raumzeitlichen Variabilität des Niederschlags wird der Frage nachgegangen, inwieweit die guten Modellergebnisse durch das Bestimmen des „richtigen“ Gebietsniederschlags erreicht werden. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchungen ist, dass bei der Validierung des Modells in den benachbarten Einzugsgebieten die Verwendung der maximalen Niederschlagsinformation im Gegensatz zur Kalibrierung des Modells nicht zum optimalen Modellergebnis führt.

Abstract: The conceptual hydrological model UHP has been applied in the humid tropics of Benin, West Africa. It has been successfully calibrated and validated for the mesoscale Térou catchment (3133 km2) in central Benin. Transferring the model to other mesoscale catchments in the upper Ouéme region showing similar catchment characteristics leads to a comparable simulation quality (e.g. model efficiency, water balance). Based on the low density of rainfall stations, their unreliable functioning and the high spatio-temporal variability of rainfall in the region the question arises whether the quality of the model results is strongly determined by the calculation of the “right” catchment precipitation. Validation of the model in the neighboured catchments was successful, but the best model results were not achieved using maximum information on catchment rainfall (using data of all rainfall gauges). This is contradictory to the results of the calibration procedure. *)

Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, Universität Oldenburg, 26111 Oldenburg, E-Mail: [emailprotected]

100

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

1 Einführung Für die Vorhersage des zukünftigen hydrologischen Verhaltens von regionalen Einzugsgebieten werden in vielen global-change-Untersuchungen hydrologische Modelle in Gebieten eingesetzt, die nur eine begrenzte Datenverfügbarkeit aufweisen (Andersen et al., 2001, Bronstert et al., 2000, Gaiser et al., 2003). Auch für diese Gebiete müssen Vorhersagen getroffen werden, um globale Abschätzungen der Auswirkungen von Umweltveränderungen machen zu können. Aufgrund der begrenzten Datenverfügbarkeit können prozessorientierte Modelle oft nur schwer parametrisiert werden, so dass zuweilen auf konzeptionelle Modelle zurückgegriffen werden muss. Im Rahmen des IMPETUS Projekts (Integrales Management-Projekt für einen effizienten und tragfähigen Umgang mit Süßwasser in Westafrika), das im Rahmen des GLOWA-Programms des BMBF gefördert wird, werden u.a. die Wasserflüsse von mesoskaligen Einzugsgebieten innerhalb des oberen Ouémé-Einzugsgebietes in Zentral-Benin simuliert. Auch hier reichen die verfügbaren Informationen über Böden, Vegetation und Klima nicht aus, um ein physikalisch basiertes Modell anzuwenden (Bormann et al., 2002). Aus der verfügbaren Bodenkarte können ebenso wenig bodenhydrologische Parameter abgeleitet werden wie aus den verfügbaren Niederschlagsdaten räumlich verteilte Intensitäten des Niederschlags. Deshalb wurde ein konzeptionelles und räumlich konzentriertes Modellkonzept eingeführt, das der Datenlage Rechnung trägt (Bormann & Diekkrüger, 2003a). Im Rahmen dieser Arbeit wird nun untersucht, ob die Modellparameter des UHPModells (Bormann & Diekkrüger, 2003b), das für die Anwendung im IMPETUS-Projekt in Benin konzipiert und für das Térou-Einzugsgebiet bis zum Pegel Wanou (3133 km2) kalibriert wurde, auf andere benachbarte Einzugsgebiete übertragen werden können. Dabei wird zum einen geprüft, ob das Modell bei einer Übertragung der Parameter validiert werden kann, zum anderen werden die Niederschlagsdaten analysiert, die zur Berechung der Gebietsniederschläge verwendet werden.

2 Methodik 2.1 Das Einzugsgebiet des oberen Ouémé Die Arbeiten im IMPETUS-Projekt konzentrieren sich auf das Einzugsgebiet des oberen Ouémé in Zentral-Benin. Es hat eine Größe von ca. 15.000 km2 und ist durch ein flaches Relief und eine ausgeprägte Feuchtsavannenlandschaft gekennzeichnet. Die Savanne ist durch einen zunehmend hohen Anteil an landwirt-

RÄUMLICHE ÜBERTRAGBARKEIT VON MODELLPARAMETERN

101

schaftlichen Flächen mosaikartig unterbrochen, da zum einen das Bevölkerungswachstum erheblich ist (ca. 3%/a) und zum anderen viele Menschen u.a. aus dem trockeneren Norden in das Einzugsgebiet migrieren und sich dort niederlassen. Der mittlere Jahresniederschlag liegt bei ca. 1.100 mm, wobei sowohl die Niederschläge als auch das Abflussgeschehen einer großen Saisonalität unterliegen. Die Trockenzeit, in der nahezu kein Niederschlag fällt, dauert von November bis März/April, die Regenzeit von April/Mai bis Oktober. Die Datenverfügbarkeit für Ouémé-Einzugsgebiet (Abb. 1) reicht für eine prozessorientierte hydrologische Modellanwendung nicht aus (Bormann et al., 2002). An räumlichen Daten sind zwar die Bodenkarte 1:200.000, eine von Landsat-Daten abgeleitete Vegetationsklassifizierung (RSRG, Uni Bonn) und ein von russischen topographischen Karten 1:200.000 abgeleitetes digitales Geländemodell verfügbar. Diese Daten haben aber nicht Informationsgehalt, Qualität und Auflösung vergleichbarer mitteleuropäischer Datensätze. An Zeitreihen sind Klimadaten von einer Station knapp außerhalb des Einzugsgebietes (Parakou) von 1962-2001 und Niederschlagsdaten in täglicher Auflösung je nach Zeitraum von zwei bis 43 Stationen im Einzugsgebiet vorhanden, wobei oft größere Fehlzeiträume auftreten und z.T. Daten ganzer Jahre fehlen. Abflussdaten stehen von zehn Pegeln im gesamten Einzugsgebiet zur Verfügung, wovon in dieser Untersuchung sieben verwendet werden (Abb. 1).

Abb. 1: Teileinzugsgebiete und Pegelstationen im oberen Ouémé-Einzugsgebiet.

102

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

2.2 Das konzeptionelle hydrologische Modell UHP In dieser Studie wird das konzeptionelle, hydrologische Modell UHP eingesetzt, das den nur begrenzt verfügbaren räumlichen Eingangsdaten Rechnung trägt. Das UHP-Modell ist kalibrierbar, räumlich konzentriert und beinhaltet die wesentlichen Abflussbildungsprozesse. Es basiert auf vier in Reihe geschalteten Speichern: Interzeptionsspeicher, Wurzelzonenspeicher, Bodenspeicher und Grundwasserspeicher (Abb. 2). Wesentliche Modellkomponente des Modells ist die Berechnung der potentiellen Evapotranspiration nach Priestley-Taylor (Priestley & Taylor, 1972). Durch lineare Reduktion über die Füllung des Wurzelzonenspeichers wird die aktuelle Evapotranspiration (ETA) berechnet, wobei die ETA zunächst den Interzeptionsspeicher leert, dessen Größe proportional zum Blattflächenindex ist. Der Oberflächenabfluss wird nach der curve-numberMethode des SCS berechnet (SCS, 1972), das verbleibende Wasser infiltriert in den Boden und kann bei Sättigung des Wurzelzonenspeichers in den ungesättigten Bodenspeicher perkolieren (lineare Speicherkonstante). Interflow entsteht, wenn im ungesättigten Bodenspeicher Sättigung auftritt, ansonsten perkoliert das Wasser weiter in den Grundwasserspeicher. Basisabfluss entsteht schließlich als linearer Ausfluss aus dem Grundwasserspeicher bei Überschreiten einer minimalen Speicherfüllung. Das Modell ist räumlich auf Teileinzugsgebietsebene diskretisiert, und die Berechung erfolgt in Tagesschritten. Die resultierende Ganglinie am Einzugsgebietsauslass wird durch Superposition der Ganglinien der Teileinzugsgebiete berechnet. Niederschlag Interzeptionsverdunstung

Interzeptionsspeicher aktuelle Verdunstung

Bestandesniederschlag

Wurzelzone

Oberflächenabfluss Perkolation

Interflow

ungesättigte Bodenzone

Grundwasserneubildung

Grundwasserspeicher

Basisabfluss minimaler Wasserstand

Abb. 2: Aufbau des konzeptionellen hydrologischen Modells UHP.

RÄUMLICHE ÜBERTRAGBARKEIT VON MODELLPARAMETERN

103

3 Modellanwendung und Validierung im oberen Ouémé Das UHP-Modell wurde zunächst erfolgreich im Térou-Einzugsgebiet angewendet (3133 km2, Teileinzugsgebiet des oberen Ouémé). Kalibriert wurde das Modell für den Pegel Térou-Wanou durch Optimierung der model efficiency (Nash & Sutcliffe, 1970) über den Zeitraum von 7 Jahren (1993-1999). Die Validierung erfolgte zunächst nach dem split-sampling-Verfahren (Refsgaard & Storm, 1996) mit den Daten des Jahres 2000 (Abb. 3). Sobald weitere Daten verfügbar sind, kann der Validierungszeitraum ausgedehnt werden. Die Güte der Simulationen für den Kalibrierungszeitraum und den Validierungszeitraum ist vergleichbar (Tab. 1).

.

300

gemessen simuliert

250

Abfluss [m³/s]

200 150 100 50 0 Jan. 98

Jul. 98

Jan. 99

Jul. 99

Jan. 00

Jul. 00

Zeit [Monat -Jahr]

Abb. 3: Kalibrierung und Validierung des UHP-Models für den Térou (Pegel Wanou) mit Hilfe des split-sampling-Verfahrens (Kalibrierungszeitraum 19931999, Validierungszeitraum 2000).

Das Modell gibt die gemessenen Abflüsse am Pegel Térou-Wanou bzgl. ihrer Saisonalität und der jährlichen Wasserbilanz gut wieder. Sowohl die Länge der Regenzeit als auch die Verteilung der Abflüsse während der Regenzeit stimmen recht gut überein. Allerdings ist das Modell nicht für die Simulation von Einzelereignissen geeignet. Die model efficiency wöchentlicher Abflüsse liegt für Kalibrierung und Validierung bei je 0,76, die Abweichungen bzgl. der jährlichen Abflusssumme sind für den Kalibrierungszeitraum deutlich geringer als bei der Validierung (0,3% zu 7,9%). Allerdings treten bei der Betrachtung einzelner Jahre des Kalibrierungszeitraums vergleichbar große Abweichungen auf. Neben der

104

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

split-sampling-Validierung wurde das Modell auf benachbarte Einzugsgebiete mit ähnlichen Eigenschaften übertragen und damit der Versuch einer multi-site Validierung sowie einer multi-scale Validierung gemacht. Das Modell wurde dabei ohne erneute Kalibrierung der Modellparameter auf die anderen Einzugsgebiete angewendet. Abbildung 4 zeigt das Ergebnis dieser räumlichen Übertragung der Modellparameter auf den Donga (Pegel Affon, 1329 km2), alle durchgeführten Modellanwendungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

120 gemessen simuliert

.

100

Abfluss [m³/s]

80

60

40

20

0 Jan. 98

Jul. 98

Jan. 99

Jul. 99

Jan. 00

Jul. 00

Zeit [Monat - Jahr]

Abb. 4: Validierung des UHP-Models für den Donga (Pegel Affon); das Modellergebnis wurde ohne erneute Kalibrierung mit dem Parametersatz des TérouWanou erzielt. Insgesamt zeigt das UHP-Modell bei der Anwendung auf Einzugsgebiete des oberen Ouémé gute Ergebnisse und scheint geeignet zu sein, ohne Anpassung der Parameter auf Einzugsgebiete mit ähnlichen Gebietseigenschaften übertragen zu werden. Die erzielten Simulationsergebnisse weisen für die sieben in Tabelle 1 aufgeführten Pegel der Flüsse Térou, Donga und Ouémé über Skalengrenzen hinweg (ca. 500-10.000 km2) gute Modelleffizienzen auf, und auch die berechneten langfristigen Abflusssummen weichen bis auf eine Ausnahme um weniger als 10% von den gemessenen ab. Für nähere Informationen sei auf Bormann & Diekkrüger (2004) verwiesen. Eine vollständige Übereinstimmung von Simulationen und Messungen kann nicht erwartet werden, da zum einen ein einfaches Modell verwendet wurde und zum anderen viele der verwendeten Eingangsdaten sowie die Abflussmessungen großen Unsicherheiten unterliegen. Die Unsicherheiten werden im folgenden Abschnitt (Analyse der Validierung) diskutiert.

RÄUMLICHE ÜBERTRAGBARKEIT VON MODELLPARAMETERN

105

Tab. 1: Multi-Site- und Multi-Scale-Validierung des UHP-Modells – Aufstellung der Gütemasse für alle Teileinzugsgebiete im oberen Ouémé; Kal. = Kalibrierungszeitraum, Val.= Validierungszeitraum, Qsim = simulierter Abfluss, Qmes =gemessener Abfluss. Fluss, Pegel

Einzugsgebietsgröße [km²]

Simulationszeitraum

model efficiency

Abflussbilanz: Qsim/Qmes [%]

Térou-Wanou (Kal.)

3.133

1993-1999

0,76

0,82

100,3

Térou-Wanou (Val.)

3.133

2000

0,76

0,79

92,1

Térou-Saramanga (Val.)

1.378

1998-2000

0,83

0,86

106,4

Térou-Igbomakoro (Val.)

2.334

1998-2000

0,80

0,90

119,1

Donga-Pont (Val.)

580

1998-2000

0,80

0,80

89,3

Donga-Affon (Val.)

1.329

1998-2000

0,81

0,84

100,6

Ouémé Afon (Val.)

1.165

1998-2000

0,72

0,82

103,3

Ouémé Bétérou (Val.)

10.326

1997-2000

0,54

0,76

110,4

4 Analyse der Validierung Basierend auf den Ergebnissen in Abschnitt 3 kann das UHP-Modell für die genannten Teileinzugsgebiete der oberen Ouémé als validiert bezeichnet werden. Sowohl für die statistischen Gütemaße als auch für die Abflusssummen (jährliche Wasserbilanzen) wurden gute Ergebnisse erzielt. Trotzdem verbirgt sich hinter den gemessenen und simulierten Ganglinien eine Reihe von Unsicherheiten, die im Rahmen der Modelbewertung berücksichtigt werden müssen. Unsicherheiten ergeben sich dabei sowohl hinter dem einfachen und räumlich konzentrierten Modellkonzept, das möglicherweise nicht alle (Abflussbildungs-)Prozesse berücksichtigt, den Modellparametern (z.B. Speicherkonstanten) und hinter den Eingangsdaten (z.B. Niederschlag, Wetterdaten). Die Auswirkung der Unsicherheit der Modellparameter kann mittels Monte-Carlo-Simulationen untersucht werden. Bormann & Diekkrüger (2003b) wenden das Latin-HypercubeSampling-Verfahren (McKay et al., 1979) an, um die Monte-Carlo-Simulationen effizienter zu gestalten. Das Ergebnis kann in Form eines Vertrauensintervalls um die Abflussganglinie dargestellt werden. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Parameter-Unsicherheit des UHP-Modells für das Térou-Einzugsgebiet in etwa vergleichbar mit der Unsicherheit des Niederschlags ist. Sie konstatieren

106

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

aber auch, dass die Eingangsdaten, insbesondere die Niederschlagsdaten, unsicher sind. Dies wird durch die geringe Stationsdichte, Ausfallzeiten der Stationen und teilweise fehlende Daten ganzer Jahre begründet. Die Verwendung unterschiedlicher Anzahlen von Niederschlagsstationen zur Berechnung des Gebietsniederschlags zeigt, dass während der Kalibrierung im Térou-Einzugsgebiet mit zunehmender Stationszahl und damit berücksichtigter räumlicher Variabilität des Niederschlags auch die Güte der Simulation zunimmt (Abb. 5). Das Optimum tritt auf, wenn alle verfügbaren Daten genutzt werden (hier 6 Stationen).

model efficiency

1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0

1

2

3

4

5

6

7

N-Stationen

Abb. 5: Abhängigkeit der Güte der Simulationen von der Anzahl der verwendeten Niederschlagsstationen (Térou-Wanou, Kalibrierung).

Bei der Übertragung des UHP Modells auf das Ouémé- und das DongaEinzugsgebiet zeigt sich ein umgekehrter Zusammenhang. Das Optimum der model efficiency wird nicht bei Verwendung aller Niederschlagsstationen zur Berechnung des Gebietsniederschlags erreicht (Abb. 6). Werden die Daten einzelner Stationen verworfen, verbessert sich das Simulationsergebnis.

RÄUMLICHE ÜBERTRAGBARKEIT VON MODELLPARAMETERN

107

model efficiency

0,9

Ouémé Bétérou 1998/99

0,8

Donga-Pont 2000 0,7 0,6

Linear (Donga-Pont 2000)

0,5

Linear (Ouémé Bétérou 1998/99)

0,4 5

7

9

11

13

N-Stationen

Abb. 6: Abhängigkeit der Güte der Simulationen von der Anzahl der verwendeten Niederschlagsstationen (Ouémé-Bétérou und Donga-Pont, Validierung).

Die Berechnung des Gebietsniederschlags spielt hier also eine bedeutende Rolle für die erzielte Modellgüte. Prinzipiell scheint es zwar aufgrund der geringen Stationsdichte notwendig, möglichst viele Niederschlagsstationen zu nutzen, allerdings ist auf Stationsausfälle und Datenfehler zu achten. Diese sind mehr oder weniger an allen Stationen zu erwarten und werden bei der Kalibrierung „weg“ kalibriert. Wird das Modell dann auf andere Gebiete übertragen, können Datenausfälle und Messfehler dazu führen, dass mit weniger Niederschlagsstationen bessere Ergebnisse erzielt werden. Des weiteren ist anzumerken, dass aufgrund der Ausfälle von Niederschlagsstationen für ganze Jahre die Modelle oft mit inkonsistenten Datenreihen angetrieben werden, wenn alle verfügbaren Stationsdaten verwendet werden. Auch hieraus resultieren natürlich erhebliche Unsicherheiten. Es muss also weiterhin diskutiert werden, inwieweit ein Modell letztendlich über die Berechnung des Gebietsniederschlags kalibriert wird, wenn über die Auswahl und Gewichtung der Stationen das Simulationsergebnis optimiert wird.

5 Bewertung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen Die vorliegende Studie zeigt, dass mit dem konzeptionellen UHP-Modell eine gute Anpassung der simulierten an die gemessene Ganglinie sowie eine gute Berechnung der Wasserbilanz erreicht wird. Die Übertragung des Modells auf benachbarte Einzugsgebiete im oberen Ouémé-Einzugsgebiet erzielt vergleichbar gute Ergebnisse. Daraus resultierend kann darauf geschlossen werden, dass auch ein konzeptionelles Modell in den subhumiden Tropen validiert und ohne erneute Kalibrierung auf ähnliche Einzugsgebiete übertragen werden kann. Es muss al-

108

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

lerdings festgehalten werden, dass die Modell-Kalibrierung auch die Kalibrierung von Datenfehlern beinhaltet. Versucht man dann, die Ergebnisse des Modells bei der Übertragung auf andere Einzugsgebiete (Validierung) aufgrund der inkonsistenten Datenlage über die Berechnung des Gebietsniederschlags zu optimieren, beinhaltet auch dieser Vorgang eine Kalibrierung.

Danksagung: Die Autoren danken dem BMBF (Fördernr. 07 GWK 02) sowie dem MWF Nordrhein-Westfalen (Fördernr. 223-21200200) für die Förderung des IMPETUS-Projektes im Rahmen des GLOWA-Programms.

Literatur Andersen, J., Refsgaard, J.C. & Jensen, K.H. (2001): Distributed hydrological modelling of the Senegal river basin – model construction and validation, Journal of Hydrology, 247, S. 200-214. Bormann, H. & Diekkrüger, B. (2004): A conceptual hydrological model for Benin (West Africa): Validation, uncertainty assessment and assessment of applicability for environmental change analyses. Physics and Chemistry of the Earth. In Druck. Bormann, H. & B. Diekkrüger (2003a): Possibilities and limitations of regional hydrological models applied within an environmental change study in Benin (West Africa). Physics and Chemistry of the Earth, 28/33-36, S. 13231332. Bormann, H., & Diekkrüger, B. (2003b): Analyse der Unsicherheiten bei der hydrologischen Modellierung im Benin (West-Afrika) im Rahmen des IMPETUS-Projekts. In: Hennrich, K., Rode, M. & Bronstert, A. (Hrsg.): 6. Workshop zur großskaligen Modellierung in der Hydrologie. KUP. S. 105118. Bormann, H., Giertz, S. & Diekkrüger, B. (2002): Multiskalige Analyse des Wassertransports im subhumiden Klima Benins (Westafrika). In: Stephan, K., Bormann. H. & Diekkrüger, B. (Hrsg.): 5. Workshop zur Hydrologischen Modellierung. Kassel University Press (KUP). S. 100-111. Bronstert, A., Jaeger, A., Güntner, A., Hauschild, M., Döll, P. & Krol, M. (2000): Integrated modelling of water availability and water use in the semi-arid northeast of Brasil, PCE (B), Vol. 25 (3), S. 227-232.

RÄUMLICHE ÜBERTRAGBARKEIT VON MODELLPARAMETERN

109

Gaiser, T., Krol, M., Frischkorn, H. & Araújo, J.C. de (Hrsg.) (2003): Global Change and Regional Impacts, Water Availability and Vulnerability of Ecosystems and Society in the Semi-Arid Northeast of Brazil. Springer, Heidelberg. McKay, M.D., Beckmann, R.J. & Conover, W.J. (1979): A comparison of three methods for selecting values of input variables in the analysis of output from a computer code, Technometrics, 21 (2), S. 239-245. Nash, J.E. & Sutcliffe, J.V. (1970): River flow forecasting through conceptual models, part I – a discussion of principles, Journal of Hydrology, 10, S. 272-290. Priestley, C.H.B. & Taylor, R.J. (1972): On the assessment of surface heat flux and evaporation using large scale parameters. Mon. Weather Rev. 100, S. 82-92. Refsgaard, J.C. & Storm, B. (1996): Construction, calibration and validation of hydrological models. In: Abbott, M.B. & Refsgaard, J.C. (Hrsg.): Distributed hydrological modelling, S. 41-54, Kluwer-Verlag. Soil conservation service (SCS) (1972): Estimation of direct runoff from storm rainfall. National engineering handbook, section 4 - hydrology. USDA, S. 10.1.-10.24.

RÄUMLICH DIFFERENZIERTE EINZUGSGEBIETSMODELLIERUNG

111

Räumlich differenzierte Einzugsgebietsmodellierung für den tidefreien Bereich der Treene Thorsten Dey, Andreas Horn, Georg Hörmann, Nicola Fohrer*)

Zusammenfassung: Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Wasserhaushalt für ein Teileinzugsgebiet der Treene (Schleswig-Holstein) abzubilden. Hierzu wird das Wasser- und Stoffhaushaltsmodell SWAT (ARNOLD et al. 1998) verwandt. Die Modellanwendung stellt insbesondere auf Grund geringer hydraulischer Gradienten innerhalb der flachen Landschaft eine Herausforderung dar. Erschwerend kommt eine ungenügende Auflösung des Höhenmodells sowie Veränderungen des DHMs im Rahmen des Präprozessings (automatische Eliminierung abflussloser Gebietssenken) hinzu. Eine große Diskrepanz zwischen berechneten und gemessenen Werten ergibt sich im Trockenjahr 1996, dessen Jahresniederschlag ca. 41 % unter dem langjährigen Mittel liegt. Für den errechneten Gerinneabfluss der Jahre 1997-2000 wird dagegen im Mittel ein zufriedenstellender Nash-SutcliffeIndex von 0,80 und eine Korrelation von 0,91 am Gebietsauslass erreicht.

Abstract: The aim of this study is to calculate the water balance in the part of the Treene watershed (federal state of Schleswig-Holstein, Germany) which is unaffected by tidal range. We apply the model SWAT (ARNOLD et al. 1998) for this purpose. Model application is challenged by the influence of low hydraulic gradients originating from the flat land surface. Further, hydrological modelling suffers from inaccuracies of the elevation model and automatic elimination of sinks during DEM preprocessing. The largest discrepancy between measured and predicted runoff is found in the extremely dry year 1996 showing 41 % less precipitation than the longterm average. Calculated runoff of the following years 19972000 shows a Nash-Sutcliffe index of 0.80 and a correlation coefficient of 0.90, which is considered a satisfying model performance under these conditions.

*)

Christian-Albrechts-Universität Kiel, Ökologiezentrum, Fachabteilung Hydrologie & Wasserwirtschaft, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

1. Einleitung Schon aus der Topographie heraus ergibt sich, dass das Einzugsgebiet der Treene in Schleswig-Holstein ein sehr anspruchsvolles Terrain zur Durchführung von speziellen wasserwirtschaftlichen Untersuchungen ist (vgl. Abb.1). In Anbetracht seiner Größe von rund 800 km² weist das Einzugsgebiet der Treene nur sehr geringe Landerhebungen auf, so dass sich sich eine eindeutige Abgrenzung hydrologischer Einheiten sowie eine Beschreibung der Fließprozesse vor dem Hintergrund geringer hydraulischer Gradienten als sehr schwierig erweisen. Dieses Problem wird durch das mit einer Höhengenauigkeit von ± 4 m sehr unscharfe digitale Höhenmodell verstärkt (vgl. Kap.3.1).

Abb. 1: Lage des Bearbeitungsgebietes (Ausschnitt aus der Topographischen Karte der Bundesrepublik Deutschland 1:1 000 000). Das Ziel dieser Arbeit ist es, die komplexe Dynamik des Wasserhaushalts für ein Teileinzugsgebiet der Treene möglichst wirklichkeitsgetreu abzubilden. Hierzu wird das Wasser- und Stoffhaushaltsmodell SWAT (ARNOLD et al. 1998) verwendet, das in Texas/USA für Gebiete mit vornehmlich landwirtschaftlicher Nutzung entwickelt wurde. Die Modellierung beschränkt sich auf den tidefreien Bereich der Treene, da in SWAT zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Routinen zur Beschreibung der Tidedynamik implementiert sind.

RÄUMLICH DIFFERENZIERTE EINZUGSGEBIETSMODELLIERUNG

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2 Modellgebiet Das Einzugsgebiet der Treene liegt im nördlichen Teil des Bundeslandes Schleswig-Holstein und erstreckt sich in nordöstlich-südwestlicher Richtung. Das Modellgebiet reicht bis zur Ortschaft Treia, unterhalb derer ein immer stärker werdender Tideeinfluss einsetzt. Bei einer Größe des Modellgebiets von 517 km² ergibt sich ein maximaler Höhenunterschied von 76,4 m.

Abb. 2: Geomorphologie des Modellgebiets (EGGEMANN et al. 2001, verändert). Die Treene durchfließt drei verschiedene Naturräume. Im oberen nordöstlichen Abschnitt bis zur Höhe von Mühlenbrück bzw. Soltfeld durchqueren ihre Quellflüsse das Jungmoränengebiet der Angelner Höhen, es folgt der Bereich der Schleswiger Geest und schließlich auf der Höhe von Hollingstedt die Nordfriesische Marsch (vgl. Abb.2). Die aktuelle Vegetation im Modellgebiet stellt fast ausschließlich eine durch die Landwirtschaft geschaffene Kulturlandschaft dar (siehe 3.2). Auffallend ist insbesondere der kleinräumige Wechsel zwischen Acker- und Grünland und der zunehmende Anteil des Ackerlandes im Jungmoränengebiet. Zu den größeren

114

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Gehölzen im Bearbeitungsgebiet gehören z.B. der Staatsforst Büschau (ca. 280 ha) oder auch das Fröruper Holz (ca. 283 ha). Die Jahresmitteltemperatur in der Region beträgt ca. 8 °C. Der mittlere Niederschlag liegt bei ca. 880 mm. Die Region weist dabei eine sehr ausgeglichene Niederschlagsverteilung mit einem leichten Sommermaximum auf Grund verstärkter konvektiver Niederschlagsereignisse auf.

3 Modell, Material und Vorgehensweise 3.1 SWAT-Modell Mit Hilfe des Modells SWAT (Soil and Water Assessment Tool) können die hydrologischen sowie hydrochemischen Auswirkungen der jeweiligen Landnutzung, des Bodens und der landwirtschaftlichen Stoffeinträge in meso- bis makroskaligen Einzugsgebieten über lange Zeiträume (max. 100 Jahre) abgeschätzt werden. Das Modell arbeitet in täglicher Auflösung sowie in der räumlichen Skala nach dem Hydrotopkonzept. Neben dem Transport von Nähstoffen wie Stickstoff und Phosphor enthält das Modellsystem auch Routinen zur Nachbildung des partikulären Transports. Die Ergebnisausgabe kann in Jahres-, Monats- oder Tagesschritten erfolgen. ARNOLD et al. (1998) geben eine ausführliche Beschreibung von SWAT; eine Dokumentation der Software liegt zudem im ADOBE PDF-Format vor (ftp://ftp.brc.tamus.edu/pub/swat/doc/swat2000theory.pdf).

3.2 Höhenmodell Als Höhenmodell stand das DHM 50 zur Verfügung, das für Schleswig-Holstein flächendeckend vorliegt. Bei einer Gitterweite von 50 x 50 m weist es eine Höhengenauigkeit von ± 4 m auf. Das aus diesen Daten generierte oberirdische Einzugsgebiet liefert eine dementsprechend relativ unscharfe Abgrenzung des Modellgebiets. Es weist in der räumlichen Abgrenzung erhebliche Unterschiede zum Gewässerkundlichen Flächenverzeichnis des Landes SH auf, das auf der Grundlage des DHM 25 erstellt wurde. Das Einzugsgebiet auf Basis des DHM 50 ist ca. 31 km² größer. Für den Bereich der Treeneaue von Oeversee bis Eggebek wurden vom Ingenieurbüro Aquatec aus Flensburg Höhendaten zur Verfügung gestellt, die im Rahmen einer Laserbefliegung im Mai 2002 entstanden sind. Sie erstrecken sich über eine Fläche von 46,5 km², wobei die Messpunkte im Schnitt etwa 1 m voneinan-

RÄUMLICH DIFFERENZIERTE EINZUGSGEBIETSMODELLIERUNG

115

der entfernt sind und die Höhengenauigkeit mit 7 bis 10 cm angegeben wurde (HAU pers. Mitt.). Das aus diesen Daten generierte Höhenmodell wurde mit dem DHM 50 verschnitten. Das Präprozessing des DHM wurde mit dem Programm AVSWAT (DI LUZIO 2000), das in Form einer frei verfügbaren Extension (ftp://ftp.brc.tamus.edu/ ub/swat/pc/swatav/avswat2000.zip) als Schnittstelle zwischen dem GIS ArcView und dem Modell SWAT fungiert, durchgeführt. Die teilautomatisierten Arbeiten umfassen die automatische Eliminierung abflussloser Gebietssenken sowie die anschließende Festlegung von Teileinzugsgebieten (TEG) auf Basis der Fließrichtung, der Akkumulation der Flüsse sowie einer nutzerspezifischen Mindestgröße der TEG (hier: 900 ha). Letztere gibt die Größe eines TEG an, die mindestens erlaubt ist, um den Anfangspunkt eines Flusslaufes zu bestimmen. Zusätzlich wurden manuell Gebietsauslässe zur Abbildung der Messpegel hinzugefügt, womit sich die Zahl der TEG entsprechend erhöhte. Eine korrekte Berechnung der Fließwege war auf der Grundlage des DHM 50 nicht möglich. Aus diesem Grund wurde mit Hilfe von AVSWAT ein Gewässerverlauf auf Basis der im Amtlichen Topographischen Karteninformationssystem (ATKIS 2003) vorhandenen Daten vorgegeben. Das Modellgebiet wurde in 58 TEG unterteilt, die im Durchschnitt eine Größe von 892 ha aufweisen. Die Spanne diesbezüglich reicht jedoch von 4195 ha bis zu einer Ausdehnung von nur 9 ha. Innerhalb der TEG erfolgte eine weitere Differenzierung des Modellgebiets in Hydrotope (vgl. Kap. 3.1). Nutzungsarten mit einem TEG-Flächenanteil von < 4 % sowie Bodentypen mit einem Anteil von < 8 % fielen aus der Betrachtung heraus, und ihre Flächenanteile wurden entsprechend auf die verbleibenden Typen verteilt. Insgesamt entstanden auf diese Weise im Einzugsgebiet 681 Hydrotope, deren mittlere Größe ca. 76 ha beträgt.

3.3 Landnutzung Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine schon klassifizierte Landnutzungsaufnahme vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Köln zur Verfügung gestellt. Es wurden zwei Szenen des Satelliten Landsat 5 verwendet, die am 24. April und 25. Juni 1995 aufgenommen wurden. Im Rahmen der Klassifizierung wurden die beiden Aufnahmen zunächst auf Datenredundanz hin geprüft und dem aussagekräftigeren Layer der Vorzug gegeben (vgl. Tab.1). Besondere Berücksichtigung fanden hier auch die Wellenlängen, die eine Aussage über die Entwicklung der Biomasse zwischen April und Juni 1995 zulassen (WEIERS 1999).

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Tab.1: Landnutzungsklassifikation. Nutzung

Acker

Grünland

Wald

Brache

Siedlung

Wasser

Anteil (%)

41,30

38,87

12,15

5,97

1,40

0,32

3.4 Pflanzenparameter Zahlreiche Faktoren steuern das Wachstum der Pflanzen. Die entsprechende Datenbank wurde im Rahmen des SFB 299 „Landnutzungskonzepte für periphere Regionen“ (Fohrer, pers. Mitt.) am Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement an der Justus-Liebig-Universität zu Giessen erarbeitet und für diese Arbeit zur Verfügung gestellt. Mittlere Werte für den maximalen Blattflächenindex wurden der Literatur entnommen.

3.5 Bodentypen Informationen zu den Böden im Einzugsgebiet der Treene entstammen der digital im ArcView-Format vorliegenden Bodenübersichtskarte (BÜK) im Maßstab 1:200 000. Für die Modellierung entscheidend ist in diesem Zusammenhang die auftretende Horizontierung der verschiedenen Böden. Diese lässt sich zunächst noch nicht eindeutig aus der Karte entnehmen. Den in der Bodenkarte eingetragenen Teilflächen sind über die zugehörige Attributtabelle meist mehrere Bodenformen bzw. Bodenformenvergesellschaftungen zugeordnet. Die Vielfalt der Böden in der Natur macht es unmöglich, einzelne Bodenformen im Maßstab 1:200 000 darzustellen (BURBAUM & JANETZKO 1997). Für die Modellierung musste daher jeder im ArcView-Shape verzeichneten Fläche ein repräsentativer Bodentyp zugeordnet werden. Bodeneigenschaften und Kennwerte der im Untersuchungsraum vorkommenden Böden wurden der Literatur entnommen, wobei Profilbeschreibungen aus Exkursionsberichten der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft eine Hauptquelle darstellen (DBG 1993). Weitere Daten, so z.B. zur Rohdichte, wurden der bodenkundlichen Kartieranleitung (AG BODEN 1994) oder auch den mit der BÜK 200 mitgelieferten Datensätzen entnommen.

3.6 Klimadaten Für den Zeitraum von 1984 bis 2000 standen Niederschlagswerte in täglicher Auflösung von drei Stationen (Eggebek, Oeversee, Treia) innerhalb des Modellgebietes zur Verfügung. Temperaturdaten lagen für die Stationen Flensburg,

RÄUMLICH DIFFERENZIERTE EINZUGSGEBIETSMODELLIERUNG

117

Schleswig und Eggebek (von denen nur Eggebek innerhalb des Gebietes liegt) vor. Die Zeitreihen für die letzten beiden Stationen reichen vom 1.1.1995 bis zum 31.12.2000, während sich die Messwerte der Station Flensburg sich vom 1.1.1957 bis 30.6.2002 erstrecken. Dies bedeutet, dass vor dem 1.1.1995 die Temperaturangaben der Station Flensburg für das gesamte Modellgebiet verwendet wurden.

3.7 Methodisches Vorgehen Der Kalibrierungszeitraum erstreckte sich vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1995. Begründet wird dies durch die vorliegende Landnutzungskarte aus dem Jahr 1995. Das Jahr 1996 wurde nicht mit einbezogen, da dieses mit einem Jahresniederschlag von nur 518 mm eine Extremsituation darstellt. Es wurde ein Vorlauf von 7 Jahren gewählt, das Modell demnach am 1. Januar 1987 gestartet. Innerhalb des Einzugsgebietes lagen für acht Pegel Abflussmesswerte in täglicher Auflösung vor (vgl. Abb. 2), mit denen das Modell manuell kalibriert wurde. Begonnen wurde mit den jeweils ersten Pegeln an den Teilzuflüssen der Treene, d.h. Oeversee, Soltfeld, Mühlenbrück, Sollerupmühle, Esperstoft und Esperstoftfeld (vgl. Abb. 2). Durch wiederholten Vergleich von gemessenen und modellierten Abflussganglinien mit anschließender Justierung der Eingabeparameter wurde die Übereinstimmung zwischen aufgezeichnetem und modelliertem Abfluss für alle TEG erheblich erhöht. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei der Parametrisierung bodenphysikalischer Faktoren. Nach erfolgreichem Abschluss der Kalibrierung der Einzelzuflüsse wurden die Parameter der zu dem im Mittellauf der Treene gelegenen Pegel Eggebek beitragenden TEG in gleicher Weise kalibriert. Anschließend wurde dieses Vorgehen auf den Pegel Treia, der den Gesamtgebietsauslass darstellt, übertragen. Das für die Jahre 1994/95 kalibrierte Modell wurde für die Zeiträume 1988 bis 1993 und 1996 bis 2000 validiert. Zur Betrachtung dieser Abschnitte wurde das Modell abweichend von der Kalibrierung schon 1984 gestartet, um eine ausreichende Vorlaufszeit zu gewährleisten.

4 Ergebnisse 4.1 Kalibrierung Im Allgemeinen war anfangs die Abflussdynamik im Modellgebiet zu gering. Abhilfe brachte hier im Wesentlichen die Erhöhung des Rezessionskoeffizienten

118

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

α. Die exemplarische Auswertung einer Rezession im Sommer 1994 führte zur Ermittlung eines Koeffizienten von 0,0286 für den Pegel Treia und eines Wertes von 0,0309 für den Pegel Mühlenbrück. Um die gewünschte Dynamik innerhalb des Modells zu erhalten, musste dieser Wert jedoch für die meisten TEG erheblich übertroffen werden. Darüber hinaus brachte die Berücksichtigung von Dränagen eine deutliche Verbesserung der Modellkalibrierung. Insbesondere das Auslaufverhalten des Einzugsgebietes nach Abflussspitzen wurde besser getroffen. Die Annahme einer großflächigen Dränierung im Modellgebiet ist gerechtfertigt, da über 40 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Schleswig-Holstein dräniert sind (SCHULTE 1993). In den ersten Modellberechnungen wurde ein Oberflächenabflussanteil von über 20 % ausgewiesen. Dieser Wert ist als deutlich zu hoch anzusehen (siehe 4.2). Eine allgemeine Reduzierung der Curve-Number, z.B. für Wald auf den geringstmöglichen Wert (35), trug zu einer Senkung des Oberflächenabflusses bei. Darüber hinaus konnte eine Veränderung der jahreszeitabhängigen Berechnung des Blattflächenindexes (BFI) zu einer weiteren Reduzierung beitragen. Die Originalversion von SWAT2000 weist in diesem Zusammenhang ein konzeptionelles Defizit auf. Eine Routine von SWAT setzt den BFI auf den Wert 0,75, sobald das Tagesmittel der Temperatur unterhalb der pflanzenspezifischen Basistemperatur sinkt. Dies ist z.B. für Grünland in den Wintermonaten ein deutlich zu niedriger Wert. Vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der JLU Giessen wurde daher ein modifiziertes SWAT-Programm zur Verfügung gestellt, das diesen Fehler behob (HUISMAN, pers. Mitt.). Nun konnte ein minimaler Blattflächenindex definiert werden, der auch im Winter nicht unterschritten wird. Auf Basis dieser Modellveränderungen konnte für den Kalibrierungszeitraum 1994/95 eine gute Anpassung zwischen den gemessenen und simulierten Gerinneabflüssen erreicht werden. Die Messwerte des Pegels Esperstoftfeld sind stark durch eine oberhalb betriebene Mühle beeinflusst und konnten daher nur unter Vorbehalt verwendet werden. Für die verbleibenden Pegel liegt der NashSutcliffe-Index im Mittel bei 0,81 und die Korrelation erreicht einen Mittelwert von 0,92.

4.2 Validierung Der Gerinneabfluss im Kalibrierungs- und Validierungszeitraum am Pegel Treia ist in Abb. 3 dargestellt. Der Vergleich der Messwerte mit den Modelldaten er-

RÄUMLICH DIFFERENZIERTE EINZUGSGEBIETSMODELLIERUNG

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gibt für den errechneten Gerinneabfluss der Jahre von 1988 bis 1993 (1997 bis 2000) im Mittel einen Nash-Sutcliffe-Index von 0,70 (0,80) und eine Korrelation von 0,86 (0,91) am Gebietsauslass bei täglicher Auflösung. Damit wurde gezeigt, dass das Modell SWAT auch in Bereichen der norddeutschen Tiefebene mit nur geringem hydraulischem Gradienten mit Erfolg grundsätzlich anwendbar ist. Es lassen sich im Detail jedoch auch systematische Abweichungen der Modellergebnisse von den Messdaten erkennen. So ist eine häufige Unterschätzung von Abflussspitzen zu beobachten (vgl. Abb. 3). Im Bereich des Oberlaufs der Treene überwiegt für die Pegel Soltfeld und Mühlenbrück dagegen eine Überschätzung solcher Peaks (o. Abb.). Auffällig ist zudem eine mangelhafte Anpassung der Ganglinie in den Sommermonaten der Jahre 1999 und 2000 am Gebietsauslass Treia. Ein Erklärungsansatz für die Abweichungen könnte darin liegen, dass Starkniederschlagsereignisse in den auf Tageswerte zusammengefassten Eingangsdaten des Modells keine Berücksichtigung finden. Weiterhin auffallend ist die Auswirkung des Trockenjahres 1996. Der mittlere Niederschlag der Station Flensburg im Zeitraum 1957 bis 2001 beträgt 876,3 mm. Im Jahr 1996 wurde dieser Wert um etwa 41 % unterschritten. Während die Dynamik für dieses Jahr noch relativ gut wiedergegeben wird (Korrelation: 0,74), liegt die berechnete Abflussmenge stark unterhalb der gemessenen Vorflut.

Abb.3: Modellierter und gemessener Gerinneabfluss am Gebietsauslass (Tagesschritte, Kalibrierung 1994-1995, Validierung 1988-1993 sowie 1996-2000)

120

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Das Modell weist für den mittels der Curve-Number-Methode bestimmten Oberflächenabfluss einen Anteil von 10,3 % am Gesamtabfluss aus. Dieser Wert liegt deutlich über den Ergebnissen anderer Studien zu schleswig-holsteinischen Einzugsgebieten. Zum Beispiel weisen VENOHR et al. (im Druck) mit Hilfe des MONERIS-Modells im Einzugsgebiet der Stör einen Oberflächenabflussanteil von 4,9 % für die Jahre 1991-1993 aus. KLUGE (im Druck) gibt für das Einzugsgebiet des Belauer Sees Werte von 0,4-1,9 % in Abhängigkeit des Gefälles des Ufers an. Der zu große Oberflächenabflussanteil kann möglicherweise auf einen zu hohen Bodenwassergehalt zurückgeführt werden. Beispielsweise beträgt der mittlere Bodenwassergehalt eines Pseudogleys in einem TEG 46,3 mm/dm für die Jahre 1994/1995. Bei diesem Wert ist anzunehmen, dass die Gesamtporosität des Bodens annähernd vollständig ausgenutzt wird und somit zusätzliche Niederschläge verstärkt als Oberflächenabfluss abgeführt werden. Der in SWAT implementierte Speicheransatz bedingt, dass der Bodenwasseranteil oberhalb der Feldkapazitätsgrenze vertikalen Transportprozessen unterliegt. Für den Pseudogley wurde eine Rohdichte von 1,65 g/cm³, ein Tongehalt von 10 % sowie eine nutzbare Feldkapazität von 0,2 ermittelt. Unter der vereinfachenden Annahme, dass sich diese Eigenschaften zwecks besserer Analyse des Outputs auf das gesamte Bodenprofil von 1500 mm übertragen lassen, ergibt sich für diesen Boden eine Feldkapazität von 26,6 mm/dm (zur Berechnung vgl. Neitsch et al., 2002, S. 142f.). Damit übersteigt der vom Modell ausgegebene mittlere Wassergehalt des Pseudogleys für die beiden Kalibrierungsjahre den errechneten Wert der Feldkapazität um 74 %. Innerhalb der beiden untersuchten Jahre wird die vom Anwender berechnete Feldkapazität zu keinem Zeitpunkt unterschritten. Dieses Ergebnis kann auch nicht durch eine zu geringe Wasserleitfähigkeit des Bodens erklärt werden, da sich das Modell in Sensitivitätsanalysen für das Einzugsgebiet der Treene bezüglich dieses Parameters als gering sensitiv erwiesen hat. Eine abschließende Erklärung der beobachteten Diskrepanzen steht somit noch aus.

5 Fazit Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass das Modell SWAT auch in Bereichen der norddeutschen Tiefebene mit geringen hydraulischen Gradienten grundsätzlich anwendbar ist. Ein Verbesserung der Beschreibung des Bodenwasserhaushaltes muss jedoch noch angestrebt werden. Darüber hinaus könnte eine Erhöhung des Diskretisierungsgrads für viele Eingangsdaten sowie eine explizite Be-

RÄUMLICH DIFFERENZIERTE EINZUGSGEBIETSMODELLIERUNG

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rücksichtigung der hydrologischen Effekte von Gebietssenken eine positive Wirkung auf die Vorhersagegenauigkeit haben.

Danksagung: Wir danken dem Deutschen Wetterdienst (DWD), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Ingenieurbüro für Wasserwirtschaft und Tiefbau AQUA tec aus Flensburg, dem Landesamt für Natur- und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (LANU-SH) und dem Staatlichen Umweltamt in Schleswig (StUA-Schleswig) für die Bereitstellung der Daten.

Literatur Arbeitsgruppe Bodenkunde der Geologischen Landesämter und Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in der Bundesrepublik Deutschland (1994): Bodenkundliche Kartieranleitung. Stuttgart, 392 S. Arnold, J.-G.; Srinivasan, R.; Muttiah, R.S.; Williams, J.R. (1998): Large area hydrologic modelling and assessment, Part I: Model development. Journal of the American Water Resources Association 34(l): 73-89 Baumann, H.; Schekorr, E.; Schendel, U. (1970): Gebietswasserhaushaltsbilanzen in kleinen Einzugsgebieten in Schleswig-Holstein. In: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, Sonderheft Hydrogeologie S. 98 Burbaum, B.; Janetzko, P. (1997): Die Bodenübersichtskarte von SchleswigHolstein. Grundlage für Bodenschutz und Landschaftsplanung. Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein: Jahresbericht 1997. S. 39-40. Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft (DBG) (1993): Exkursionsführer zur Jahrestagung in Kiel. Göttingen, 288 S. Eggemann, G.; Sterr, H.; Kuhnt, G. (2001): Geomorphologische Detailkartierung Schleswig-Holsteins. Kiel. Kluge, W. (im Druck): Einfluss von Uferzonen auf die diffusen von N und P in den Belauer See (Schleswig-Holstein). Archiv für Naturschutz und Landschaftsforschung. Neitsch, S.L.; Arnold, J.G.; Kiniry, J.R.; Williams, J.R.; King, K.W. (2002): Soil and Water Assessment Tool. Theoretical Documentation. 458 S. Schulte, G. (1993): Die Abschätzung der Stickstoffauswaschung im Wassereinzugsgebiet des Wasserverbandes Nord (Oeversee). Flensburg, 224 S.

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Venohr, M.; Behrendt, H.; Kluge, W. (im Druck): Nutrient emission and instream nutrient loss in small catchments: the River Stör case study (Northern Germany). Hydrological Processes. Weiers, S. (1999): Monitoring of Changes in Biotope and Land Use Inventories in Schleswig-Holstein and Denmark by means of Satellite Image Analysis and GIS. Köln.

RÄUMLICHE MODELLVALIDIERUNG MIT GEOGENEN TRACERN

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Nutzung geogener Tracer zur räumlichen Modellvalidierung Lutz Breuer *), Holger Fröhlich, Johan A. Huisman und Hans-Georg Frede

Zusammenfassung: Der Kenntnisstand über abflussbildende Prozesse, Wasserherkunftsräume und -fließwege in mesoskaligen Wassereinzugsgebieten beruht vor allem auf Expertenwissen. Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu diesem Themenkomplex beschränken sich im Wesentlichen auf kleine Einzugsgebiete bis zu einer Größe von wenigen km2. Eine der klassischen Methoden, um Abflusskomponenten zu charakterisieren und Wasserherkunftsräume zu lokalisieren, ist die Tracermessung. Neben künstlichen Tracern werden vor allem geogene Tracer genutzt. Vorgestellt werden zwei Verfahren, mit denen räumliche Informationen basierend auf Traceruntersuchungen gewonnen werden können. Durch Transektversuche (Snapshot Sampling) kann der Beitrag einzelner Nebengerinne und künstlicher Einleiter wie beispielsweise Kläranlagen oder industrielle Produktionskomplexe zum Abfluss eines Gerinnes ermittelt werden. Dies kann vor allem bei stoffhaushaltlichen Fragestellungen wie beispielsweise der Beschreibung von diffusen und punktuellen Quellen von Interesse sein. Die Zuweisung von Wasserherkunftsräumen wird basierend auf einer End Member Mixing Analysis (EMMA) durchgeführt. Dabei wird davon ausgegangen, dass durch die spezifischen geogenen Elementzusammensetzungen und physiko-chemischen Eigenschaften der Fließgewässer die einzelnen Herkunftsräume bestimmt werden können. Die Messungen wurden im Spätsommer 2003 entlang der Dill, in Nebenflüssen und in deren Oberläufen durchgeführt (Gesamteinzugsgebiet 692 km2). Die Oberläufe ließen sich im Rahmen einer End Member Bestimmung in drei Gruppen klassifizieren, die durch signifikant unterschiedliche typische Elementzusammensetzungen gekennzeichnet sind. Erste Ergebnisse der Snapshot Messungen lassen auf einen hohen Anteil von Punktquellen verschiedener Stoffgruppen schließen.

Abstract: Information on runoff processes, spatial and temporal origin of water sources and water pathways in mesoscale catchments is generally sparse and is mainly based on expert knowledge. Scientific investigations to obtain this information mainly focus on small scale watersheds and hillslope hydrology. A clas*)

Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement, Justus-Liebig-Universität Gießen, IFZ, Heinrich-Buff-Ring 26, 35392 Gießen, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

sical approach to characterize runoff components and water sources are tracer measurements. In addition to the usage of artificial tracers, geochemical tracers provide a promising tool to investigate such questions. Two techniques are used to obtain spatial information for the Dill catchment. Synoptic or Snapshot Sampling is conducted to locate point and diffuse sources in the catchment. Using this approach the influence of tributaries, industrial complexes and sewage treatment plants on eco-hydrological components of the river Dill can be determined. Spatial information on areas of water origin is investigated by End Member Mixing Analysis (EMMA). In the present approach it is assumed that the hydrogeochemical characteristic of a stream is mainly determined by the geologic substrate where it originates. Specific element concentration, anions and physicochemical parameters are used to determine end members. Measurements were conducted in late summer 2003 during stable low flow situation. In the scope of this contribution, we present the general methodology and first results of the two research concepts. It is shown that there is potential to derive end members based on hydrochemical characterisation. First results of the Snapshot Sampling methodology indicate, that point sources have a large impact on the eco-hydrology in the Dill river catchment, at least under baseflow conditions.

1 Einführung Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 299 „Landnutzungskonzepte für periphere Regionen“ ist es eine Hauptaufgabe, regional angepasste Nutzungsoptionen basierend auf den ökologischen und ökonomischen Gegebenheiten einer Untersuchungsregion zu entwickeln. Ein Teil dieser Aufgabe bezieht sich dabei auf öko-hydrologische Arbeiten. Verschiedene Wasserindikatoren zum Stoffhaushalt wie NO3-, NH4+, Gesamt-N, Gesamt-P und Sedimentfracht werden messtechnisch am Hauptpegel erfasst. Abflussmessungen stehen von drei weiteren Pegeln im Einzugsgebiet zu Verfügung. Um zukünftige Landnutzungsszenarien bewerten zu können ist es erforderlich, die genannten Indikatoren modelltechnisch validiert abzubilden. Die Modellierung erfolgt mit dem Modell SWAT (Arnold et al. 1998). SWAT ist in der Lage, basierend auf Informationen zur Pedologie, Topographie und Landnutzung, flächendifferenziert den Wasser-, N-, und PKreislauf sowie Erosionsvorgänge zu modellieren. Einer flächendifferenzierten verifizierten Abbildung des Wasser- und Stoffhaushalts stehen die nur punktuell erfassten Parameter zur Modellvalidierung gegenüber. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die hydrologischen und biogeochemischen Prozesskenntnisse im Modell SWAT durch geochemische Tracermessungen zu verbessern. Hierzu wird das Konzept der End Member Analysis verfolgt, um Wasserherkunftsräume

RÄUMLICHE MODELLVALIDIERUNG MIT GEOGENEN TRACERN

125

zu ermitteln (Christophersen et al. 1990, Ladouche et al. 2001). In einem weiteren Schritt werden basierend auf Transektmessungen entlang des Hauptgerinnes und in wichtigen Nebenflüsse durch Snapshot Sampling Punktquellen von diffusen Quellen differenziert (Kimball et al. 2001, Biggs et al. 2002).

2 Methodik 2.1 Das Einzugsgebiet der Dill Das Einzugsgebiet der Dill (AEO: 692 km2) ist gekennzeichnet durch eine kleinräumige heterogene Kulturlandschaft. Die Landnutzung verteilt sich wie folgt: Wald 54,4 %, Gründland 19,8 %, Brache 9,8 %, Siedlung 9,3 %, Ackerland 6,5 %, Gewässerfläche 0,3 % (Abb. 1a). Ein räumlicher Schwerpunkt des Ackerbaus ist im Südosten im Teileinzugsgebiet der Aar festzustellen. Vorwiegend Grünlandwirtschaft findet man im Westen auf den Hochflächen des Westerwaldes. Der nördliche und zentrale Teil des Einzugsgebiets ist von Waldfläche geprägt. Die Hauptsiedlungsflächen ziehen sich entlang der Dill, Aar und Dietzhölze. Der Jahresmittelniederschlag beträgt ca. 900-1100 mm bei einer mittleren jährlichen Durchschnittstemperatur von 8.0 °C. Geologisch ist das Gebiet geprägt durch Tonschiefer, Grauwacken, Diabase, Sandsteine und Quarzite (Abb. 1b). Im westlichen Bereich des Einzugsgebiets liegen die Ausläufer des Westerwaldes mit vorwiegend tertiären Basalten. Bedingt durch die geologischen und geomorphologischen Voraussetzungen überwiegen flachgründige Braunerden in den Hanglagen. In den Flussniederungen und Auenbereichen finden sich hingegen vor allem Gleye. Auf Grund der geologischen und pedologischen Gegebenheiten dominiert der Zwischenabfluss das Abflussverhalten im Einzugsgebiet. Der Anteil dieses Abflusspfads beträgt bis zu 70 %, wohingegen Oberflächenabfluss mit < 10 % anzusetzen ist. Kläranlagen haben vor allem bei Trockenwetterabflussbedingungen, z.B. im Sommerhalbjahr eine hohen Anteil am Abflussgeschehen und können in Extremfällen bis zu 60 % des Abflusses der Dill ausmachen (z.B. während des sehr trockenen Sommers 2003). Dadurch bedingt sind diese Punktquellen vor allem auch in den Sommermonaten der dominierende Eintragspfad von N- und P-Verbindungen. Eine wichtige Gruppe punktueller Einleiter ist die stahlverarbeitende Industrie im Einzugsgebiet, die neben zahlreichen Schwermetallen vor allem N-Verbindungen aus der Stahlätze mit HNO3 immitieren.

126

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

2.2 Bestimmung der End Members Das Verfahren der End Member Mixing Analysis (EMMA) in der Hydrologie basiert auf der Auftrennung einer Wasserprobe in einzelne Komponenten, die durch chemische oder physiko-chemische Eigenschaften charakterisiert sind (Christophersen et al. 1990). End Members sind definiert als Lösungskonzentrationen, die chemisch eindeutig voneinander zu trennende Wasserherkunftsräume beschreiben (z.B. Niederschlag, Grundwasser, Bodenwasser, Quellgebiete, Gewässer von geologischen Einheiten oder typischer Landnutzung) (Ladouche et al. 2001, Soulsby et al. 2003). In erster Annäherung wird angenommen, dass die End Member in ihrer Konzentration zeitlich nicht variieren. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Durchmischung mehrerer End Member proportional erfolgt, so dass ihr gemeinsames chemisches Signal gleich mit dem Mischsignal des beprobten Gewässers ist. Für die Zuweisung einzelner Komponenten der entnommenen Wasserprobe sind mindestens zwei End Member notwendig. In dieser Arbeit wurden zunächst potentielle End Member auf der Grundlage von Informationen zur Geologie, Landnutzung und Topografie in einem GIS ausgewiesen. Es wurden vier Regionen identifiziert (Abb. 1b): der durch Quarzite geprägte Nordwesten, der Südosten mit vorwiegend Tonschiefer, die zentrale Region östlich und westlich der Dill mit Metabasalten (überwiegend Diabas und Schalstein) sowie der Westen mit Basalten und quartären Ablagerungen. (a) Landnutzung

(b) Geologie

Dill Dietzhölze

N Aar

Siedlung, Gewässer Wald Gründland Ackerland Transekt Dill Zufluss Dill

Quarzit Basalt, Quartär Tonschiefer Metabasalt (Diabas)

Abb. 1: Das Dill-Einzugsgebiet: (a) Landnutzung (Nöhles 2000). (b) Geologie. Anmerkung: Eine weitere Differenzierung zwischen tertiären Basalten und quartären Ablagerungen wurde in diesen Karten nicht vorgenommen.

RÄUMLICHE MODELLVALIDIERUNG MIT GEOGENEN TRACERN

127

Es wurde davon ausgegangen, dass Gewässer, die in den jeweiligen Regionen entspringen, in ihrer hydro-chemischen Zusammensetzung das geologische Ausgangsgestein und die Landnutzung widerspiegeln. Beispielsweise wurde postuliert, dass die im Nordosten des Einzugsgebiets unter Wald auf Quarzit fließenden Bäche eine geringe Leitfähigkeit und die auf Tonschiefer und unter Ackerbau liegenden Gebiete im Südosten eine eher hohe Leitfähigkeit aufweisen würden. Es wurde angestrebt, von jedem End Member mindestens zwei typische Gewässer zu beproben, um eine Variation der möglichen Ausprägungen abdecken zu können.

2.3 Konzeption des Snapshot Verfahren Ziel bei der Anwendung des Snapshot Verfahrens im Einzugsgebiet der Dill ist es, diffuse und punktuelle Gewässerbelastungen zu lokalisieren und quantifizieren (Biggs et al. 2002). Entlang der ca. 43 km langen Fließstrecke der Dill von ihrer Quelle bis zum Pegel Aßlar-Altenstädten wurden 39 Messpunkte festgelegt (Abb. 1a). Wesentliche Kriterien bei der Auswahl der Messpunkte waren eine Probenahme vor und nach dem Durchfluss der Dill und ihrer Nebenflüsse durch ein Siedlungsgebiet, die Erfassung industrieller Komplexe vor und nach der Einleitung in die Dill und nicht zuletzt eine gute Erreichbarkeit der Messstelle. Zudem wurde angestrebt auch solche Fließstrecken zu beproben, in denen nur geringe anthropogene Einflüsse zu erkennen sind, um gegebenenfalls Verdünnungseffekte oder gewässerinterne Abbauprozesse differenzieren zu können.

2.4 Probenahme und Analytik Die Wasserproben wurden im Stromstrich möglichst in der Mitte des Gerinnes entnommen und unmittelbar nach der Probenahme vor Ort filtriert (∅ 0,45 µm, Whatman PuradiscTM 25 pp, Clifton, USA). Die Lagerung erfolgte in 100 ml PEProbegefäßen. Die für die Elementanalytik bestimmten Proben wurden in säuregespülten PE-Probegefäßen gelagert und auf pH 200mm/a Gesamtabfluss realisiert. Die Grundwasserneubildung des unteren Wertespektrums ergibt sich aus einer multiplikativen Verknüpfung des rasterbasierten BFI mit dem flächendifferenzierten Gesamtabfluss (HAD-Atlastafel 3.5) nach BAGLUVA. Für die höheren Werte (> 200mm/a Gesamtabfluss) wurde eine zweite Regressionsgleichung ermittelt, die auch den in Schritt 1 ermittelten Baseflow-Index BFI und den Gesamtabfluss als unabhängige Variablen umfasst. Die beschriebene Vorgehensweise ist in der spezifischen Art der Fehlerfortpflanzung von Multiplikations und Additionsalgorithmen begründet. Diese bewirkt im direkten Vergleich eine bessere Anpassung der multiplikative Verknüpfung bei niedrigen Werten, während sich bei hohen Werten die Verhältnisse zugunsten der Regressionsvariante umkehren. Die Grenze zwischen den beiden Teilanwendungsbereichen wurde mit Hilfe einer iterativen Optimierung des Gütekriterium R2 zwischen Pegel- und Rasterwerten ermittelt (vgl. Abb. 4). Die signifikanten Parameter der beiden Regressionsgleichungen sind in den folgenden Tabellen dargestellt.

MAKROSKALIGE MODELLIERUNG DER GRUNDWASSERNEUBILDUNG

167

Tab. 1: Regression 1 – Baseflow-Index. Regressionsvariable

Basisdaten

Hydrogeologie, klassifiziert

HAD-Tafel 5.1

Hangneigung

HAD-Tafel 1.1 / DGM

Gewässernetzdichte

HAD-Tafel 1.2

Landnutzung – Flächenanteil Wald

HAD-Tafel 1.2 CORINE

Nutzbare Feldkapazität

HAD-Tafel 1.3 BÜK1000

GW-Flurabstand – Flächenanteil 0-1m

Mächtigkeit der GWÜberdeckung / BGR

Tab. 2: Regression 2 – Grundwasserneubildung. Regressionsvariable

Basisdaten

Gesamtabfluss BAGLUVA

Tafel 3.5 / HAD

Baseflow-Index (BFI)

gemäß Regression 1 (s.o.)

GW-Flurabstand 0-50 m (klassifiziert)

Mächtigkeit der GWÜberdeckung / BGR

Aus beiden Teilansätzen resultiert schließlich die im Kartenbild (Abb. 3) dargestellte mittlere jährliche Grundwasserneubildung von Deutschland. Die räumliche Zuordnung der beiden Anwendungsbereiche ergibt sich aus der Flächendifferenzierung der Gesamtabflusshöhe. Daraus folgt, dass die Multiplikationsvariante vorwiegend im trockenen Nordosten Deutschlands, im Rhein-Main-Gebiet sowie in Teilen Frankens umgesetzt wurde und etwa 1/3 der Gesamtfläche betrifft. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Regressionsvariante auf den Süden und Westen sowie die Mittelgebirge und wurde auf die verbleibenden 2/3 der Fläche angewendet.

168

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

4 Modellergebnisse Abbildung 4 zeigt die mittlere jährliche Grundwasserneubildung des Zeitraums 1961-1990 als Rasterdarstellung in der Auflösung 1 x 1km. Das Wertespektrum reicht von < 25 mm/a im Nordosten Deutschlands bis über 400 mm/a in den Hochlagen der Alpen und Mittelgebirge. Der deutschlandweite Mittelwert beträgt etwa 135 mm/a.

Abb. 3: Grundwasserneubildung von Deutschland auf der Grundlage des für den HAD entwickelten Regressionsansatzes HAD-GWNeu.

Die Grundwasserneubildung zeigt in Deutschland erwartungsgemäß eine stark klimatisch geprägte räumliche Differenzierung. So treten die niederschlagsreichen Mittelgebirge wie Schwarzwald, Harz und Rheinisches Schiefergebirge ebenso deutlich hervor wie die niederschlagsarmen Regionen auf deren Leeseiten (Thüringer Becken, Unterfranken). Im Gegensatz zu den großräumigen hydrometeorologischen Einflüssen wirken sich alle weiteren relevanten Größen wie Hangneigung, Flurabstand, Böden, Landnutzung, Gewässernetzdichte, Hydrogeologie, usw. eher kleinräumig aus. Als Beispiele sei auf Auenstandorte, Moorund Marschgebiete aber auch Siedlungsbereiche hingewiesen, die z.T auffällige Abweichungen vom klimatisch dominierten Gesamtgeschehen zeigen.

MAKROSKALIGE MODELLIERUNG DER GRUNDWASSERNEUBILDUNG

169

Stellt man die so ermittelten rasterbasierten Modellergebnisse im Sinne einer Validierung den pegelbezogenen Basisabflusswerten gegenüber, so zeigt sich mit einem Bestimmtheitsmaß von R2=0,8 eine insgesamt gute Übereinstimmung (Abb. 4). Die verhältnismäßig gering streuenden Werte < 300mm/a sind dabei bereits für einen Anteil von mehr als 95% der Gesamtfläche Deutschlands relevant. Die etwas stärkere Streuung am oberen Skalenende (> 300mm/a) spielt letztlich nur in den extrem niederschlagsreichen Hochlagen von Schwarzwald und Alpen eine Rolle. Die Plausibilität der Modellergebnisse konnte außerdem anhand von weiteren Validierungsschritten, Sensitivitätsstudien, Residuenanalysen und einer Diskussion der Unsicherheiten bestätigt werden. Grundw asserneubildung (H AD -GW N eu) 800

Grundw a sse rne ubildung [m m /a ]

700 600 R 2 = 0,80 500 400 300 200 100 0 0

100

200

300

400

500

600

700

800

Ba sisa bfluss a m Pe ge l [m m /a ]

Abb. 4: Vergleich der flächendifferenzierten Grundwasserneubildungsraten (Gebietsmittelwerte) mit den am Pegel abgeleiteten Basisabflusswerten (alle Angaben in mm/a).

Betrachtet man den Wasserhaushalt von Deutschland auf der Grundlage der für den HAD ermittelten Rasterzellenwerte, so ergibt sich die folgende mittlere Wasserbilanz:

GWN

=

Pkorr

ETa

RD

135 mm/a

=

859 mm/a

532 mm/a

192 mm/a

Die Bilanzwerte zeigen, dass in Deutschland immerhin ca. 62% des Niederschlags verdunsten und somit lediglich 38% abflusswirksam sind (R=327 mm/a). Davon gehen weitere 22% (= 58% bezogen auf R) durch Direktabfluss verloren, so dass letztlich nur noch 42% der Gesamtabflusshöhe bzw. 16% des Niederschlags effektiv zur Grundwasserneubildung beitragen. Da es sich hierbei um zeitlich und räumlich gemittelte Werte handelt, sind regional noch deutlich stärkere Differenzierungen möglich.

170

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

5 Fazit Der für den HAD entwickelte Regressionsansatz HAD-GWNeu ermöglicht eine konsistente deutschlandweite Modellierung der mittleren Grundwasserneubildung im km2-Raster. Die beschriebene Vorgehensweise basiert auf mehr als 100 Abflusszeitreihen und zeichnet sich durch statistisch abgesicherte Modellergebnisse aus. Auf diese Weise werden Grundwasserneubildungsraten unterschiedlicher Teilräume (Bundesländer, Flusseinzugsgebiete) erstmalig direkt vergleichbar, was insbesondere auch im Hinblick auf die Anforderungen der EUWasserrahmenrichtlinie von grundlegender Bedeutung ist.

Danksagung: Ein besonderer Dank gilt der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe als Auftraggeber des Vorhabens Erarbeitung von methodischen Grundlagen zur Ermittlung und Darstellung der flächenhaften Grundwasserneubildung sowie den Projektpartnern innerhalb des Verbundvorhabens HAD. Darüber hinaus sei auch den gewässerkundlichen Diensten der Bundesländer gedankt, die durch die Bereitstellung von Abflussdaten einen wesentlichen Beitrag zur Verfahrensentwicklung geleistet haben.

Literatur BMU (BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT) (Hrsg.) (1998, 2001, 2003): Hydrologischer Atlas von Deutschland. - 1. Lieferung (1998), 2. Lieferung (2001) und 3. Lieferung (2003); Bonn. DIN (DEUTSCHES INSTITUT FÜR NORMUNG) (Hrsg. 1994): DIN 4049-3 Hydrologie, Teil 3: Begriffe zur quantitativen Hydrologie. Glugla, G., P. Jankiewicz, C. Rachimow, K. Lojek, K.Richter, G. Fürtig, P. Krahe, A. Klämt, W. Neubert (2001): Mittlere jährliche Abflusshöhe. Tafel 3.5. In: Bundesmi-nisterium für Umwelt und Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg., 2001): Hydrologischer Atlas von Deutschland (HAD), Lfg. 2, Freiburg i. Br. Glugla, G., P. Jankiewicz, C. Rachimow, K. Lojek, K.Richter, G. Fürtig und P. Krahe (2003): Wasserhaushaltsverfahren zur Berechnung vieljähriger Mittelwerte der tatsächlichen Verdunstung und des Gesamtabflusses. BfGBericht, Nr. 1342, 106 S.

MAKROSKALIGE MODELLIERUNG DER GRUNDWASSERNEUBILDUNG

171

Jankiewicz, P., Neumann, J., Duijnisveld, W., Wessolek, G., Hennings, V. und Wycisk, P. (2004): Abflusshöhe, Sickerwasserrate, Grundwasserneubildung – Drei Themen im Hydrologischen Atlas von Deutschland. Hydrologie und Wasserbewirtschaftung (eingereicht). Kille, K. (1970): Das Verfahren MoMNQ, ein Beitrag zur Berechnung der mittleren langjährigen Grundwasserneubildung mit Hilfe der monatlichen Niedrigwasserabflüsse. Z. dt. geol. Ges., Sonderh. Hydrogeol. Hydrogeochem. 89-95. Neumann, J. & Wycisk, P. (2003): Mittlere jährliche Grundwasserneubildung. Tafel 5.5. In: Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg., 2003): Hydrologischer Atlas von Deutschland (HAD), Lfg. 3, Freiburg i. Br. Neumann, J. (2004): Flächendifferenzierte Ermittlung der Grundwasserneubildung von Deutschland auf der Grundlage des Regressionsverfahrens HADGWNeu (In Vorbereitung). Statistisches Bundesamt (2003): Wassergewinnung und Abwassereinleitung 2001. – http://www.destatis.de/basis/d/umw/umwtab3.htm.

UNSICHERHEITEN UND PARAMETERSENSITIVITÄT

173

Unsicherheiten und Parametersensitivität der simulierten Niedrigwasserdurchflüsse eines globalen hydrologischen Modells Frank Kaspar*)

Zusammenfassung: Es wird eine Unsicherheitsanalyse des hydrologischen Teils des globalen Modells WaterGAP 2 vorgestellt. Dabei wird das Verhalten des Modells bei der Simulation von Niedrigwasserdurchflüssen unter dem Einfluss von Klimaänderungsszenarien betrachtet. Die Analyse berücksichtigt Unsicherheiten der Modellparameter, sowie die Unsicherheiten, die sich durch Formulierung der Evapotranspiration und die Wahl des Klimamodells ergeben. Es werden 35 große, über alle Kontinente verteilte Einzugsgebiete untersucht, um allgemeine Schlussfolgerungen zu ermöglichen. Dabei zeigt sich, dass die Formulierung der Evapotranspiration nur geringen Einfluss auf die Ergebnisse hat. Die Unsicherheiten, die sich durch die Eingangsunsicherheiten der Modellparameter ergeben, sind in der Mehrzahl der Fälle deutlich größer. Dennoch sind diese Unsicherheiten von einer Größenordnung, die eindeutige Modellaussagen in den Szenarioanwendungen erlaubt, d.h. die durch die Klimaszenarien bewirkten Änderungen sind deutlich stärker ausgeprägt als die parameterbedingten Unsicherh eiten. Deutliche Unterschiede ergeben sich bei der Verwendung unterschiedlicher Klimamodelle. Die Sensitivitätsanalyse der Modellparameter zeigt, dass die parameterbedingte Unsicherheit überwiegend durch Faktoren beeinflusst wird, die im Zusammenhang mit den Seen und Feuchtgebieten stehen.

Abstract: An uncertainty analysis of the hydrologic component of the global model WaterGAP2 is performed. The low flow discharge under the influence of climatic change is regarded. The analysis considers the influence of input parameters as well as uncertainties caused be the formulation of the evapotranspiration process and the choice of the climate model. 35 large river basins which are located all continents are analysed. The formulation of the evapotranspiration process has only small influence on the results. Uncertainties resulting from the uncertainty of the input parameters are larger for the majority of basins. However, the magnitude of these uncertainties allows distinct conclusions, i.e. the *)

Max-Planck-Institut für Meteorologie, Modelle und Daten Gruppe, Bundesstr. 53, 20146 Hamburg, E-Mail: [emailprotected]

174

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

changes caused by the climate scenarios are larger than the uncertainties caused by the model parameters. Using different climate models leads to significant differences. A sensitivity analysis shows that the strongest influence on the parameter-related uncertainty is caused by factors related to lakes and wetlands.

1 Einleitung Das integrierte globale Modell WaterGAP 2 dient zur Abschätzung von Wasserknappheitsindikatoren der gegenwärtigen und zukünftigen Süßwassersituation. Dazu werden Veränderungen des Wasserdargebots und der Wassernutzung insbesondere unter dem Einfluss klimatischer und sozio-ökonomischer Veränderungen berechnet. Da die hydrologische Komponente gegen gemessene mittlere Durchflüsse in 724 Einzugsgebieten in allen Teilen der Welt kalibriert ist, ist sichergestellt, dass für historische Perioden eine vergleichsweise hohe Zuverlässigkeit bei der Simulation der mittleren Durchflüsse erreicht wird. In vielen Studien werden aber beispielsweise Niedrigwasserdurchflüsse zur Bewertung kritischer Situationen herangezogen. Im Folgenden wird daher eine Analyse vorgestellt, die zeigen soll, mit welchen Unsicherheiten die Berechnungen dieser nicht kalibrierten Größe behaftet sind. Von besonderem Interesse ist dabei auch das Verhalten in den Szenariorechnungen. Gegenübergestellt werden: (1) der Einfluss der Modellparameter, (2) der Einfluss der Modellstruktur am Beispiel der Evapotranspirationsgleichung und (3) der Einfluss der Klimamodelle in den Szenariorechnungen.

2 Das Modell WaterGAP 2 2.1 Überblick Das Modell WaterGAP 2 arbeitet rasterbasiert mit einer Auflösung von 0,5° × 0,5°. Jede Rasterzelle ist einem Land und einem Einzugsgebiet zugeordnet, so dass Aussagen für beide Einheiten möglich sind. Eine Übersicht über alle Teilmodelle ist bei Alcamo et al. (2003) zu finden, eine detailierte Modellbeschreibung der hydrologischen Komponenten bei Kaspar (2004), sowie deren Validierung bei Döll et al. (2003). Abbildung 1 gibt einen Überblick über die wesentlichen Elemente des hydrologischen Modellteils. Hier werden nur die Bestandteile erläutert, die zum weiteren Verständnis erforderlich sind.

UNSICHERHEITEN UND PARAMETERSENSITIVITÄT

175

2.2 Kalibration Der Abfluss Rl [mm/d] von den Landflächen der Rasterzellen wird mit dem Ansatz von Bergström (1995) berechnet: γ

⎛ S ⎞ ⎟ Rl = Peff ⎜⎜ ⎟ ⎝ S max ⎠

dabei ist Peff [mm] der am Boden ankommende Niederschlag, S [mm] der Bodenwassergehalt in der effektiven Wurzelzone und Smax [mm] die maximale Bodenwasserkapazität. Der Faktor γ wird zur Kalibration des Modells benutzt. Diese Kalibration erfolgt mit Hilfe gemessener Durchflussdaten an insgesamt 724 Messstationen, die durch das Global Runoff Data Center (Koblenz) zur Verfügung gestellt wurden. Um diese Kalibration durchführen zu können, wird zunächst der Zellabfluss zusammengeführt. Entweder direkt oder durch den Grundwasserspeicher wird er dem lateralen Transportsystem zugeleitet. Dieses besteht aus Seen, Feuchtgebieten und Flüssen, die durch eine Fließrichtungskarte miteinander verknüpft sind (Döll und Lehner, 2002). An den Positionen der Messstationen werden gemessener und simulierter mittlerer Durchfluss verglichen und der Kalibrationsfaktor γ so eingestellt, dass diese um maximal 1% voneinander abweichen (für den Zeitraum in dem Durchflussmessungen zur Verfügung stehen). Da dies nicht in allen Einzugsgebieten möglich ist, wird dort mit zusätzlichen Korrekturfaktoren gearbeitet (Döll et al., 2003). Alle anderen Parameter des Modells werden bei der Kalibration nicht verändert. Durch die Kalibration ist somit sichergestellt, dass bei Simulationen historischer Perioden eine vergleichsweise hohe Zuverlässigkeit für den mittleren Durchfluss erreicht wird. Das saisonale Verhalten wird durch die Kalibration nicht gezielt beeinflusst.

2.3 Anwendung von WaterGAP 2 auf Klimaszenarien WaterGAP 2 wurde in verschiedenen Untersuchungen zur Wirkung von Klimaveränderungen auf Wasserverfügbarkeit eingesetzt. In diesen Anwendungen wird davon ausgegangen, dass der kalibrierte Faktor auch unter verändertem Klima gültig bleibt. Zur Berechnung dieser Szenarien werden die meteorologischen Eingangsgrößen Niederschlag und Temperatur gemäß den Ergebnissen verschiedener Klimamodelle skaliert. Die von den Klimamodellen berechneten Größen können nicht direkt verwendet werden, da dies bereits für die Simulation der Vergangenheit zu erheblichen Abweichungen führen würde. Die Skalierung er-

176

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

folgt im Fall des Niederschlags multiplikativ und im Fall der Temperatur additiv (Kaspar, 2004). Im Folgenden wird untersucht, wie sich Unsicherheiten der Modellparameter auf die Ergebnisse solcher Szenariountersuchungen auswirken. NiederEc schlag P Kronenwasser durchfallender Niederschlag

vertikale Wasserbilanz der Landflächen

Sublimation

T < 0°C T > 0°C

Ea

Schnee Zufluss von obenliegenden Zellen

Abfluss Rl

Bodenwasser

Rg

Rs P

Grundwasser

Qb

lokale Seen

P

Epot

Epot

lokale Feuchtgeb.

Epot

P globale Seen P

anthropogener konsumptiver Verbrauch

Epot

globale Feuchtgeb. Fluss-Segment Ausfluss aus der Zelle

Abb. 1: Übersicht über das hydrologische Modul von WaterGAP 2.

3 Unsicherheitsanalyse des Modells WaterGAP 2 Der Wert des kalibrierten Faktors γ hängt davon ab, wie die sonstigen Modellparameter gewählt werden. Werden diese verändert, so ergibt sich bei erneuter Kalibration ein anderer Wert für γ. Obwohl die meisten Modellparameter nur mit einer gewissen Unsicherheit bekannt sind, wurden sie bei bisherigen Anwendungen des Modells auf einen festen Wert festgelegt. Der Unsicherheitsbereich kann sich zwischen den einzelnen Parametern stark unterscheiden. So gibt es im Modell Parameter, die auf Beobachtungen zurückgehen (Beispiel: Albedo von Schnee), aber auch Parameter, die nur grob geschätzt werden können (Beispiel: Tiefe der Feuchtgebiete). Um die Zuverlässigkeit typischer Modellergebnisse zu bewerten, soll durch die folgende Analyse überprüft werden, wie stark sich diese Parameterunsicherheiten auf das Gesamtergebnis auswirken. Dazu müssen zunächst die Unsicherheitsbereiche der Modellparameter festgelegt werden. Soweit möglich, erfolgt diese Festlegung auf der Grundlage von Literaturauswertungen. Für verschiedene Punkte im Parameterraum werden dann Kalibrationen sowie die zugehörigen Simulationen der Klimaszenarien durchgeführt. Für die Ausgabegrößen des Modells ergeben sich Häufigkeitsverteilungen, deren Form ein Maß für die Unsicherheit der Ergebnisse ist.

UNSICHERHEITEN UND PARAMETERSENSITIVITÄT

177

Für diese Untersuchung wird WaterGAP mit den von zwei verschiedenen Klimamodellen berechneten Werten für Niederschlag und Temperatur angetrieben. Verwendet werden Ergebnisse der Modelle ECHAM4/OPYC3 (Röckner et al., 1999) und HadCM3 (Gordon et al., 2000), jeweils für das Jahr 2075 berechnet mit Emissionen gemäß dem IS92a-Szenario des Intergovernmental Panel on Climate Change (Röckner et al., 1999). Die Ausgaben dieser Klimamodelle werden nicht direkt als Eingaben für WaterGAP verwendet, sondern zum Skalieren des beobachteten Klimas verwendet. Außerdem werden zwei Ansätze für die Evapotranspirationsgleichung verwendet, um zu demonstrieren, wie sich strukturelle Änderungen des Modells auswirken können: Zunächst der üblicherweise in WaterGAP 2.1 verwendete PriestleyTaylor-Ansatz und zusätzlich der Ansatz nach Penman-Monteith (Shuttleworth, 1992). Es ergibt sich somit die Möglichkeit, die Auswirkungen verschiedener Quellen von Unsicherheiten direkt gegenüberzustellen. Zur Auswahl der Stichproben aus dem Parameterraum wird aufgrund des hohen Rechenaufwands das Latin-Hypercube-Verfahren eingesetzt. Dieses kann im Vergleich zu anderen Verfahren bereits mit einer geringen Anzahl von Stichproben eingesetzt werden (Helton und Davis, 2000). Die Erzeugung der Stichproben und die Auswertung erfolgt mit dem Software-Paket SimLab (JRC-ISIS, 2000). Insgesamt werden jeweils 114 Stichproben verwendet. Dies entspricht dem Dreifachen der Anzahl der 38 Modellparameter, die in der Analyse berücksichtigt werden. Insgesamt werden 35 Einzugsgebiete untersucht, die über alle Kontinente verteilt sind. Aus den Simulationsergebnissen jeder Stichprobe werden dann mittlerer Durchfluss und Niedrigwasserdurchfluss bestimmt, um die parameterbedingten Unsicherheiten beider Größen zu veranschaulichen. Dabei wird jeweils ein 30jähriger Simulationszeitraum berücksichtigt. Unter Niedrigwasserdurchfluss wird in dieser Analyse die Durchflussmenge verstanden, die in 9 von 10 Monaten an einem Messpunkt überschritten wird. Diese wird üblicherweise als Q90 bezeichnet.

4 Ergebnisse 4.1 Unsicherheitsanalyse für den historischen Niedrigwasserdurchfluss und Vergleich mit Beobachtungsdaten Nach Berechnung aller Stichproben ergeben sich Häufigkeitsverteilungen für die verschiedenen Modellausgaben, die deren Unsicherheiten repräsentieren. Für die

178

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

folgenden Vergleiche werden für diese Stichproben jeweils Mittelwert und Standardabweichung bestimmt. Zunächst kann überprüft werden, wie stark sich die Unsicherheiten der Modellparameter auf die Mittelwerte im historischen Zeitraum auswirken. Dabei zeigt sich, dass die Kalibration sicherstellt, dass die Mittelwerte in den historischen Simulationen sehr genau getroffen werden. Für die Niedrigwasserdurchflüsse, die durch die Kalibration nicht gezielt beeinflusst werden, ergeben sich deutlich größere Unsicherheitsbereiche. Abbildung 2 zeigt am Beispiel des Rio Tocantins (Südamerika) die Häufigkeitsverteilung für die simulierten Mittelwerte und die simulierten Q90- Niedrigwasserdurchflüsse im Zeitraum von 1961 bis 1990. Deutlich erkennbar ist die erhebliche Verbreiterung des Unsicherheitsbereichs im Fall der nicht kalibrierten Größe. Der aus Messwerten ermittelte Q90-Durchfluss beträgt 2460 m3/s. Dieser ist aus monatlichen Messwerten der Jahre 1970-1981 ermittelt, da nur für diesen Zeitraum Messdaten verfügbar sind. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse für alle untersuchten Einzugsgebiete. Dargestellt sind Mittelwert und Standardabweichung des Niedrigwasserdurchflusses, jeweils relativ zum Durchfluss-Mittelwert. Gegenübergestellt sind außerdem die beobachteten Werte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese jeweils nur für den Zeitraum berechnet sind, für den Daten vorhanden sind, und dieser daher in der Mehrheit der Fälle nicht mit dem Simulationszeitraum übereinstimmt (19611990). Teilweise stehen nur Daten aus weniger als 10 Messjahren zur Verfügung. Für die Mehrheit der Einzugsgebiete zeigt sich dennoch eine akzeptable Übereinstimmung zwischen simulierten und beobachteten Werten. In einigen Fällen treten aber erhebliche Abweichungen auf. Beispielsweise liegen im Fall des Nil oder des Colorado die beobachteten Werte deutlich über den simulierten. Diese Einzugsgebiete enthalten große Stauseen, die einen erheblichen Einfluss auf die Saisonalität des Durchflusses haben. Da die Betriebsweise solcher Stauseen durch das Modell nicht abgebildet wird, kann unterhalb dieser Seen keine Übereinstimmung erwartet werden. In einigen weiteren Fällen liegen die beobachteten Werte deutlich unterhalb der simulierten. Fast alle diese Gebiete zeichnen sich durch einen hohen Schneeanteil aus (Nelson, Mackenzie, Ob, Yukon, Amur, Selenga). In den Simulationen wurden unkorrigierte Niederschlagsdaten verwendet. Diese enthalten insbesondere in schneereichen Gebieten erhebliche Messfehler und sind dadurch vermutlich für dieses Verhalten verantwortlich. Mit der Problematik der Schneemodellierung in WaterGAP 2 beschäftigen sich auch Schulze und Döll (2004).

UNSICHERHEITEN UND PARAMETERSENSITIVITÄT

179

1 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0

Volga

Onega

Danube-1

Elbe

Danube-2

Guadalquivir

Cooper Creek

Nelson

St.Lawrence

Mackenzie

Colorado-2

Colorado-1

Yukon

Mississippi

Tocantins

Amazonas

Ob

Parana

Yenisei

Selenga

Lena

Amur

Ganges

Euphrates

Indus

Mekong

Yangtze

Zambeze

Yellow River

White Nile

Nile

Volta

Niger

Zaire

1961-1990, PT, simuliert ermittelt aus Beobachtungsdaten

Oranje

Q90 relativ zum Mittelwert

Abb. 2: Ergebnisse der Unsicherheitsanalyse des Q90-Niedrigwasserdurchflusses am Beispiel des Rio Tocantins. Häufigkeitsverteilungen des simulierten Q90 und des simulierten mittleren Durchflusses für den Zeitraum 1961-1990.

Abb. 3: Gegenüberstellung von simuliertem und beobachtetem Niedrigwasserdurchfluss Q90. Die simulierten Werte basieren auf dem Zeitraum 1961-1990 und der Priestley-Taylor-Modellvariante. Dargestellt sind Mittelwert und Standardabweichung der 114 Stichproben.

4.2 Unsicherheitsanalyse für Niedrigwasserdurchfluss in Szenariosimulationen In Analysen von Klimaänderungsszenarien wird die Änderung des Q90 gegenüber der heutigen Situation betrachtet. Um die Unsicherheiten in derartigen Anwendungen zu demonstrieren, werden für alle Stichproben zusätzlich Simulationen mit verändertem Klima durchgeführt. Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse bei Ver-

180

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

wendung des ECHAM4/OPYC3-Klimamodells. Für jede Stichprobe wird das Verhältnis aus dem Q90 der Szenariorechnung und dem Q90 des historischen Zeitraums bestimmt und anschließend Mittelwert und Standardabweichung dieser Verhältnisse berechnet. Wichtig ist dabei, dass die Standardabweichungen von einer Größenordnung sind, mit der eindeutige Modellaussagen möglich sind. In der Mehrheit der Fälle ergibt sich eine eindeutige Aussage bezüglich einer Verminderung oder eines Anstiegs des Niedrigwasserdurchflusses. Im Fall des Colorado und der Elbe tritt nur eine geringfügige Veränderung des mittleren Q90 auf, verbunden mit einer hohen Standardabweichung, so dass sich in diesen Fällen keine eindeutige Tendenz ergibt.

2 1.8 1.6 1.4 1.2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0

Volga

Onega

Danube-1

Elbe

Danube-2

Cooper

Guadalquivir

Nelson

St.Lawrence

Mackenzie

Colorado-2

Colorado-1

Yukon

Mississippi

Tocantins

Amazonas

Ob

Parana

Yenisei

Selenga

Lena

Amur

Ganges

Euphrates

Indus

Mekong

Yellow

Yangtze

Zambeze

White Nile

Nile

Volta

Niger

Zaire

ECHAM4-PT

Oranje

Q90 rel. zum Q 90 1961-1990

Die Analyse wurde mit einer Modellvariante wiederholt, bei der die Evapotranspiration gemäß dem Ansatz nach Penman-Monteith statt nach PriestleyTaylor formuliert ist. Außerdem wurden die Klimamodelle HadCM3 und ECHAM4/OPYC3 verwendet. Eine Gegenüberstellung der Resultate ist in Abbildung 5 gezeigt. Dargestellt sind nur die Mittelwerte der Stichproben. Die Verwendung der verschiedenen Evapotranspirationsgleichungen führt nur zu minimalen Veränderungen der Ergebnisse. Die Unterschiede sind deutlich geringer als die zuvor diskutierten Standardabweichungen, die durch die Unsicherheit der Modellparameter verursacht wurden. Eine Ausnahme stellt der Nelson dar. Dort ändert sich der Niederschlag im Fall des ECHAM4/OPYC3-Modells nur um 0,1%. Die Durchflussveränderung wird daher fast ausschließlich über eine Veränderung der Verdunstung bewirkt. Aus diesem Grund kommt hier der Wahl der Evapotranspirationsformulierung größere Bedeutung zu.

Abb. 4: Niedrigwasserdurchfluss Q90 für das ECHAM4/OPYC3-Klimaszenario. Mittelwert und Standardabweichung, jeweils relativ zum Q90 der historischen Simulation. Eingesetzt wurde die Modellversion mit Priestley-TaylorEvapotranspiration.

UNSICHERHEITEN UND PARAMETERSENSITIVITÄT

181

2 1.8 1.6 1.4 1.2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0

Volga

Onega

Danube-1

Elbe

Danube-2

Cooper

Guadalquivir

Nelson

St.Lawrence

Mackenzie

Colorado-2

Colorado-1

Yukon

Mississippi

Tocantins

Amazonas

Ob

Parana

Yenisei

Selenga

Lena

Amur

Ganges

Euphrates

Indus

Mekong

Yellow

Yangtze

Zambeze

White Nile

Nile

Volta

Niger

Zaire

ECHAM4-PT ECHAM4-PM HadCM3-PT HadCM3-PM Oranje

Q90 rel. zum Q90 1961-1990

Zwischen den beiden Klimaänderungsszenarien treten deutlich größere Abweichungen auf. Teilweise ergeben sich unterschiedliche Richtungen für die Änderungen des Niedrigwasserdurchflusses. Dieses Verhalten ist bereits bei direktem Vergleich der von den Klimamodellen berechneten regionalen Niederschlagsänderungen erkennbar.

Abb. 5: Mittelwerte des Niedrigwasserdurchflusses Q90 für die Klimaszenarien ECHAM4/OPYC3 und HadCM3 berechnet mit Priestley-Taylor- (PT), sowie Penman-Monteith-Evapotranspiration (PM).

4.3 Sensitivitätsanalyse für den Niedrigwasserdurchfluss Um die Parameter zu identifizieren, die den größten Beitrag zu den Unsicherheiten liefern, kann ausgehend von den berechneten Stichproben eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt werden. Für eine derartige Analyse sind verschiedene Sensitivitätsmaße denkbar, die jeweils auf den Korrelationen oder Regressionen zwischen den Werten der Modellparameter und den Ausgabegrößen beruhen (Campolongo et al., 2000). Eine Gegenüberstellung verschiedener Sensitivitätsmaße am Beispiel einzelner Einzugsgebiete hat gezeigt, dass die Wahl des Sensitivitätsmaßes nicht zu abweichenden Schlussfolgerungen bezüglich der Parameter mit höchster Sensitivität führt. Für die vollständige Analyse wurden partielle Rangkorrelationskoeffizienten ausgewählt. Bis auf wenige Ausnahmen weisen Parameter, die im Zusammenhang mit der Modellierung der Seen und Feuchtgebiete stehen, die höchste Sensitivität auf. Diese Parameter sind bereits mit einer hohen Eingangsunsicherheit behaftet, da für die Behandlung der offenen Gewässer im Modell mangels besserer Information sehr einfache Ansätze gewählt wurden. Um eine Verringerung der Unsicherheiten bei der Niedrigwasserberechnung zu erreichen, sollte daher eine realistischere Beschreibung der Seen und Feuchtgebiete angestrebt werden. Detailiertere Ergebnisse dieser Sensitivitätsanalyse sind bei Kaspar (2004) zu finden.

182

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

5 Schlussfolgerungen Die Unsicherheitsanalyse der hydrologischen Komponente des Modells WaterGAP 2 erlaubt die Gegenüberstellung verschiedener Quellen von Unsicherheiten. Für die Simulation der Niedrigwasserdurchflüssen haben sich am Beispiel von 35 große Einzugsgebieten folgende Schlussfolgerungen ergeben: Die Formulierung der Evapotranspiration hat nur geringen Einfluss auf die Modellergebnisse. Für diesen Effekt ist die Kalibration verantwortlich. Die Unsicherheiten, die sich durch die Eingangsunsicherheiten der Modellparameter ergeben, sind in der Mehrzahl der Fälle deutlich größer. Dennoch sind die durch die Klimaszenarien bewirkten Änderungen deutlich stärker ausgeprägt als die parameterbedingten Unsicherheiten, somit sind eindeutige Modellaussagen möglich. Deutliche Unterschiede ergeben sich bei der Verwendung unterschiedlicher Klimamodelle. Diese Unterschiede sind erheblich größer als die zuvor beschriebenen Unsicherheiten. Die Sensitivitätsanalyse der Modellparameter zeigt, dass die parameterbedingte Unsicherheit überwiegend durch Faktoren beeinflusst wird, die im Zusammenhang mit den Seen und Feuchtgebieten stehen. In diesem Modellteil besteht also vorrangiger Entwicklungsbedarf.

Literatur Alcamo, J. , Döll, P., Henrichs, T., Kaspar, F., Lehner, B., Rösch, T., Siebert, S. (2003): Development and testing of the WaterGAP 2 global model of water use and availability. Hydrological Sciences Journal 48, Nr. 3, S. 317-383. Bergström, S. (1995): The HBV model. In: Singh, V. P. (Hrsg.): Computer Models of Watershed Hydrology, S. 443-476. Water Resources Publications. Campolongo, F., Saltelli, A., Sorensen, T, Tarantola, S. (2000): Hitchhiker’s guide to sensitivity analysis. In: Saltelli, A., Chan, K., Scott, E.M. (Hrsg.): Sensitivity Analysis, John Wiley & Sons, S. 16-47. Döll, P., Kaspar, F., Lehner, B. (2003): A calibrated global hydrological model for deriving water availability indicators: model tuning and validation. Journal of Hydrology, 270, Nr. 1-2, S. 105-134. Döll, P., Lehner, B. (2002): Validation of a new global 30-minute drainage direction map. Journal of Hydrology 258, S. 214-231.

UNSICHERHEITEN UND PARAMETERSENSITIVITÄT

183

Gordon, C., Cooper, C., Senior, C.A., Banks, H., Gregory, J. M., Johns, T. C., Mitchell, J. F. B., Wood, R.A. (2000): The simulation of SST, sea ice extends and ocean heat transports in a version of the Hadley Center coupled model without flux adjustments. Climate Dynamics (16), S. 147-168. Helton, J.C., Davis, F.J. (2000): Sampling-Based Methods. In: Saltelli, A., Chan, K., Scott, E. M. (Hrsg.): Sensitivity Analysis, S. 101-153. John Wiley & Sons. Joint Research Centre, Institute for Systems, Informatics and Safety (JRC-ISIS, 2000): SimLab 1.1 - Simulation environment for uncertainty and sensitivity analysis. European Commission, I-21020 Ispra, Italien. Kaspar, F. (2004): Entwicklung und Unsicherheitsanalyse eines globalen hydrologischen Modells. Dissertation am Fachbereich Physik der Universität Kassel. Kassel University Press, in Druck. Röckner, E., Bengtsson, L., Feichter, J., Lelieveld, J., Rodhe, H. (1999): Transient climate change simulations with a coupled atmosphere-ocean GCM including the tropospheric sulfur cycle. Journal of Climate, 12, S. 30043032. Schulze, K., Döll, P. (2004): Neue Ansätze zur Modellierung von Schneeakkumulation und –schmelze im globalen Wassermodell WaterGAP; dieser Tagungsband. Shuttleworth, W.J. (1992): Evaporation. In: Maidment, D.R. (Hrsg.): Handbook of Hydrology, S. 4.1-4.53. McGraw-Hill.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

185

Fernerkundung und Hochwasser-Vorhersage Ergebnisse und Entwicklungen aus dem InFerno Projekt Florian Appel1, Heike Bach1, Alexander Löw2, Ralf Ludwig2 , Wolfram Mauser2, Björn Waske2, Ute Merkel3, Werner Schulz3

Zusammenfassung: Das InFerno Projekt der LfU Baden-Württemberg hat zum Ziel, mit Hilfe der Fernerkundung einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung operationeller hydrologischer Modellierungen zu leisten. Die Arbeitsschwerpunkte liegen hierbei auf der Entwicklung von Verfahren zur Ableitung und Assimilierung von Fernerkundungsprodukten sowie in der Ableitung notwendiger Information zur Anpassung des für die Einzugsgebiete von Neckar und Mosel verwendeten Wasserhaushaltsmodells LARSIM (Large Area Runoff Simulation Model). Die Nutzungsmöglichkeiten der Fernerkundung in der operationellen Wasserhaushaltsmodellierung und Hochwasservorhersage werden im Folgenden anhand des Beispiels der Schneedecke und der oberflächennahen Bodenfeuchte aufgezeigt. Im Rahmen des Projektes wurden Methoden entwickelt und in operationelle Verfahren umgesetzt, die die vorliegenden Fernerkundungsdaten automatisch aufbereiten und die abgeleiteten Informationen in die bestehende Modellstruktur assimilieren. Ein Verfahren der automatischen Aufbereitung und Auswertung von optischen NOAA-AVHRR Daten zur Schneedeckenbestimmung, der Integration in die Modellierung, sowie die Nutzung von ENVISAT ASAR Daten zur Detektion der Schneefeuchte und der oberflächennahen Bodenfeuchte werden vorgestellt.

Abstract: In the InFerno project the potential of using remote sensing data for operational hydrological modelling will be used. Main working fields are the development of methodologies for the derivation of input datasets from remote sensing and the adaption of the LARSIM model applied in the HVZ. In this paper methods of automatic analysis of NOAA-AVHRR and ENVISAT ASAR data for snow and soil parameter retrieval are presented and discussed. 1 2 3

VISTA Geowiss. Fernerkundung GmbH, Gabelsbergerstraße 51, 80333 München; E-Mail: [emailprotected] LMU München, Deptartment für Umwelt- und Geowissenschaften, Sektion Geographie; E-Mail: [emailprotected] Hochwasser-Vorhersage-Zentrale (HVZ), LfU Baden-Württemberg, E-Mail: [emailprotected]

186

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

1 Einführung Die Möglichkeiten der Fernerkundung zur Ableitung von Landoberflächenparametern mit hoher zeitlicher und räumlicher Variabilität über größere Gebiete hinweg sind für hydrologische Fragestellungen von zunehmender Bedeutung. Wesentliche Forschungsnhalte stellen die Bereitstellung von hoch aufgelöster Information zur Schneebedeckung und der oberflächennahen Bodenfeuchte dar. Gerade durch ihre hohe Dynamik im Mittelgebirgsraum beeinflusst die Schneedecke den Hochwasserablauf maßgeblich. Die Qualität der Hochwasservorhersage ist bei Winterereignissen im Mittelgebirgsraum oft stark von der Information über die Schneedecke abhängig. Dabei stehen meist nur wenige Messwerte der Schneehöhe bzw. des Schneewasseräquivalents online zur Verfügung. Fernerkundungsdaten liefern dagegen neben der reinen räumlichen Erfassung der Schneefläche auch Möglichkeiten der Bestimmung der Verteilung von feuchtem (und damit schmelzendem Schnee. Dieser kann durch Rückhalt oder Abgabe von Schmelz- bzw. Regenwasser den Verlauf der Abflüsse in den Gerinnen maßgeblich beeinflussen. Die oberflächennahe Bodenfeuchte ist durch Methoden der Radarfernerkundung detektierbar. Sie ist ein zentraler Indikator für das Sättigungsdefizit des Bodens und liefert damit gerade im Hinblick auf Hochwassersituationen wertvolle Informationen über die tatsächliche flächenverteilte Aufnahmekapazität der Böden. Eine im Rahmen des Projektes entwickelte Methodik zur automatischen Aufbereitung und Auswertung von optischen NOAA-AVHRR Daten zur Schneedeckenbestimmung soll hier näher vorgestellt werden. Dieses Verfahren liefert, in Abhängigkeit der Wolkenbedeckung, täglich aktuelle Daten über die Ausdehnung der Schneebedeckung und die Lage der Schneegrenze. Diese Informationen können in den operationellen Betrieb des Abflussvorhersagemodels LARSIM integriert werden, um die Modellierung zu prüfen und zu initialisieren. Zusätzlich werden die Methoden und erste Ergebnisse der Ableitung von Schneedecken-Eigenschaften aus Radar-Daten (ERS und ENVISAT) präsentiert. Diese räumlich und durch Nutzung von ENVISAT ASAR auch zeitlich hochauflösenden Daten können Informationen über die Verteilung des nassen (schmelzenden) Schnees, aber auch über die aktuelle Bodenfeuchte liefern. Durch die Unabhängigkeit der Radarsensoren von Beleuchtung und Wolkenbedeckung zeigt sich gerade für die angewandte hydrologische Modellierung ein hohes Potential. Die Aufbereitung und Auswertung der Daten werden innerhalb des Projektes für das Neckar- und Moseleinzugsgebiets durchgeführt. In diesen Gebieten werden durch Anpassungen des operationellen Wasserhaushaltsmodells LARSIM durch die HVZ (Hochwasser-Vorhersage-Zentrale) der LfU die Möglichkeiten der In-

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

187

tegration in die Praxis der operationellen Hochwasservorhersage erarbeitet. Die Erweiterung der Input-Daten zur Wasserhaushaltsmodellierung soll die Verlässlichkeit der Vorhersage weiter steigern, und somit zu verlängerten Vorwarnzeiten für Hochwasserereignisse beitragen.

2

Das Inferno Projekt

Ziel des im Herbst 2000 gestarteten Projektes InFerno, ist die Integration multisensoraler Fernerkundungsdaten in das operationell betriebene Wasserhaushaltsund Abflussmodell LARSIM der LfU Baden-Württemberg und des LfW Rheinland-Pfalz für den Neckar und die Mosel. Die notwendigen Algorithmen und Methoden zur Ableitung hydrologisch relevanter Information zum Zustand der Schneedecke bzw. der Feuchte der oberen Bodenschicht werden an der Universität München, Department für Umwelt- und Geowissenschaften, Sektion Geographie (IGGF) erarbeitet. Die Resultate werden anschließend durch eine „value-adding“ Firma (VISTA) in robuste Verfahren umgesetzt, um die erforderlichen Fernerkundungsprodukte zuverlässig und automatisiert erzeugen zu können. Diese Zusammenarbeit ermöglicht eine Verzahnung von Forschungs- und Produktionsstrategien, die für eine erfolgreiche Implementierung durch den Endanwender (LfU, LfW) und damit eine langfristige Etablierung entscheidend ist. Die Fernerkundungsprodukte werden in einer Pilotphase für die Einzugsgebiete von Neckar (14.000 km²) und Mosel (28.000 km²) bei den zuständigen Behörden erprobt. Die für die Assimilierung der Produkte erforderlichen Anpassungen des hydrologischen Modells werden ebenfalls durch die Anwender implementiert.

Abb. 1: Das Team und die Arbeitsgebiete innerhalb des Inferno Projektes.

188

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Langfristiges Ziel ist die routinemäßige Einbindung der Fernerkundungsdaten in die Modelle der beteiligten Behörden. Damit werden Methoden und Verfahren zur Verfügung stehen, die einen großen Beitrag zur Verbesserung der Hochwasser-vorhersage durch den operationellen Einsatz der Fernerkundung leisten können.

3

Optische Fernerkundungsverfahren

3.1

Verfügbare Sensoren und Fernerkundungsdaten

Für die Abschätzung der Schneebedeckung (Lage, Ausdehnung und Dauer) bieten optische Sensoren gute Möglichkeiten. Durch die hohe Reflexion der Schneeflächen unterscheiden sich diese deutlich von allen anderen Landoberflächen. Wolken, die im sichtbaren Wellenlängenbereich ähnlich hohe Reflexionswerte aufweisen wie Schneeflächen, lassen sich durch geeignete Spektralkanäle (Mittleres Infrarot), wie sie bei den meisten Sensoren verfügbar sind, von diesen differenzieren. Optische Sensoren mit mittlerer- bis niedriger Auflösung (100 m – 1km) (z.B. NOAA-AVHRR, MODIS, MERIS) bieten die Vorteile einer großen räumlichen Abdeckung und damit verknüpft einer sehr hohen zeitlichen Wiederholrate. Ursprünglich zur Wetterbeobachtung (NOAA) konzipiert, bieten die aktuellen Sensoren, hervorragende Möglichkeiten der operationellen Anwendung auch für Auswertungen der Landoberfläche. Gerade für die durch hohe zeitliche Dynamik gekennzeichnete Schneedecke bieten diese Sensoren eine gutes Anwendungspotential. Durch die Möglichkeit mehrere Sensoren, bzw. Überflüge eines Sensors pro Tag auszuwerten, können lokale Wolkenüberdeckungen ausgeglichen werden. Für die Integration in die Hochwasser- und Abflussvorhersage größerer Einzugsgebiete sind die niedrigen räumlichen Auflösungen (NOAA 1km; MERIS 250m) ausreichend. Eine direkte Detektion der weiteren hydrologischen Eigenschaften der Schneedecke (Schneehöhe, Wasseräquivalent) ist mit optischen Sensoren jedoch nicht möglich. Innerhalb des Projektes wurde die Methodenentwicklung und Auswertung anhand von NOAA-AVHRR Daten durchgeführt. Die Daten werden durch das Department für Geo- und Umweltwissenschaften, Sektion Geographie der Universität München, das eine entsprechende Empfangsanlage betreibt, bereitgestellt.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

3.2

189

Operationelle Verarbeitung von optischen Daten

Durch die Orbitkonfiguration der NOAA Satelliten wird jedes Gebiet zweimal am Tag durch den jeweiligen Sensor überflogen. Die derzeit betriebenen NOAA 16 und 17 können somit am späten Vormittag und frühen Nachmittag empfangen werden. Die automatische Aufbereitung erfolgt nach Eingang der direkt vom Sensor mittels Parabolantenne empfangenen Bilddaten. Innerhalb weniger Minuten stehen die Ergebnisse für die Anwender bereit. Der Ablauf der Prozessierung gliedert sich in einzelne Module, die durch ein zentrales Steuerprogramm aufgerufen werden. Dieses ermöglicht, die Daten ohne weiteren Eingriff durch den Benutzer, bis hin zur Ausgabe einer geometrisch korrigierten Schnee-Wolken–Kartierung zu verarbeiten und kodierte Produkte (Schneekarte + Schneegrenzdatei) für den Export bereitzustellen. Der Ablauf der automatischen Prozesse (siehe Abb. 2) besteht dabei zunächst aus einer geometrischen Bearbeitung der NOAA-Daten anhand der Bahndaten des Sensors, einer radiometrischen Korrektur der Daten anhand von bekannten und aktuell übermittelten Kalibrierwerten. Auf diesem Datensatz wird eine spektrale Schnee- und Wolken- Klassifikation durchgeführt. Um die exakte Lagetreue der Szenen zu gewährleisten, erfolgt im Anschluss an diesen Schritt eine geometrische Überprüfung. Diese basiert auf dem räumlichen Vergleich der aktuell ermittelten Bilddaten mit einem Referenzdatensatz. Dabei werden für die Szene individuelle geometrische Korrekturwerte bezüglich der Translation der Daten ermittelt.

Abb. 2: Schema der automatsichen Prozessierung zur Ableitung der Schneefläche und Schneegrenze.

Je nach Ergebnis dieses Schrittes werden die ermittelten Datensätze zusammengefasst und archiviert, oder anhand des ermittelten Korrekturwertes nochmalig prozessiert. In diesem Korrekturlauf werden die einzelnen Schritte erneut durchgeführt. Die Navigation berücksichtigt nun, neben den Korrekturwerten des ersten Durchlaufs, auch die Geländehöhe und ermöglicht somit den Ausgleich des Reliefversatzes. Die Klassifikation (siehe 3.2) kann nun optimiert durchgeführt werden. Der daraus resultierende Datensatz wird erneut auf Lagetreue geprüft

190

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

und nur bei Übereinstimmung für weitere Schritte freigegeben. Vor dem Export wird eine zusätzliche Nachklassifikation sowie eine Überprüfung der Plausibilität der Ergebnisse durchgeführt. Produkte die allen gesetzten Kriterien genügen, stehen anschließend zur Abfrage via FTP bereit.

3.3

Ableitung der Schneeflächen-Information

Die Ableitung der Schneedecke wird während eines Prozessierungslaufes zweimal durchgeführt. Im ersten Lauf, bei dem die geometrische Übereinstimmung zwischen Bild- und Geländedaten noch nicht sichergestellt ist, erfolgt die Klassifikation mittels universeller Grenzwerte. Erst im zweiten Durchlauf der Prozessierung können zur Klassifikation auf die detaillierten Verfahren der Klassifikation mit korrigierten Reflexions- und angepassten Grenzwerten zurückgegriffen werden. Die Ableitung der Schneedecke stützt sich hier neben der spektralen Information auch auf Thermalstrahlungswerte und Zusatzinformationen aus einem bereitstehenden GIS. Dabei werden neben den topographischen Effekten (Gefälle / Exposition) zur Korrektur der Albedowerte anhand des lokalen Sonneneinfallswinkel auch Landnutzungs-Informationen (Anteile je Pixel) berücksichtigt. Eine Berücksichtigung speziell der Waldflächen ist notwendig, da Wald die Reflexionseigenschaften von schneebedeckten Gebieten signifikant beeinflusst. Zum Ausgleich wird in Abhängigkeit vom Waldanteil die Schneeklassifikation mit angepassten Grenzwerten durchgeführt. Zudem werden auch Informationen über Wasserflächen berücksichtigt. Für diese Flächen sind keine Klassifikationsergebnisse Schnee und Schneefrei möglich. Dieses ermöglicht eine bessere Abgrenzung zwischen der Schneedecke und schneefreien Flächen bei der folgenden Nachklassifikation und Ableitung der Schneegrenze.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

191

Abb. 3: Original NOAA AVHRR Szenen (links) und operationelle SchneeWolken Klassifikation für Baden-Württemberg (rechts) vom 22.02.2003. Der Nachklassifikationsansatz ermöglicht eine nachträgliche Reduktion von unklassifizierten und bewölkten Pixel. Er verwendet neben der Nachbarschafts- und DGM-Information auch Strahlungstemperaturen. Aus dem Verhältnis aus tieferliegenden Schneeflächen zu höherliegenden Freiflächen der näheren Umgebung (wenige Kilometer) kann bei ausreichender Information eine Zuordnung in die Klassen „schneefrei“ und „schneebedeckt“ erfolgen. Die aus spektralen Informationen abgeleitete Schneebedeckung wird aber nicht verändert. Einzelne schneefreie Flächen werden zusätzlich überprüft und gegebenenfalls ersetzt. Um der Problematik bei der Klassifikation von Waldflächen (Schnee liegt unter den Bäumen) Rechnung zu tragen, werden diese im schneefreien Fall gesondert markiert. Ziel ist es, mögliche fehlklassifizierte und unklassifizierbare Pixel zu erkennen und auszuschließen, um für die Modellierung einen plausiblen Datensatz bereitzustellen Die Schneegrenzen-Detektion markiert Schnee- und Freiflächen, die annähernd gleichviel freie wie schneebedeckte Pixel in ihrer Ungebung besitzen. Dabei werden nur schneefreie Pixel, die direkt an Schneeflächen grenzen (= grüne Schneegrenze) oder Schneepixel, die direkt an schneefreie Flächen grenzen (= weiße Schneegrenze), markiert. Um einzelne lokale Schneeflecken oder mögliche Fehlklassifikationen nicht zu berücksichtigen, werden nur Grenzen zu größere Schneeflächen mit mehreren Pixel markiert.

192

3.4

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Plausibilisierung der automatischen Schnee-Kartierung

Anhand der Stationsmessungen der Schneehöhe des Winters 2001/2002 in Baden-Württemberg konnte eine Auswertung der operationellen NOAA-Produkte dieses Zeitraumes durchgeführt werden. Dabei wurden aus den Stationsdaten die Werte von 392 Messstellen ausgewählt und mit den Klassifikationsergebnissen von 63 NOAA Szenen verschnitten. Die Auswahl bei den Stationen bezog sich dabei auf eine ausreichende Anzahl von Meldungen (nicht alle Stationen übermittelten Werte) und eine, zumindest teilweise vorhandenen Schneebedeckung bei den NOAA Szenen. Termine ohne jegliche Schneebedeckung des Gebietes blieben somit unberücksichtigt. Zur Auswertung kamen insgesamt 14026 Datenpaare, die eine Übereinstimmung zwischen Stationsmessung und Fernerkundungsbeobachtung zu 95,6 % zeigten. Weitere räumliche und punktuelle Vergleiche bestätigten das Ergebnis der sehr guten Übereinstimmung.

3.5

Schneeflächen als Eingangsgröße in die hydrologische Modellierung

Die operationelle Ableitung der Schneedecke aus täglichen NOAA-AVHRR Szenen läuft seit dem Winter 2001/2002 nahezu problemlos. Im Zuge der Praxis, Anwendung und Erfahrungen mit dem Verfahren der letzten Winter, wurde die Methodik, Klasseneinteilung und Ausgabe in den Exportdateien in Zusammenarbeit mit den Nutzern schrittweise optimiert. Neben einer Schneekarte zur Visualisierung der Situation wird eine Inputdatei für die Modellierung erstellt, die die aktuell ermittelte Schneegrenze und die schneefreien Flächen innerhalb des Neckar-Einzugsgebietes enthält. Um aus der räumlichen Information aus Fernerkundung zu qualitativen Aussagen über die Schneedecke zu kommen, wird jeweils der weißen und grünen Schneegrenze, sowie den freien Flächen ein theoretischer Wert (6mm / 3mm / 0 mm) an Schneewasseräquivalent (SWE) zugeordnet. Dieser Datensatz kann, zusammen mit vorliegenden Stationsmessungen (Schneehöhe / SWE), zur Optimierung in das Model eingelesen werden. Über die aktuelle Lage der Schneegrenze kann unter anderem die Grenztemperatur angepasst, und die Modellierung des SWE verbessert werden. Eine große Bedeutung für den operationellen Betrieb kommen den Anforderungen nach einem zuverlässigem Betrieb und sicheren Ergebnissen zu. Um eine automatische Integration der Produkte zu ermöglichen, gelangen nur Produkte in den Export, die eng gesetzte Kriterien (Sonnenhöhe, Geometrie, ...) erfüllen.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

4.

Radarfernerkundungsverfahren

4.1.

Ableitung der Ausdehnung von nassen Schnee

193

Bei der Erfassung von Schneeeigenschaften in mittleren Einzugsgebieten bieten sich zusätzlich hochauflösende Mikrowellensysteme an. SAR-Systeme (Synthetic Aperture Radar) bieten aufgrund ihrer aktiven Arbeitsweise und der guten räumlichen Auflösung (25 – 150 m) viele Einsatzbereiche in der Hydrologie. Durch die Unabhängigkeit von natürlichen Strahlungsverhältnissen und der Möglichkeit die Atmosphäre unabhängig von ihrem Zustand (Wolken und Witterung) nahezu uneingeschränkt zu durchdringen, bieten sich weitere große Vorteile für eine operationelle Anwendung. Mit der Verfügbarkeit von ENVISAT ASAR WSM (WideSwathMode) Daten lassen sich auch größere Gebiete in rascher Folge (rund alle 3 Tage) aufzeichnen und auswerten. Da die Rückstreuung von Radarsignalen von den Dielektrizitätseigenschaften der Oberfläche abhängt, und diese im Wesentlichen vom Anteil flüssigen Wassers, ist es prinzipiell möglich, den Zustand einer Schneedecke, aber auch der oberflächennahen Bodenschicht, mit SAR-Sensoren zu erfassen. Die Information über den inneren Zustand einer Schneedecke, ob der Schnee gefroren ist und somit Niederschlagswasser speichern kann, oder zu Tauen beginnt und ein auftretender Regen das Tauen noch verstärkt, ist eine wichtige Information für die Hochwasservorhersage. Gerade das Auftreten von flüssigem Wasser im Schnee führt zu drastischen Änderungen der dielektrischen Eigenschaften, und somit zu stark geänderten Rückstreueigenschaften. Insgesamt resultiert aus zunehmenden Flüssigwassergehalt eine abnehmende Gesamtrückstreuung. Die Möglichkeit nassen Schnee zu kartieren und dabei von schneefreien oder mit trockenem Schnee bedeckten Flächen abzugrenzen, ergibt sich aus dem Vergleich einer Szene mit einem Referenzbild, das unter schneefreien / trockenen Bedingungen entstanden ist. Die dabei auftretenden Differenzen in den Rückstreuwerten sind dabei sehr deutlich.

4.2

Durchführung der Nass-Schnee Detektion

Seit dem Herbst 2002 sind ENVISAT ASAR Szenen verfügbar. Um die bisher für die ERS Satelliten entwickelten Aufbereitungs- und Auswerteroutinen anzuwenden, wurden zahlreiche Anpassungen durchgeführt. Um eine operationelle Aufbereitung zu ermöglichen, wurde ein automatisiertes Verfahren entwickelt, das sowohl die geometrische und radiometrische Verarbeitung der ASAR Daten, also auch die Produkterstellung in kurzer Zeit gewährleistet. Mit der projektierten near-real-time Verfügbarkeit (NRT) der ENVISAT ASAR Daten wird so, ähn-

194

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

lich wie für NOAA-AVHRR Daten, eine weitere operationelle Quelle zur Ableitung von Eingangsdaten für die Modellierung des Wasserhaushaltes zur Verfügung stehen.

Abb. 4: Schema der operationellen Produkterstellung aus ERS SAR und ENVISAT ASAR Daten für die Modellintegration.

Die Möglichkeiten der Integration der bisher aus SAR Daten gewonnenen Parameter der Schnee- und Bodeneigenschaften in die Modellierung befindet sich derzeit in der Erprobung.

4.3

Erste Ergebnisse der ASAR Nass-Schnee-Detektion

Neben zahlreichen Testfällen für Neckar und Mosel (ERS, RADARSAT) konnten aus den neuen ASAR WSM Datensätzen für den Winter 2002/2003 erste operationell erstellte Klassifikationen abgeleitet werden. Das Beispiel (Abb. 5) zeigt das Abschmelzen der Schneedecke in Süddeutschland für einen Aufnahme im März 2003.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

195

Abb. 5: Nass-Schnee Kartierung: Aufbereitete ASAR Szene (links) und abgeleitete automatische Kartierung der Flächenanteile im 1km Raster (rechts) für den 4.3.2003.

4.4

Ableitung der oberflächennahen Bodenfeuchte aus ENVISAT ASAR WSM Daten

Die Möglichkeiten der Ableitung oberflächenaher aus Mikrowellendaten wurde bereits in zahlreichen Studien unter Beweis gestellt (z.B. Quesney et al, 2000; Dubois et al, 1995; Rombach & Mauser, 1997). Bisher war die Invertierung der Bodenfeuchte nur für kleinere Einzugsgebiete bzw. Teileinzugsgebiete möglich. Durch den neuen ScanSAR Mode des ENVISAT ASAR und die damit erreichte Abdeckung von 400 km, ist es möglich, die Bodenfeuchte größerer Einzugsgebiete mit einer Aufnahme zeitgleich zu erfassen. Im Rahmen von InFerno wurden Ansätze entwickelt, um aus ENVISAT WSM Produkten die Bodenfeuchte der obersten Bodenschicht zu invertieren.

4.4.1 Bodenfeuchtemodell Der Rückstreukoeffizient σ0 ist durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Neben den dielektrischen Eigenschaften der Oberfläche, die in direkter Beziehung zur Bodenfeuchte stehen, hängt die Rückstreuung wesentlich von der Oberflächenrauhigkeit, der Topographie und der Landnutzung ab. Wie Rombach und Mauser (1997) zeigten, hat die Vegetation ab einer bestimmten phänologischen Entwicklung einen konstanten Einfluss auf das Rückstreusignal. Der Reliefein-

196

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

fluss lässt sich unter Zuhilfenahme eines digitalen Geländemodells systematisch korrigieren (Löw & Mauser, 2003). Die landnutzungsabhängigen Relationen zwischen der Dielektrizitätskonstanten und dem Rückstreukoeffizient haben die Form ε ′ = a + b ⋅ σ 0 + cσ 02

(Gl. 1)

wobei ε die Dielektrizitätskonstante und σ 0 der Rückstreukoeffizient in dB ist. Die Koeffizienten a, b und c sind landnutzungsabhängig (ROMBACH und MAUSER, 1997). Bei bekannter Bodenart lässt sich aus der Dielektrizitätskonstanten mit Hilfe dielektrischer Modelle (HALLIKAINEN et al., 1985) die Bodenfeuchte invertieren. Die dabei für ERS Daten erreichten Genauigkeiten liegen bei 2-5 Vol. %.

4.4.2 Ableitung der Bodenfeuchte aus ASAR WSM Daten Im Gegensatz zu den ERS Daten decken die WSM Daten einen deutlich höheren Einfallswinkelbereich ab. Während der ERS einen Einfallswinkel von 19-26° aufweist, liegt dieser bei WSM Daten zwischen 19 und 45°. Um den vorhandenen Algorithmus auf WSM Daten anzuwenden ist eine Normierung des Einfallswinkels notwendig. Auf der Basis von 37 WSM Bildern im Zeitraum von Oktober 2002 bis Februar 2004 konnte für jede Landnutzung eine spezifische Einfallswinkelabhängigkeit des Rückstreukoeffizienten bestimmt werden.

Acker

y = -85.713x + 4585.9 R2 = 0.664

Grünland 4000

3500 SIG 3000 0*1 000 2500 0 2000

3500 SIG0*10000

4000

1500

3000 2500 2000 1500

1000

1000

500

500

y = -54.754x + 3018.6 R2 = 0.7955

0 15

20

25

30 Einfallswinkel [°]

35

40

45

15

20

25

30

35

40

45

Einfallsw inkel [°]

Abb. 6: Einfallswinkelabhängigkeit des Rückstreukoeffizienten σ 0, dargestellt am Beispiel für Acker und Grünland.

Die Einfallswinkelabhängigkeit wurde für sämtliche Landnutzungen festgestellt. Deutliche Unterschiede wurden dabei zwischen dem Winter- und Sommerhalbjahr festgestellt.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

197

Bei bekannter Einfallswinkelabhängigkeit kann eine Normierung der Rückstreuung auf einen Referenzwinkel durchgeführt werden. Zur Ableitung der Bodenfeuchte wurden die WSM Bilder auf einen Referenzwinkel von 23 ° normiert, was dem Mid-Swath Winkel des ERS entspricht. Mit Hilfe des Bodenfeuchte Modells in Gleichung 1 wurde die Dielektrizitätskonstante abgeleitet und daraus mit Hilfe der Bodenarten die Bodenfeuchte invertiert. Zur Validierung des Verfahrens standen fünf permanent registrierende Bodenfeuchtestationen sowie Handsondenmessungen an ausgewählten Überflugsterminen zur Verfügung. Dabei wurden an drei ausgewählten Messpunkten innerhalb eines Feldes je drei unabhängige Bodenfeuchtemessungen mit TDR Handsonden vorgenommen. Die Variabilität der Bodenfeuchte auf der Feldbasis liegt zwischen 3 und 5 Vol.%.

4.4.3 Ergebnisse Abbildung 7 zeigt die mit TDR gemessenen Bodenfeuchtewerte und die dazugehörigen, aus WSM Daten, abgeleiteten Bodenfeuchtergebnisse. Der RMSE (Root Mean Square Error) beträgt 5.2 Vol.% und liegt damit nur leicht höher als die Variabilität der Referenzmessungen. Dabei zeigt das Modell gute Ergebnisse im gesamten interessanten Bodenfeuchtebereich. Leichte Überschätzungen treten im unteren und leichte Unterschätzungen treten im oberen Bodenfeuchtebereich auf.

Bodenfeuchte WSM [Vol. %]

50 45

y = 0.5685x + 10.509 R2 = 0.5934

40

RMSE = 5.2 Vol.%

35 30 25 20 15 10 5 0 0.00

5.00 10.00 15.00 20.00 25.00 30.00 35.00 40.00 45.00 50.00 Bodenfeuchte TDR [Vol. %]

Abb. 7: Invertierungsergebnisse der Bodenfeuchte.

198

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

4.4.4 Diskussion zur Ableitung der oberflächennahen Bodenfeuchte Die Untersuchungen haben gezeigt, dass sich aus ASAR WSM Daten Informationen über die oberflächennahe Bodenfeuchte gewinnen lassen. Der RMSE von 5.2 Vol.% liegt im Bereich der Variabilität der Geländemessungen. Eine bessere Validierung der Ergebnisse wäre mit flächendeckenden Bodenfeuchtemessungen möglich, da TDR Messungen lediglich Punktmessungen darstellen, deren Lokalisierung im Bild zudem schwierig ist. Damit wäre eine weitere Anpassung und Verbesserung des Modells möglich. Der Ansatz zur Einfallswinkelkorrektur weist eine deutliche jahreszeitliche Dynamik auf. Mit Hilfe von mehr Bildern wird es möglich sein, für jede Landnutzung einen monatlichen Korrekturwert zu bestimmen. Das gezeigte Verfahren bietet erstmals die Möglichkeit für größere Einzugsgebiete Bodenfeuchte der oberflächennahen Bodenschicht aus Fernerkundungsdaten abzuleiten und zur Assimilation in hydrologische Modelle bereitzustellen. Damit wird es möglich, der raumzeitlichen Dynamik der Bodenfeuchte großflächig Rechnung zu tragen.

5

Nutzung der bisherigen Ergebnisse im hydrologischen Modell

Bei der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale (HVZ) Karlsruhe innerhalb der Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) Baden-Württemberg soll in Zukunft das Wasserhaushaltsmodell LARSIM (Large Area Runoff Simulation Model) für Hochund Niedrigwasservorhersagen operationell eingesetzt werden. In BadenWürttemberg liegen nahezu flächendeckend kalibrierte Wasserhaushaltsmodelle vor. Sie simulieren räumlich sehr hoch aufgelöst (Modellraster 1km*1km) kontinuierlich, also nicht bezogen auf ein Ereignis, den gesamten Wasserhaushalt, z.B. auch Verdunstung, Bodenfeuchte und Schneeschmelze. Im operationellen Testbetrieb läuft bei der HVZ derzeit das Modell des Neckars, welches den Wasserhaushalt des gesamten, ca. 14 000 km² großen Einzugsgebiet simuliert. Im Folgenden werden erste Erkenntnisse aus den Möglichkeiten zur Nutzung der Fernerkundung in der hydrologischen Modellierung vorgetellt. Um die Schneeakkumulation und die –schmelze besser modellieren zu können werden die bisher vorgestellten Fernerkundungsprodukte als zusätzliche Eingangsgrößen genutzt. Die Schneeakkumulation ist hauptsächlich abhängig von der Temperatur, ab der der Niederschlag als Schnee fällt. In der Vergangenheit wurde diese Grenztemperatur TGrenz mit 1.0°C abgeschätzt.

FERNERKUNDUNG UND HOCHWASSER-VORHERSAGE

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Aus den aus der Fernerkundung abgeleiteten Schnee-Wolken-Klassifikationen (SWK) werden die Pixel der Klasse „schneefrei“ und die Information über die Schneegrenze zur Optimierung der TGrenz genutzt. Zusätzlich stehen gemessene Schneewasseräquivalente (SWE) an ca. 80 Bodenstationen im Einzugsgebiet des Neckars zur Verfügung. Zur Optimierung von Tgrenz wird aus der SWK Klassifikation die Information Schneefrei, die Schneegrenze sowie die gemessenen SWE an den Stationen genutzt. Erste Testrechnungen haben bestätigt, dass die berechneten SWE aus Simulationen mit der Information aus der Fernerkundung die an den Bodenstationen gemessenen SWE besser reproduziert.

Abb. 8: Vergleich von SWE Simulation ohne (oben) und mit (unten) Integration von Fernerkundungsdaten und Messwerten.

Beispielhaft ist in Abbildung 8 ein LARSIM-Modellergebnis vor und nach der Optimierung dargestellt. Die beiden Abbildungen links zeigen die simulierten SWE ohne (oben) und mit Optimierung (unten) für das Neckar-Einzugsgebiet. Rechts dargestellt ist ein Vergleich an einer Station im Neckargebiet. Die obere Kurve (grau) ist das berechnete SWE ohne Nutzung der Messwerte und des NOAA Bildes, die untere (schwarz) ist die Simulation nach der Optimierung, die schwarzen Punkte sind die gemessenen SWE. Für diesen Rechenlauf wurde der Messwert an der zu untersuchenden Station nicht genutzt, weil sonst die Vergleichbarkeit nicht gegeben wäre, der Einfluss des Messwerts direkt an der Station würde den Vergleich verfälschen. Es wird deutlich, dass LARSIM ohne Optimierung flächenhaft zu viel Schnee berechnet, nach der Optimierung mit

200

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

NOAA ist die Übereinstimmung zwischen berechneten und gemessenen SWE deutlich besser.

Danksagung: Das Projekt mit einer Laufzeit von 5 Jahren (2000 – 2005) wird von dem DLR unter der Kennziffer 50EE0053 gefördert.

Literatur Appel, F., Bach, H., (2003): “Near-real-time derivation of snow cover maps for hydrological modelling using operational remote sensing data”, IGARSS 03, IEEE 2003 International Geoscience and Remote Sensing Symposium Proceedings, CD-Publication. Dubois, P.C. , J.J. van Zyl, T. (1995): Engman “Measuring soil moisture with imaging radar”, IEEE Trans. Geos. Rem. Sens., vol 33, pp 915-926. Hallikainen, M.T. , F.T. Ulaby, M.C. Dobson, M.A. El-Rayes, L. Wu (1985): “Microwave dielectric behaviour of wet soil – Part I: Empirical models and experimental observations”, IEEE Trans. Geos. Remote. Sens., vol. GE23, no 1, pp. 25-34. Löw, A. and Mauser, W. (2003): Generation of geometrically and radiometrically terrain corrected ScanSAR images. Proc. IGARSS 2003, Toulouse. Quesney, A., S. Le Hégarat-Mascle, O. Taconet, D. Vidal-Madjar, J.P. Wigneron, C. (2000): Loumagne and M. Normand “Estimation of Watershed soil moisture index from ERS/SAR data”, Rem. Sens. Environ., vol 72, pp. 290-303. Rombach, M. & Mauser, W. (1997): “Multi-Annual Analysis of ERS Surface Soil Moisture measurements of different Land uses”, 3rd ERS Symposium, pp. 27-34. Schulz, W, Merkel U., Bach H., Appel F., Ludwig R., Löw A., Mauser W. (2002): „Inferno – Integration of remote sensing data in operational water balance and flood prediction modelling”, Proceedings of the International Conference on Flood Estimation. Berne 6-8 March 2002, Switzerland.

INTERPOLATION DES SCHNEEWASSERÄQUIVALENTS

201

Ein geostatistisches Verfahren zur Interpolation des SWE in mesoskaligen Einzugsgebieten auf Basis von meterologischen Messungen und NOAA-AVHRR Daten Björn Waske*), Alexander Löw und Ralf Ludwig

Zusammenfassung: In der vorliegenden Arbeit wird das Potential des mit FEDaten kombinierte geostatistischen Verfahrens Kriging zur Schätzung der räumliche Verteilung des Schneewasseräquivalents (SWE) im Einzugsgebiet des Neckars (ca. 14.000 km²) untersucht. Im Fall, dass eine vorhergehende Trendanalyse von Messwerten eine Abhängigkeit der Schneeparameter von Geofaktoren (z.B. Geländehöhe) aufzeigte, wurden die Residuen des Trendmodells anstelle der Messwerte interpoliert und diese anschließend mit dem beobachteten globalen Trend verrechnet. Aus NOAA-AVHRR Daten abgeleitete Schnee-WolkenKlassifikationen (SWK), die eine Unterscheidung von schneebedeckten und schneefreien sowie wolkenbedeckten Bereichen ermöglichen, wurden für die endgültigen Schätzung des SWE einbezogen. Zur Beurteilung der Ergebnisse wurde eine Kreuzvalidierung durchgeführt. Die Modelle erklären zwischen 43% und 85% der beobachteten Varianz des SWE im Einzugsgebiet.

Abstract: In the presented study the potential of combining the geostatistical method Kriging with remote sensing data to determine the spatial distribution of snow-water-equivalent (SWE) in the Neckar watershed (~ 14.000 km²) is discussed. Before using the interpolation method, a large-scale trend analysis between measured snow parameters and geofactors (e.g. terrain elevation) has been applied. If a trend was detected, the residuals were interpolated instead of the measured values. Adding the estimated residuals to the global trend level produces a prediction map. Snow-Cloud-Classification (SWK), derived from NOAA-AVHRR imagery, enables to distinguish snow covered from snow free and clouded areas. They are used to create the final estimation maps of SWE. The models are explaining 43% to 85% of the observed variance in SWE within the watershed.

*)

Department für Geo- und Umweltwissenschaften, LMU München, E-Mail: [emailprotected]

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7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

1 Einführung Die Erfassung der räumlichen als auch der zeitlichen Verteilung des Schneewasseräquivalents stellt insbesondere in mesoskaligen Anwendungen eine schwierige Aufgabe dar. Eine möglichst akkurate Schätzung der räumlichen Verteilung des zeitlich und räumlich hoch variablen SWE ist für eine Verbesserung von Hochwasservorhersagen oder auch Wasserbilanzmodellen unabdingbar. In großen Gebieten ist die Information über das SWE relativ ungenau, da die Daten in der Regel durch ein nicht flächendeckendes, meteorologisches Messnetz erhoben werden. Geeignete Methoden zur direkten Ableitung des SWE aus Fernerkundungsdaten stehen bisher nicht zur Verfügung. Eine Schätzung mittels physikalisch basierter Modelle kann, aufgrund der damit verbundenen aufwendigen Parametrisierung und Kalibrierung gerade im mesoskaligen Bereich zu beträchtlichen Ungenauigkeiten führen. Daher soll zur Interpolation der punktuell erhobenen Daten auf ein statistisches bzw. geostatistisches Verfahren zurückgegriffen werden. In der Literatur liegen zahlreiche Ansätze zur räumlichen Interpolation von Schneeparametern vor, wie z.B. Regressionsmodelle, IDW-Verfahren (Fassnacht et al. 2003), Binary Decission Trees (Balk & Elder 2000) oder auch Krigingmethoden (Caroll & Cressie 1997; Erxleben et al. 2002). Viele dieser Verfahren ermöglichen gute Schätzergebnisse. Die Untersuchungen erfolgten aber in der Regel überwiegend in kleinen Gebieten mit einer hohen Meßdatendichte. In verschiedenen Arbeiten wurden, teilweise in deutlich größeren Untersuchungsgebieten, meteorlogische Variablen, wie Niederschlag (z.B. Phillips et al. 1992), aber auch Schneeparameter (z.B. Erxleben et al. 2002) erfolgreich mittels Kriging geschätzt und waren den Ergebnissen andere Methoden überlegen (Erxleben et al. 2002; Kelly & Atkinson 1999). Im Hinblick auf die Einzugsgebietsgröße (ca. 14.000 km²) und die Datenbasis scheint daher ein geostatisticher Ansatz geeignet zu sein. Wie in ähnlichen Verfahren zuvor (z.B. Elder et al. 1998) wurde die Information über die Schneebedeckung zusätzlich in die SWE-Schätzung mit einbezogen. Mittels eines automatisierten Verarbeitungsprozesses können diese Informationen direkt nach dem Onlineempfang operationell aus Satellitendaten abgeleitet werden. Dieser Prozess besteht aus der Kalibrierung und der geometrischen Korrektur der Daten sowie einer automatischen Wolkendetektion. Damit ein möglichst maximaler Informationsgehalt der SWK-Produkte erreicht werden kann, werden für die Reduktion der Wolkenbedeckung alle verfügbaren NOAAAVHRR-Szenen eingebunden. Eine Validierung der Klassifikationsergebnisse ergab eine Genauigkeit von 95.6% (Appel & Bach, 2003; Appel et al., 2003).

INTERPOLATION DES SCHNEEWASSERÄQUIVALENTS

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2 Datengrundlage und Untersuchungsgebiet Die Untersuchung erfolgte im Einzugsgebiet des Neckar (ca. 14.000 km²). Als Daten standen die Messungen von Schneehöhe und Schneedichte des NSDMessnetzes Baden-Württemberg zur Verfügung. Die Aufzeichnung dieser Messdaten erfolgt ab einer Schneehöhe von 5 cm, eine Unterscheidung zwischen schneefreien Flächen und Schneeehöhen kleiner 5 cm ist demnach nicht möglich. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Messstationen variiert zwischen 46 und 71. Für das gesamte Bundesland lag flächendeckend ein digitales Geländemodell mit einer räumlichen Auflösung von 30 m vor. Für jeden der vier Termine wurden die aus den NOAA-Daten abgeleiteten SchneewolAbb.1: Verteilung der Messtakenmasken bereitgestellt. tionen am 10.02.99.

3 Methodik Die Interpolation des SWE erfolgt für das gesamte Einzugsgebiet mit einer räumlichen Auflösung von 1 km. Das SWE [mm] wird durch die Schneehöhe sh [cm] und die Schneedichte ρ [g/cm³] bestimmt: SWE = ρ ⋅ sh ⋅ 10

Gleichung 1

Da angenommen wird, dass sich Schneehöhe und Schneedichte räumlich betrachtet unterschiedlich verhalten können, werden diese separat interpoliert und anschließend zum SWE verrechnet. Die Schneedichte kann aus den Messdaten abgeleitet werden:

ρ=

SWE sh ⋅ 10

Gleichung 2

3.1 Datenanalyse Eine Trendanalyse zwischen Geofaktoren und den Schneeparametern zeigt eine Abhängigkeit der Schneehöhe von der Geländehöhe auf, die durch ein einfaches lineares Modell beschrieben werden kann (vgl. Abb. 2). Eine Abhängigkeit der Schneeparamter von anderen Geländevariablen, wie z.B. Exposition oder Inklination konnte nicht festgestellt werden.

204

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 2: Abhängigkeit der Schneehöhe von der Geländehöhe. 3.2 Interpolation Die Eigenschaft der Höhenabhängigkeit ermöglicht die Interpolation der Residuen der linearen Funktion und eine anschließende Verrechnung dieser Abweichungen mit dem modellierten Trend. Die Beschreibung der großräumigen Variationen der Schneehöhe erfolgt demnach durch die globalen Trendmodelle; die kleinräumigen Variationen der Schneehöhe werden durch das Krigingverfahren modelliert. Die Schätzung der Schneedichte und der Residuen der Schneehöhe erfolgt mittels Ordinary Kriging. Für jeden Datensatz wird das experimentelle Variogram berechnet:

γ (h ) =

1 n(h ) 2 ∑ [z ( xi ) − z ( xi + h )] 2 n(h ) i = 1

Gleichung 3

mit n als Anzahl der Datenpaare, der Distanz h sowie den Messwerten der Variable z, an den Positionen xi und xi+h (Isaaks & Srivastava, 1989; Journel & Huijbregts, 1978).

Abb. 3: Experimentelle Variogramme am 26.10.99 und 07.02.03 (links).

INTERPOLATION DES SCHNEEWASSERÄQUIVALENTS

205

An diese experimentellen Variogramme werden geeignete Variogrammodelle angepasst, allerdings stehen für diese Modellanpassung keine einheitlichen Regeln zur Verfügung, dieser erfolgt vielmehr subjektiv durch den Anwender und ist unter anderem von dessen Erfahrung abhängig (Mowrer 1997). Werden die experimentellen Variogramme (Abb. 3) betrachtet lässt sich deren Verlauf am besten durch ein gaussches oder ein sphärisches Variogrammodel mit Nuggeteffekt beschreiben.

Abb. 4: Vereinfachte Darstellung der verwendeten Variogrammodelle.

Das Gaussmodell (Gleichung 4) und spärische Variogrammodell (Gleichung 5) werden für einen Abstand bzw. Lag h durch die beiden Parameter Sill c und Range a definiert (Deutsch & Journal, 1998): ⎡ ⎛ (3h) 2 ⎞⎤ γ (h ) = co + c ⋅ ⎢1 − exp⎜⎜ − 2 ⎟⎟⎥ a ⎠⎦ ⎝ ⎣ 3 ⎡ h ⎛h⎞ ⎤ γ (h ) = co + c ⋅ ⎢1.5 − 0.5⎜ ⎟ ⎥ für h ≤ a ⎝ a ⎠ ⎥⎦ ⎢⎣ a

Gleichung 4 γ (h ) = c für h ≥ a

Gleichung 5

Zusätzlich beinhalten alle verwendeten Modelle einen Nuggeteffekt c0. Diese Konstante beschreibt einen, u.a. durch kleinräumige Variationen und Messfehler verursachten Zufallsprozess. Eine ausführliche Übersicht über Kriging und Variogrammodelle geben u.a. Journal und Huijbregts (1978) oder Isaaks und Srivastava (1989). Die endgültige Schätzung des SWE wird mittels einer Verschneidung der SWK Produkts und den Krigingergebissen erzielt. Die Kombination der vorläufigen Interpolationsergebnisse mit dem SWK Produkt führt zu einer Korrektur innerhalb der schneefreien Bereiche. Das endgültige SWE weist in den schneefreien Bereichen (grün) ein SWE von 0 cm auf, die geschätzten SWE Werte der restlichen Bereiche, Wolken (grau) und Schnee (weiß) bleiben unverändert (vgl. Abb. 5).

206

7. WORKSHOP ZUR GROßSKALIGEN MODELLIERUNG

Abb. 5: Einfluß des SWK auf das Interpolationsergebnis.

4 Ergebnisse und Valdierung Für jeden Termin wird das Krigingergebnis mit dem geweiligen SWK Produkt verschnitten und somit das, in den schneefreien Flächen korrigierte, endgültige Ergebnis (vgl. Abb 6) erzielt. Die SWE-Werte sind in den Grenzbereich in der Regel relativ gering, daher kann der, durch das SWK Produkt verursachte, unrealistisch scharfe Grenzverlauf vernachlässigt werden.

Abb. 6: Ergebnisse der Mehode zur Interpolation des SWE.

Zur Beurteilung der Modellergebnisse wurde eine Kreuzvalidierung durchgeführt. Bei diesem Verfahren wird schrittweise jeweils ein Messpunkt aus dem Datensatz eliminiert und die Variable genau an dieser Position durch die verbleibenden Stationswerte geschätzt. Für die Evaluierung werden der mittlere absolute Fehler MAE, der quadrierte mittlere Fehler RMSE sowie ein Gütemaß berechnet.

INTERPOLATION DES SCHNEEWASSERÄQUIVALENTS

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Tab. 1: Ergebnisse der Kreuzvalidierung. Datum 10.02.1999 26.02.1999 07.02.2003 12.02.2003

MAE 0.99 2.82 1.48 1.86

RMSE 1.64 4.29 3.96 2.51

R² 0.84 0.43 0.67 0.85

Der MAE kann zur Beurteilung des globalen Fehlermaßes dienen (SCHLOEDER et al. 2001), der RMSE ermöglicht eine Aussage über die kleinmaßstäblichen, lokalen Schätzfehler. Der globale Schätzfehler liegt zwischen 0.99 und 2.82 cm SWE, der RMSE variiert zwischen 1.64 und 4.29 cm SWE. Die beobachtete Varianz des Schneewasseräquivalents im Einzugsgebiet wird durch die Modelle zu 43% bis 85% erklärt (vgl. Tab. 1).

5 Fazit Die Ergebnisse werden u.a. von der Anzahl und der Verteilung der Stationen sowie der Varianz der Messdaten beeinflusst (DIRKS et al., 1998; LEBEL & BARBÉ, 1997). Am Termin mit den höchsten Fehlerkoeffizienten (26.02.99) standen nur die Daten von 53 Stationen zur Verfügung, anstelle von 71 Stationen am 10. Februar. Eine flächendeckende Aussage über die Verteilung des SWE ist ohne ein geeignetes Interpolationsverfahren nicht möglich. Die präsentierten Ergebnisse erreichen die Qualität der Schätzungen bestehender Verfahren, die in der Regel innerhalb deutlich kleineren Einzugsgebieten mit höherer Datendichte erzielt wurden (z.B. BALK & ELDER, 2000). Durch die Einbindung der Fernerkundungsdaten wird eine deutliche Verbesserung des Gesamtergebnisses erzielt, da diese einen Schätzfehler innerhalb des gesamten schneefreien Bereiches vermeiden (vgl. Abb.7). Im Hinblick auf die Eingangsdaten und die Größe des Einzugsgebiets scheint die gewählte Methode geeignet und die erzielten Resultate können als gut bezeichnet werden.

Danksagung: Die Autoren danken dem Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt DLR für die Förderung (Fkz: 50EE0053). Die ESA unterstützt das Projekt im Rahmen ihres PI-Programms.

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Literatur Appel F., Bach H., Schulz W. & Merkel U. (2002): Operational Remote Sensing Methods derive snow Properties for Hydrological Modelling. In: Proceedings of EARSeL-LISSIG-Workshop Observing our Cryosphere from Sapce, Bern, Switzerland, March 11-13, 2002. Appel F. & Bach H. (2003): Near-real-time derivation of snow cover maps for hydrological modelling using operational remote sensing data IGARRS, Toulouse, France 2003. Balk B. & Elder K. (2000): Combining Binary decision tree and geostatistical methods to estimate snow distribution in a mountain watershed. Water Resources Research 36(1): 13-26. Caroll SS. & Cressie N. (1997): Spatial modelling of snow-water equivalent using covariances estimated from spatial and geomorphic attributes. Journal of Hydrology 190: 42-59. Deutsch C. & Journel A. G. (1998): GSLIB - Geostatistical Software Library and User's Guide, Oxford University Press, NY. Dirks K.N., Hay J.E., Stow C.D. & Harris D. (1998): High resolution studies of rainfall on Norfolk Island Part II: interpolation of rainfall data. Journal of Hydrology 208(3-4): 187-193. Elder K., Rosenthal W. & Davis RE. (1998): Estimating the spatial distribution of snow water equivalence in a montane watershed. Hydrological Processes 12: 1793-1808. Erxleben J., Elder K. & Davis R. (2002): Comparison of spatial interpolation methods for estimating snow distribution in the Colorado Rocky Mountains. Hydrological Processes 16: 3627-3649. Fassnacht S.R., Dressler K.A. & Bales R.C. (2003): Snow water equivalent interpolation for the Colorado River Basin from snow telemetry (SNOTEL) data. Water Resources Research, 39(8): 1208.Kelly RE & Atkinson P.M. (1999): Modelling and Efficient Mapping of Snow Cover in the UK for Remote Sensing Validation. In: Advances in Remote Sensing and GIS Analysis, Atkinson PM, Nicholas JT (eds). John Wiley & Sons Ltd: New York; 75-95 Isaaks E.H. & Srivastrava R.M. (1989): An introduction to applied geostatistics. Oxford University Press: New York. Journal A.G. & Huijbregts C.J. (1989): Mining Geostatistics. Academic Press: London.

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Lebel T. & Barbé L. (1997): Rainfall monitoring during HAPEX-Sahel. 2. Point and areal estimation at the event and seasonal scale. Journal of Hydrology 188-189: 97-122 Mowrer H.T. (1997): Propagating uncertainty through spatial estimation processes for old-growth subalpine forests using sequential Gaussian simulation in GIS. Ecological Modelling 98: 73-86. Phillips D.L., Dolph J. & Marks D. (1992): A comparison of geostatistical procedures for spatial analysis of precipitation in mountainous terrain. Agricultural and Forest Meteorology 58: 119-141 Schloeder C.A., Zimmermann N.E. & Jacobs M.J. (2001): Comparison of methods for interpolating soil properties using limited data. Soil Science Society of America Journal 65: 470-479.

[PDF] Ralf Ludwig, Doris Reichert, Wolfram Mauser - Free Download PDF (2024)

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